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Gerber: Meister ist möglich

Verfasst: 27.04.2005, 08:54
von repplyfire
Innert vier Tagen spielt Thun daheim gegen den FCZ und GC.
Captain Andres Gerber über den Erfolg der Berner, über ihre Hoffnungen und Gefahren.

Mit Andres Gerber sprach Thomas Schifferle

Andres Gerber, wer wird Meister?
( lacht) Was soll ich jetzt sagen?
Was Sie denken.

Das Einfachste ist, den FC Basel zu nennen. Er ist sicher der Favorit. Die Saison dauert noch zu lange, um jetzt schon zu sagen: Wir werden es. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch ein günstiges Programm hatten und gegen Mannschaften spielten, bei denen es kriselte. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir alle Gegner wegfegen. Schon gegen den FCZ und gegen GC können wir verlieren. Aber klar, wir können auch gewinnen.
Wie sehr ist der Meistertitel ein Thema innerhalb der Mannschaft?
Wir reden darüber, und wir fragen uns, wie eine Meisterfeier wäre. Das ist alles nicht seriös gemeint, wir reden mehr auf die lustige Art darüber. Aber wir wissen, der Titel ist möglich.
Haben Sie schon eine Meisterprämie ausgehandelt?
Als ich vor zwei Jahren nach Thun kam, fragte ich, was mit Prämien für den Uefa- Cup sei. Man sagte mir, ich solle realistisch bleiben. Nach dem Motto: Was fragst du denn da? Über eine Prämie, ob für Meistertitel, zweiten Platz oder Uefa- Cup- Qualifikation, müssen wir noch reden.
Sie waren 2001 und 2003 dabei, als GC den Titel gewann. Werden Sie von Ihren Mitspielern gefragt, wie es als Meister ist?
Nein, man kann sich das ja ungefähr auch vorstellen. Hier in Thun würden einfach alle Dämme brechen. Wir sind überglücklich, wenn wir den zweiten Platz erreichen. Schon das ist eine Sensation. Und wenn wir Meister sind, ist das eine Riesensensation.
Vor zwei Jahren wurden Sie von GC nach Thun abgeschoben. Fühlen Sie eine Genugtuung, dass Thun eine so starke Saison spielt?
Ich hatte alles in allem drei gute Jahre in Zürich. Wir kamen in der Mannschaft gut miteinander aus. Dann entschied einer im Verein: Den Gerber können wir nicht mehr brauchen. GC ist nachher auseinander gefallen und hat schwierige Zeiten gehabt. Mein Ziel als Fussballer ist es, Freude und Erfolg zu haben. Das habe ich hier.
Warum läuft es dem FC Thun so gut?
Wir haben eine Superstimmung, keinen Unruheherd, keine Stars, keinen Nuñez, der immer zu reden gibt. Wir haben gute Spieler, wir werden in unseren Qualitäten unterschätzt, weil wir typische Teamplayer sind. Jeder rennt für jeden. Es macht Spass hier. Dann kommt der Erfolg von allein. Es läuft einfach.
Und das ist manchmal nur schwer zu erklären, weil der Erfolg eine Eigendynamik hat.

In der Mannschaft haben wir auch schon oft darüber geredet. Wir selbst wissen, dass wir im läuferisch- taktischen Bereich enorm viel gearbeitet haben. Und wir schiessen Tore. Man kann sagen, das sei ein Zufall. Aber im Moment gehen die Bälle einfach rein.
Haben Sie nach dem Wechsel von Hanspeter Latour zu GC um die Zukunft von Thun gefürchtet?
Im ersten Moment, ja. Nicht unbedingt, was die Rückrunde dieser Saison betraf. Dafür war die Basis gelegt. Aber ich fragte mich, wie es über diese Saison hinaus weitergehen würde. Ich wusste, was Latour hier alles gemacht hatte. Er war die Integrationsfigur für den Verein und die ganze Region. Dass über Thun geredet wurde wie nie zuvor, haben wir ihm zu verdanken. Er ist ein Supertrainer und ein Supermensch.
Wie präsent ist Latour in Thun noch?
Er ist es nicht, weil wir Erfolg haben. Wenn wir nur Sechster wären, würden die Leute sagen: Ouh, Latour . . . Jetzt mag jeder Longo ( gemeint ist Urs Schönenberger) den Erfolg gönnen.
Was dachten Sie, als Schönenberger kam? Dass er ein armer Kerl sei, den populären Latour ersetzen zu müssen?
Ich dachte weniger an ihn. Für ihn war es eine Chance, in der Super League Trainer zu werden. Ich dachte mehr an die Mannschaft und an mich: Hoffentlich geht es mit Longo gut. Hoffentlich wird unter ihm nicht alles anders, weil wir es bisher so gut hatten. Hoffentlich zerbricht er nicht an Latours Ruf.
Wie unterscheiden sich die beiden?
Bei der Arbeit mit Latour war alles extrem konzentriert. Alles war bis ins letzte Detail kontrolliert. Longo ist auf dem Platz eher lockerer, aber auch er ist seriös und professionell. Bisher haben wir mit ihm nur Erfolg gehabt. Darum weiss ich nicht, wie es mit ihm sonst sein kann.
Baykal geht zum FC Basel, Raimondi zu YB und Coltorti wohl zurück zu GC. Um andere Spieler wie Deumi gibt es Gerüchte. Wie gross ist die Gefahr, dass die Mannschaft im Sommer auseinander fällt?
Diese Gefahr besteht, klar. Spieler, die gehen, kann man ersetzen, wenn man eine glückliche Hand hat, wie das im Winter bei Pallas und Gelson der Fall gewesen ist. Nur kann man mit der Zeit nicht alle gleichwertig ersetzen. Irgendwann blutet man aus. Aber selbst wenn diese Mannschaft zusammenbleiben würde, könnte es passieren, dass es nicht so weitergeht. Wir haben ein Budget von 4 bis 5 Millionen. Da ist es schwierig, mit Mannschaften mitzuhalten, die 8, 9, 10 oder mehr Millionen haben. In diesem Vergleich ist darum für uns auf Dauer ein siebter Platz realistisch.

Quelle:tagi