Dopingbetrug oder Schlamperei im italienischen Fussball?
Verfasst: 20.04.2005, 08:28
20. April 2005, Neue Zürcher Zeitung
EPO-Kontrolle als Farce
Betrug oder Schlamperei im italienischen Fussball?
ph. Im italienischen Fussball sind die Urin- und Blutproben, die zur Untersuchung auf EPO an das offizielle Dopinglabor in Acquacetosa bei Rom geschickt wurden, stets in ungekühltem Zustand transportiert worden. Nach wenigen Stunden waren die Samples verdorben, und der Nachweis des synthetischen Blutbildungshormons war nicht mehr möglich - die Suche blieb also eine Farce, und sämtliche Tests (insgesamt 780), auch des Urins, ergaben negative Resultate. Auf diesen Missstand ist der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello gestossen, der dem Gesundheitsminister Girolamo Sirchia - der in Italien das Rauchverbot in Restaurants durchgesetzt hat - einen Rapport vorgelegt hat. Offen bleibt, ob es sich um einen systematischen organisierten Betrug handelt oder um Leichtfertigkeit. Wie der «Corriere della Sera» enthüllte, existierten für die Modalitäten keine verbindlichen Vorschriften, und es bestand entsprechender Spielraum für Manipulationen.
Die EPO-Kontrollen waren am 6. Januar 2004 eingeführt, nach kurzer Zeit wegen heftiger Polemiken abgesetzt und erst am vergangenen 23. Januar wieder aufgenommen worden. Obligatorisch sind allerdings nur die Urinproben, die Blutentnahme (zur Überkreuz-Kontrolle) erfolgt auf freiwilliger Basis. Unlängst haben die Milan- Spieler Gattuso und Pancaro in Rom die Blutprobe verweigert und die Diskussion um diese Ausnahmeregelung all'italiana angefacht. Die Spielergewerkschaft drängt inzwischen auf ein Obligatorium. Die Ärzte, die in den italienischen Stadien die Proben vornehmen, sind nicht mit sogenannten «Freezern» oder Eisbeuteln (Stückpreis: 1 Euro) ausgestattet, mit denen sich die Frischhaltetaschen kühlen lassen. Urin, der bei 4 Grad konserviert wird, kann sieben Tage analysiert werden, auf minus 30 Grad tiefgefroren, sogar monatelang. Blutproben werden bei Raumtemperatur nach wenigen Stunden unbrauchbar. Die Ampullen, die im römischen Labor eintrafen, waren alle «ausgelöscht». Aber das ist offenbar niemandem aufgefallen - bis Guariniello Verdacht schöpfte.
Die Liste der italienischen Dopingskandale wird immer länger. Guariniello hatte schon 1997 aufgedeckt, dass die Chemiker in Acquacetosa jahrelang Dopingproben aus dem Fussball ungeöffnet weggeworfen und nie nach Anabolika gesucht hatten. Der Sportfunktionär Mario Pescante musste damals als Präsident des Dachverbandes Coni den Hut nehmen - heute ist er Staatssekretär für Sport und Delegierter der Regierung für die Olympischen Winterspiele 2006 in Turin. Guariniello führte auch die Anklage gegen den Juventus-Arzt Riccardo Agricola, der wegen Dopings zu einer Gefängnisstrafe von 22 Monaten verurteilt wurde. Im Jahre 2000 kam die Dopingkommission des Coni Experimenten mit Wachstumshormonen an italienischen Top- Schwimmern auf die Spur - die Kommission wurde aufgelöst, die Medaillengewinner und ihre Hintermänner blieben unangetastet. Der Sportmediziner Francesco Conconi, der eine ganze Generation italienischer Leistungssportler mit EPO aufgerüstet hatte, kam in seinem bis zur Verjährung verschleppten Prozess mit einem drittklassigen Freispruch davon.
EPO-Kontrolle als Farce
Betrug oder Schlamperei im italienischen Fussball?
ph. Im italienischen Fussball sind die Urin- und Blutproben, die zur Untersuchung auf EPO an das offizielle Dopinglabor in Acquacetosa bei Rom geschickt wurden, stets in ungekühltem Zustand transportiert worden. Nach wenigen Stunden waren die Samples verdorben, und der Nachweis des synthetischen Blutbildungshormons war nicht mehr möglich - die Suche blieb also eine Farce, und sämtliche Tests (insgesamt 780), auch des Urins, ergaben negative Resultate. Auf diesen Missstand ist der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello gestossen, der dem Gesundheitsminister Girolamo Sirchia - der in Italien das Rauchverbot in Restaurants durchgesetzt hat - einen Rapport vorgelegt hat. Offen bleibt, ob es sich um einen systematischen organisierten Betrug handelt oder um Leichtfertigkeit. Wie der «Corriere della Sera» enthüllte, existierten für die Modalitäten keine verbindlichen Vorschriften, und es bestand entsprechender Spielraum für Manipulationen.
Die EPO-Kontrollen waren am 6. Januar 2004 eingeführt, nach kurzer Zeit wegen heftiger Polemiken abgesetzt und erst am vergangenen 23. Januar wieder aufgenommen worden. Obligatorisch sind allerdings nur die Urinproben, die Blutentnahme (zur Überkreuz-Kontrolle) erfolgt auf freiwilliger Basis. Unlängst haben die Milan- Spieler Gattuso und Pancaro in Rom die Blutprobe verweigert und die Diskussion um diese Ausnahmeregelung all'italiana angefacht. Die Spielergewerkschaft drängt inzwischen auf ein Obligatorium. Die Ärzte, die in den italienischen Stadien die Proben vornehmen, sind nicht mit sogenannten «Freezern» oder Eisbeuteln (Stückpreis: 1 Euro) ausgestattet, mit denen sich die Frischhaltetaschen kühlen lassen. Urin, der bei 4 Grad konserviert wird, kann sieben Tage analysiert werden, auf minus 30 Grad tiefgefroren, sogar monatelang. Blutproben werden bei Raumtemperatur nach wenigen Stunden unbrauchbar. Die Ampullen, die im römischen Labor eintrafen, waren alle «ausgelöscht». Aber das ist offenbar niemandem aufgefallen - bis Guariniello Verdacht schöpfte.
Die Liste der italienischen Dopingskandale wird immer länger. Guariniello hatte schon 1997 aufgedeckt, dass die Chemiker in Acquacetosa jahrelang Dopingproben aus dem Fussball ungeöffnet weggeworfen und nie nach Anabolika gesucht hatten. Der Sportfunktionär Mario Pescante musste damals als Präsident des Dachverbandes Coni den Hut nehmen - heute ist er Staatssekretär für Sport und Delegierter der Regierung für die Olympischen Winterspiele 2006 in Turin. Guariniello führte auch die Anklage gegen den Juventus-Arzt Riccardo Agricola, der wegen Dopings zu einer Gefängnisstrafe von 22 Monaten verurteilt wurde. Im Jahre 2000 kam die Dopingkommission des Coni Experimenten mit Wachstumshormonen an italienischen Top- Schwimmern auf die Spur - die Kommission wurde aufgelöst, die Medaillengewinner und ihre Hintermänner blieben unangetastet. Der Sportmediziner Francesco Conconi, der eine ganze Generation italienischer Leistungssportler mit EPO aufgerüstet hatte, kam in seinem bis zur Verjährung verschleppten Prozess mit einem drittklassigen Freispruch davon.