Seite 1 von 1

Das einträgliche Geschäft mit den Fußball-Touristen // Trainingslager für lau...

Verfasst: 04.07.2005, 10:15
von Varela-8
Trainingslager der Profiklubs dienen längst nicht mehr nur der Saisonvorbereitung

Die Säuselstimme in der Warteschleife übertreibt mitnichten. "Hotel Schloß Pichlarn - Ihr königliches Urlaubsparadies", schmeichelt es bei Anruf in dem Steiermärker Fünf-Sterne-Etablissement dem Ohr, und bei Durchsicht der Gästeliste für August wird klar, warum: Real Madrid gibt sich die Ehre, die "Königlichen" unter den europäischen Fußballklubs. Zwölf Tage Trainingslager in der Abgeschiedenheit der österreichischen 2600-Seelen-Gemeinde Irdning haben die Spanier gebucht, inklusive Bustransfers, Vollpension, 1-A-Fußballplätzen, Fitnessraum, Massagen. Zahlen muß Real wie die meisten renommierten Erstligavereine dafür keinen Cent.


Der Grund, warum die Madrilenen in die Steiermark reisen, ist das Projekt "Internationale Fußball Camps Steiermark" (IFCS), eine eigene Gesellschaft des zweitgrößten Bundeslandes in Österreich. 1998 nach ersten guten Erfahrungen mit dem AS Rom gegründet, hat die IFCS schnell gewittert, wie einträglich das Geschäft mit den Top-Klubs sein kann. An neun Standorten übernimmt die IFCS die komplette Organisation rund um ein Trainingscamp, darin inbegriffen auch Testspiele gegen Vereine nach Wahl.


"Gute Hotels und gute Sportanlagen gibt es überall", sagt IFCS-Geschäftsführer Nikolaus Pichler. "Den Unterschied macht unser Gesamtkonzept aus." 18 Mannschaften aus zwölf Nationen haben sich allein für dieses Jahr bei ihm angemeldet, und die bekanntesten wohnen und kicken gratis. Neben Madrid und Arsenal London sind darunter auch die Bundesligisten Schalke 04 und VfB Stuttgart. Das Geschäftsmodell ist einfach, wie Schalkes Sportdirektor Andreas Müller erklärt: "IFCS kann unsere Testspiele vermarkten, im Gegenzug zahlen wir nichts für unser Trainingslager. So was schlägt ja allein durch Übernachtung und Verpflegung mit 40 000 bis 50 000 Euro zu Buche."


Er habe mehrere Angebote auf dem Tisch gehabt, so Müller, "aber die ganze Organisation von IFCS hat uns überzeugt, auch daß sie uns ansprechende Spielpartner besorgen wie Fulham FC und Grazer AK. Zudem haben wir ein sehr schönes Hotel mit exklusiven Trainingsbedingungen, das sehr ruhig gelegen ist. Ideal - auch von der wirtschaftlichen Seite."


Für die Klubs geht es in der Saisonvorbereitung längst nicht mehr nur darum, unter Ausschluß der Öffentlichkeit Kondition zu bolzen und den Spielern Taktik einzubimsen. Vielmehr sind die Camps in der Provinz zur PR-Plattform geworden, auf der alle Beteiligten das Beste für sich herauszuschlagen versuchen: Die weniger prominenten Vereine, indem sie entweder ihre Testspiele vor Ort selber vermarkten oder Preisgelder bei Mini-Turnieren kassieren. Die Gemeinden, indem sie zahlungskräftige Fußball-Touristen zu sich locken und sich fortan mit dem Renommee der balltretenden Prominenz brüsten können.


Die Unterbringung der Top-Mannschaften "kostet uns höchstens 100 000 Euro im Jahr", frohlockt Hermann Schützenhöfer, Landesrat für Sport in der Steiermark. Und IFCS-Mann Pichler rechnet vor: "Allein durch die 18 Teams kommen wir in diesem Sommer auf über 6000 zusätzliche Übernachtungen in den Regionen - mitgereiste Fans und Journalisten nicht einmal dazugezählt."


Die Möglichkeit zur Imagepflege lassen sich auch Sponsoren nicht entgehen. So darf etwa der österreichische Viertligist ASK Schwadorf in einem Freundschaftskick am 7. August nur deshalb gegen Real Madrid antreten, weil die Trenkwalder Personaldienste AG, eine Zeitarbeitfirma mit über 22 000 Mitarbeitern, als Hauptsponsor des ASK die IFCS mit einer Finanzspritze bedachte. "Das Spiel", feixt Geschäftsführer Pichler, "ist eine lustige G'schicht."

Derlei kuriose Paarungen gibt es nicht nur in der Steiermark. Gastgeber von Bayern München beim viertägigen Trainingslager ab 19. Juli ist der Bonner SC. Der spielt zwar nur in der Oberliga Nordrhein, die ortsansässige Telekom dafür jedoch über ihre Tochter T-Com als Hauptsponsor beim FC Bayern mit. Was läge da näher, als den Bayern ein Trainingslager und dem BSC, der 2005 sein 40jähriges Klubbestehen feiert, ein Freundschaftsspiel gegen die Münchner zu spendieren.


Mit abnehmender Zuschauerattraktivität wird ein kostendeckendes Arrangement indes schwerer. 80 000 Euro zahlt Bayer Leverkusen für die Dienstreise vom 13. bis 20. Juli ins Hotel "Säntispark" nach St. Gallen, und obwohl sich der Klub für zwei Testspiele gegen FC Liverpool und FC Wil verabredet hat, "refinanzieren wir das Trainingslager nur zu 70 bis 80 Prozent", sagt der Sportliche Leiter Michael Reschke. Ticketpreise bis zu 70 Euro, wie sie der Drittligist SC Ritzing am 24. Juli für die Partie gegen Arsenal London fordert, zahlt für Bayer niemand.

Quelle: Welt am Sonntag / GER