Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

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Appendix
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Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Appendix »

Ich war oftmals zufrieden mit der Rolle, die die Schweiz als neutraler Staat verkörpert, aber eben auch sehr oft verärgert darüber, dass unsere Regierung in wichtigen Fragen keine Stellung nahm, bzw sich nicht positionierte. Auch wurden unter dem Deckmäntelchen der Neutralität aber dicke Geschäfte abgewickelt, Potentaten, Diktatoren, Mörderregimes bunkern bei unseren Banken ihr schmutziges Geld und wir liefern als neutrales Land Waffen welche für Morde an Zivilisten und unrechtmässige Konflikte in aller Welt eimgesetzt werden.

Mein Gedankenanstoss kam durch die Diskussionen der Finnen und Schweden, welche dieser Tage einen Beitritt zur Nato in Anbetracht ziehen, bzw zu erwägen. Ich wäre mittlerweile ebenfalls für einen Schweizer Beitritt. Das ganze politische Ducken, Zaudern, Enthalten bei wichtigen globalen Entscheidungen ist m.E nicht mehr zeitgemäss. Unsere Freunde sind die Staaten der westlichen Demokratien. Wir sind bloss noch Opportunisten und Rosinenpicker. Wir sollten klare Kante zeigen und Stellung beziehen und uns nicht hinter der Neutralitãt verstecken. Dass das nicht heute und morgen geschehen wird ist glasklar. So ein Prozess und eine Änderung unserer Verfassung würde über Generationen andauern, aber Geschichte ändert sich und auch die Schweiz steht nicht still.

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Lällekönig
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Lällekönig »

Appendix hat geschrieben: 26.04.2022, 03:53 Ich war oftmals zufrieden mit der Rolle, die die Schweiz als neutraler Staat verkörpert, aber eben auch sehr oft verärgert darüber, dass unsere Regierung in wichtigen Fragen keine Stellung nahm, bzw sich nicht positionierte. Auch wurden unter dem Deckmäntelchen der Neutralität aber dicke Geschäfte abgewickelt, Potentaten, Diktatoren, Mörderregimes bunkern bei unseren Banken ihr schmutziges Geld und wir liefern als neutrales Land Waffen welche für Morde an Zivilisten und unrechtmässige Konflikte in aller Welt eimgesetzt werden.

Mein Gedankenanstoss kam durch die Diskussionen der Finnen und Schweden, welche dieser Tage einen Beitritt zur Nato in Anbetracht ziehen, bzw zu erwägen. Ich wäre mittlerweile ebenfalls für einen Schweizer Beitritt. Das ganze politische Ducken, Zaudern, Enthalten bei wichtigen globalen Entscheidungen ist m.E nicht mehr zeitgemäss. Unsere Freunde sind die Staaten der westlichen Demokratien. Wir sind bloss noch Opportunisten und Rosinenpicker. Wir sollten klare Kante zeigen und Stellung beziehen und uns nicht hinter der Neutralitãt verstecken. Dass das nicht heute und morgen geschehen wird ist glasklar. So ein Prozess und eine Änderung unserer Verfassung würde über Generationen andauern, aber Geschichte ändert sich und auch die Schweiz steht nicht still.
Neutralität kann verschieden ausgelegt werden. Ich sehe Neutralität nicht als Haltung frei von Standpunkten, aber als Haltung, die durchaus Standpunkte vertreten kann. Die Neutralität, welche sich an Werten, statt an Subjekten orientiert, finde ich gut.

Partei im Sinne von: für einen Block sein, egal was dieser tut, halte ich für falsch. Neutral im Sinne von: bloss nichts sagen oder tun, halte ich für noch falscher. Neutralität im Sinne von: die eigenen Werte und jeden der diese teilt zu unterstützen, unabhängig davon, wer es gerade tut, halte ich für richtig.
Ausgehend davon, kann ich mir die Kooperation mit der Nato durchaus vorstellen, den Beitritt jedoch nur, wenn man bereit wäre, die Neutralität aufzugeben. Ich wäre es nicht.

 

BasHell
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von BasHell »

Lällekönig hat geschrieben: 26.04.2022, 06:16 Ausgehend davon, kann ich mir die Kooperation mit der Nato durchaus vorstellen, den Beitritt jedoch nur, wenn man bereit wäre, die Neutralität aufzugeben. Ich wäre es nicht.
Solange wir keinen Aggressor wie Putler mit Expansionsdrang und absolut null demokratischem Verständnis auf der anderen Seite der Grenze haben, ist ein Nato-Beitritt für die Schweiz wohl nicht Priorität. Da kommt die geographische Lage der Schweiz ihr sehr zu Gute.

Die Nato ist per Definition ein Verteidigungsbündnis, das sich für seine Mitglieder einsetzt, wenn sie angegriffen werden. Worin siehst du hierbei die Neutralität gefährdet? Ist es das unkontrollierbare "Zünseln" von potentiellen Mitgliedstaaten, was möglicherweise zu militärischen Gegenangriffen führen könnte, was dich daran stört? z.B. die Türkei, die ja auch regelmäßig mit dem Feuer spielt...

Appendix
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Appendix »

Edit: Finnland & Schweden haben sich für einen Nato-Beitritt entschieden. WELT-TV

Waldfest
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Waldfest »

Welche Neutralität eigentlich?

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BaslerBasilisk
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von BaslerBasilisk »

Lällekönig hat geschrieben: 26.04.2022, 06:16
Appendix hat geschrieben: 26.04.2022, 03:53  
...Neutralität im Sinne von: die eigenen Werte und jeden der diese teilt zu unterstützen, unabhängig davon, wer es gerade tut, halte ich für richtig....
Das ist doch die Definition von Neutralität oder? 
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#bi Sunneshiin und Räge

Appendix
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Appendix »

Waldfest hat geschrieben: 26.04.2022, 08:07 Welche Neutralität eigentlich?

Das wollte ich eigentlich u.a auch ausdrücken. Im Ausland wird unsere zögerliche Haltung mit ganz anderen Augen angesehen, als dies grosse Teile der SchweizerInnen (gendern olé...) sehen. Die Sanktionierung Russlands und der Oligarchen kam ja erst in Gang, nachdem der intern. Druck zu gross für unsere Regierung wurde und was speziell jene der Oligarchen betrifft, sind diese lächerlich: es wurden meines Wissen ca. 5,75 Mrd Euro "eingefroren" bei einem geschätztem Gesamtvolumen von 250 - 300 Milliarden. Man will sich das gute Business mit seinen Goldeseln nicht vermiesen.

händsche
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von händsche »

BaslerBasilisk hat geschrieben: 26.04.2022, 08:17
Lällekönig hat geschrieben: 26.04.2022, 06:16
Appendix hat geschrieben: 26.04.2022, 03:53  
...Neutralität im Sinne von: die eigenen Werte und jeden der diese teilt zu unterstützen, unabhängig davon, wer es gerade tut, halte ich für richtig....
Das ist doch die Definition von Neutralität oder? 

Völkerrechtlich ist die Deifnition von Neutralität, dass ein Land keiner Kriegspartei angehören darf, die einen Angriffskrieg führt und keinem militärischen Bündnis angehört.

Mit unseren Werten hat dies leider gar nichts zu tun. Bzw. wenn schon, dann will ich mit diesen Werten nichts zu tun haben.

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Aficionado
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Aficionado »

Zug und Genf verdanken ihren Wohlstand vorwiegend aufgrund des intransparenten Rohstoffhandels. Aber das CH Volk will ja Wohlstand und Wachstum um jeden Preis.
Bei der nächsten Unternehmenssteuerreform denkt das Volk dann wieder zuerst an den eigenen Geldbeutel oder lässt sich vom drohenden Ueli und der drohenden Economy Schiss, dem Gewerbeverband usw. wieder einschüchtern.
Es liegt an uns, diesbezüglich etwas zu ändern. Ich persönlich meide soweit möglich Grossbanken wie UBS und CS und unterstútze alle Initiativen und Vorlagen, bei welchen die Unternehmenssteuern in irgend einer Form angehoben oder Steuerschlupflöcher weitgehendst gestopft werden sollen.
Das Geld holt man sich gerne aus Afrika aber die Menschen von dort mag man nicht so sehr. Noch weniger wenn sie es in die Schweiz schaffen.

Es sollte doch möglich sein, dass der Handel nur noch in Ländern stattfinden darf, wo Rohstoffe auch abgebaut werden.
Wúnachenswert wäre es, den afrik. Kontinent dabei zu unterstützen um so auch gute aber faire Verträge auszuhandeln.

Zuletzt geändert von Aficionado am 26.04.2022, 10:21, insgesamt 1-mal geändert.

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fcbblog.ch
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von fcbblog.ch »

Sorry - Neutralität heisst einfach, dass man in einem Konflikt keine Kriegsbeteiligung macht. Das bedeutet aber auch, dass man im Kriegsfall halt pragmatisch hin und her lavieren muss zwischen den verschiedenen Parteien. War schon immer so für die Schweiz, auch im 2. Weltkrieg - nur... Da Russland für uns absolut keine zentrale Rolle spielt, tun wir gut daran in unserem neutralen Kurs hart in Richtung "Westmächte" zu lavieren, denn Russland hat uns schlicht nichts zu bieten oder zu drohen, wofür man verantworten könnte, die westlichen Partner vor den Kopf zu stossen.

Waldfest
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Waldfest »

Die Schweiz war also "neutral" im 2. Weltkrieg?

Interessante Auslegung...

Waldfest
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Waldfest »

Die Schweizer Neutralität ist ein Märchen für die Trychler, wie Wilhelm Tell und Co.

Hat mit der Realität nichts zu tun.

Appendix
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Appendix »

fcbblog.ch hat geschrieben: 26.04.2022, 10:22 Sorry - Neutralität heisst einfach, dass man in einem Konflikt keine Kriegsbeteiligung macht. Das bedeutet aber auch, dass man im Kriegsfall halt pragmatisch hin und her lavieren muss zwischen den verschiedenen Parteien. War schon immer so für die Schweiz, auch im 2. Weltkrieg - nur... Da Russland für uns absolut keine zentrale Rolle spielt, tun wir gut daran in unserem neutralen Kurs hart in Richtung "Westmächte" zu lavieren, denn Russland hat uns schlicht nichts zu bieten oder zu drohen, wofür man verantworten könnte, die westlichen Partner vor den Kopf zu stossen.

Die Schweiz neutral im 2. WK? Sicherlich...

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fcbblog.ch
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von fcbblog.ch »

Appendix hat geschrieben: 26.04.2022, 11:51
fcbblog.ch hat geschrieben: 26.04.2022, 10:22 Sorry - Neutralität heisst einfach, dass man in einem Konflikt keine Kriegsbeteiligung macht. Das bedeutet aber auch, dass man im Kriegsfall halt pragmatisch hin und her lavieren muss zwischen den verschiedenen Parteien. War schon immer so für die Schweiz, auch im 2. Weltkrieg - nur... Da Russland für uns absolut keine zentrale Rolle spielt, tun wir gut daran in unserem neutralen Kurs hart in Richtung "Westmächte" zu lavieren, denn Russland hat uns schlicht nichts zu bieten oder zu drohen, wofür man verantworten könnte, die westlichen Partner vor den Kopf zu stossen.

Die Schweiz neutral im 2. WK? Sicherlich...

Haha, mein Post geht ja gerade darauf ein, dass die Neutralitätsdoktrin mittel zum Zweck ist und je nach Umständen angepasst werden muss. Aber was den Krieg angeht war die Schweiz in beiden Weltkriegen eben tatsächlich neutral bzw. keine Kriegspartei.
Gehandelt hat man auch weiterhin mit allen Parteien, was auch gar nicht anders möglich war und versucht so gut wie möglich nicht in den Krieg gezogen zu werden.

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Faniella Diwani
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Faniella Diwani »

Wir sollten nicht vergessen das wir in erster Linie neutral sind weil sich die damaligen Grössmächte nicht einigen konnten wessen Satellit wir werden sollen.

Wiggibedia hat geschrieben:Die moderne «dauernde Neutralität» der Schweiz geht auf den Wiener Kongress von 1814/1815 zurück. Eine neutrale Schweiz erwies sich für die beteiligten Grossmächte als sinnvolle Lösung im Rahmen der umfassenden Neuordnung der Grenzziehungen und politischen Verhältnisse in Europa, nachdem zuvor verschiedenste andere Vorschläge für das Territorium der Alten Eidgenossenschaft gemacht worden waren. So hätten sowohl Frankreich als auch Österreich die Schweiz gerne als Satellitenstaat beherrscht, Preussen wollte die Schweiz in den Deutschen Bund eingliedern, sogar die Einrichtung eines Königreichs auf dem Gebiet der Schweiz wurde diskutiert. Der Historiker Andreas Suter führt es auf diese «Vielzahl von sich überschneidenden und gegenseitig ausschliessenden Plänen» zurück, dass sich letztlich keine Macht durchsetzen konnte und die Unabhängigkeit der Schweiz erhalten blieb, zumal auch in der Schweiz selbst die Meinungen zu den diskutierten Lösungen stark auseinandergingen. Die Grossmächte wollten, so André Holenstein (2014), «eine Wiederholung der Erfahrung der Jahre 1798 bis 1813 unbedingt vermeiden», als mit Frankreich eine einzelne Grossmacht den Raum der Schweiz unter ihre Kontrolle gebracht hatte.

Marignano und der Bruder Klaus gehören in die Mythensammlung.
Wir waren in beiden Weltkriegen "neutral". 1914-18 unter Wille "deutschneutral" und 39-45 militärisch "aliiertneutral" und wirtschaftlich "nazineutral".
Und während des ganzen kalten Krieges übten wir immer einen Angriff aus dem Osten. Die ganze Armeedoktrin war "natoneutral".

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Lällekönig
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Lällekönig »

BasHell hat geschrieben: 26.04.2022, 06:43Die Nato ist per Definition ein Verteidigungsbündnis, das sich für seine Mitglieder einsetzt, wenn sie angegriffen werden. Worin siehst du hierbei die Neutralität gefährdet? Ist es das unkontrollierbare "Zünseln" von potentiellen Mitgliedstaaten, was möglicherweise zu militärischen Gegenangriffen führen könnte, was dich daran stört? z.B. die Türkei, die ja auch regelmäßig mit dem Feuer spielt...
Genau dies. Ginge ich davon aus, dass sich alle Mitglieder einwandfrei verhalten, hätte ich auch nichts gegen das Bündnis einzuwenden.

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Lällekönig
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Re: Neutralität der Schweiz: noch zeitgemäss?

Beitrag von Lällekönig »

BaslerBasilisk hat geschrieben: 26.04.2022, 08:17 Das ist doch die Definition von Neutralität oder? 
Nicht ganz. Es gibt unterschiedliche Auslegungen.

Neutral kann heissen, partout nicht in Konflikte anderer Staaten einzugreifen. Mir gefällt diese passive Haltung überhaupt nicht.

Neutral kann aber auch heissen, nicht auf Grund einer Bündniszugehörigkeit einzugreifen, sondern aus eigenem Antrieb. Diese aktive Haltung würde mir eher entsprechen.

Ich bin mir bewusst, dass eine aktive Haltung auch als zeitlich begrenzte Parteinahme ausgelegt werden kann.

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