FINNLANDS FUSSBALL WIRD VON EINEM WETTSKANDAL ERSCHÜTTERT, AN DEM IN CHINA VERDIENT WURDE
Merkwürdige Aufstellungen. Thierry Pister (Vierter von links), umstrittener Trainer von Vizemeister Allianssi. Foto Ville Myllynen
Hannes Gamillscheg, Kopenhagen
Ein Wettskandal mit internationalen Verzweigungen erschüttert den finnischen Fussball: Eine 0:8-Niederlage von Vizemeister Allianssi gegen Titelhalter Haka soll Wettern vor allem in Fernost hohe Gewinne gebracht haben.
Jetzt ermitteln die Uefa, der finnische Verband und die Polizei, ob der erst vor wenigen Wochen von einem chinesischen Geschäftsmann gekaufte Verein absichtlich so hoch verloren hat. Vom «grössten Skandal in der Geschichte des finnischen Fussballs» spricht Juha Niemi, der Sportchef der Zeitung «Ilta-Sanomat», während andere Kommentatoren sich in einen schlechten Krimi versetzt fühlen. Was, fragen sie, bringt asiatische Wetter dazu, Millionen von Euro auf ein Punktspiel der selbst in Europa kaum bekannten finnischen Liga zu setzen - wenn nicht die Erwartung sicherer Gewinne? Was bringt einen neuen Trainer dazu, gegen den Meisterklub die gesamte Stammmannschaft auszutauschen und mit sechs Ausländern aufzulaufen, die erst wenige Tage mit ihren Kollegen trainiert haben? «Das war ein Fehler», ist der einzige Kommentar des belgischen Coachs Thierry Pister.
Eine Woche später setzte er in der Uefa-Cup-Qualifikation gegen Petange aus Luxemburg wieder die Stammelf ein. Allianssi siegte 3:0. Nun droht dem Team aus Vantaa der Rauswurf aus der Liga, obwohl die Verantwortlichen beteuern, dass «nichts Kriminelles» geschehen sei.
Ex-Basler. Doch an Merkwürdigem genug: Im Juni erst hatte der auch im Wettgeschäft tätige Geschäftsmann Zheyun Ye den finanziell angeschlagenen Verein übernommen. Er hatte sich zuerst in Belgien einkaufen wollen, war dort aber gescheitert und in den hohen Norden verwiesen worden. Aus Belgien brachte er Manager Olivier Suray mit, der über die mangelnde Professionalität und die schlechte Einstellung der finnischen Spieler herzog, Trainer Ari Tiittanen feuerte und durch seinen Landsmann Pister ersetzte. Für Allianssi schien eine goldene Zukunft angebrochen: Die neuen Geldgeber schwärmten von einem nordeuropäischen Topklub a la Rosenborg Trondheim und der Champions League.
Doch die sechs neuen Spieler, darunter der frühere Basler Jean-Pierre La Placa, mit denen Pister ankam, hatten, sagt Niemi, «teils nicht mal passende Fussballschuhe mit». Ihre körperliche Verfassung war erschreckend. Den Stammkeeper schickte Pister in ein «Trainingslager» nach Belgien, das, als dieser dort eintraf, nicht existierte, und stellte statt dessen einen Hünen aus der vierten belgischen Liga ins Tor, der keinen Ball halten konnte. Auch die übrigen Neuerwerbungen schickte er nach nur einer Woche Training ins Spiel gegen den Titelverteidiger, zusammen mit finnischen Reservisten. «Ich wollte sie im Wettkampf sehen», rechtfertigte sich der Trainer.
Die eingespielte Truppe, die in den letzten elf Meisterschaftsspielen nur sieben Gegentreffer erhalten hatte, sass auf der Tribüne. Nach 21 Minuten stand es 0:5. «Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte», sagte der Stammverteidiger Jani Sarjajärvi zur Zeitung «Aftonbladet»: «Ich glaube, das war Absicht, und einige Leute im Klub haben damit Geld verdient.»
WETTMAFIA. Bei der finnischen Totogesellschaft Veikkaus lagen die Wetteinsätze für dieses Spiel 50 Prozent über dem Normalniveau, die meisten Zocker hatten einen hohen Haka-Sieg getippt. Doch den Verdacht erregten vor allem die hohen Wetten, die nach Informationen finnischer Medien in China abgeschlossen wurden. Wurde das Spiel in Wettbüros zur Geldwäsche benützt? Andererseits: Würde eine Wettmafia, die einen Verein erwirbt, gleich dessen erstes Spiel für Manipulationen missbrauchen? Und warum verliert man 0:8, wenn die Tipps auf «Niederlage mit mehr als zwei Toren» lauten? Nach einem 0:3 hätte die Presse zwar von einem schlechten Debüt der Neuen geschrieben, doch niemand hätte Betrug vermutet.
Vereinspräsident Erkki Alaja trat «aus moralischen Gründen» zurück, will jedoch von Schwindel nichts hören. Manager Suray bestreitet alle Vorwürfe und beschuldigt die Medien, eine Hetze gegen seinen Klub zu betreiben: «Hohe Niederlagen kommen vor.»
Aufklärung. Der finnische Verband hat die Uefa um Hilfe bei der Aufklärung gebeten und will am Freitag über das Schicksal von Allianssi beraten. Kann Manipulation nachgewiesen werden, wird der Klub degradiert. «Für so etwas gibt es keinen Platz bei uns», sagt Ligachef Jan Walden. Am Sonntag endete das Punktspiel Allianssis gegen den Mittelständler TPS 3:3. Wetten darauf nahmen finnische Büros nicht an.
Noch ein Skandal
Betrug in Italien? Präsident und Manager des Serie-A-Aufsteigers FC Genua sowie Verantwortliche und drei Spieler des insolventen AC Venedig müssen sich am Samstag wegen Ergebnismanipulation und Betrugs vor dem italienischen Fussballverband (FIGC) verantworten. Genua steht unter dem Verdacht, sich den Aufstieg durch einen gekauften 3:2-Heimsieg gegen Venedig am 11. Juni erschlichen zu haben. Der Polizei war ein Mitarbeiter von Genuas Club-Chef Enrico Preziosi mit 250000 Euro ins Netz gegangen.
dpa/BaZ.ch