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@Forumsjuristen: Freistellung im Krankheitsfall
Verfasst: 07.02.2012, 13:50
von Basilou
Folgende Ausgangslage:
[INDENT]Arbeitnehmer (AN) X ist regelmässig krank und erhält deshalb nach Ablauf der 90 Tage Sperrfrist
(die offenbar addiert werden dürfen, wenn es sich immer um die gleiche Krankheit handelt) Ende Dezember 2011 die Kündigung per Ende März 2011. AN ist 2012 weiterhin durch den Arzt krankgeschrieben, hat aber noch nicht bezogene Überstunden und Ferien aus dem Jahr 2011. Im Februar 2012 erhält AN einen Brief, er sei ab sofort freigestellt, womit sämtliche Ferien- und Überstunden-Ansprüche abgegolten seien. Trotzdem habe AN eine Krankmeldung (Arztzeugnis) für die Zeit bis Ende März 2012 abzuliefern.
[/INDENT]Frage: ist das rechtens?
Nach gesundem Menschenverstand und als juristischer Laie würde ich meinen, wenn jemand krankgeschrieben ist, kann der AG nicht einfach kommen und sagen "Du bist jetzt freigestellt und hast damit sämtliche Ferien- und Überzeit-Ansprüche verloren". Die nicht bezogenen Ferien und geleisteten Überstunden sind ja der Firma bereits zugute gekommen.
Und freistellen und gleichzeitig ein Arztzeugnis zu verlangen beisst sich meiner Meinung nach auch.
Was meinen die Experten dazu? Vielen Dank!
PS: AN bin nicht ich, und falls das jemand nicht glauben sollte, tut das ja eh nicht viel zu Sache.
Verfasst: 07.02.2012, 14:05
von Rüdiger
Basilou hat geschrieben:Folgende Ausgangslage:
[INDENT]Basilou ist regelmässig krank und erhält deshalb nach Ablauf der 90 Tage Sperrfrist
(die offenbar addiert werden dürfen, wenn es sich immer um die gleiche Krankheit handelt) Ende Dezember 2011 die Kündigung per Ende März 2011. Basilou ist 2012 weiterhin durch den Arzt krankgeschrieben, hat aber noch nicht bezogene Überstunden und Ferien aus dem Jahr 2011. Im Februar 2012 erhält Basilou einen Brief, er sei ab sofort freigestellt, womit sämtliche Ferien- und Überstunden-Ansprüche abgegolten seien. Trotzdem habe Basilou eine Krankmeldung (Arztzeugnis) für die Zeit bis Ende März 2012 abzuliefern.
[/INDENT]Frage: ist das rechtens?
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Verfasst: 07.02.2012, 14:16
von Basilou
Rüdiger hat geschrieben:
Also wenn das Interessanteste an dem Thema tatsächlich die Frage ist, ob's um mich selber geht (hab ich fast befürchtet), dann kann ich Dir gerne die Telefonnummer von unserem Empfang geben und die nette Dame kann Dich dann mit mir verbinden.

Bin definitiv am Arbeiten und nicht krank. Wenn auch nicht (mehr) besonders motiviert, da es eine Person aus meinem näheren Umfeld betrifft...
OK? Back to topic!
Verfasst: 07.02.2012, 14:20
von Lou
Meiner Meinung nach...Nein. Denn um Ferien und seine gel. Überstunden als Freizeit einzuziehen müsste der AN ja gesund sein. Die Freistellung dürfte somit eigentlich nicht gülltig sein...Das mit der Freistellung ist da so ne Sache...hat er eine Kaderposition?
Verfasst: 07.02.2012, 14:27
von Kurtinator
i bi au nid so dr held in juristische aglägeheite aber i nimm momentan an minere wyterbildig dr arbetsvrtrag duure. s kunnt uff relativ viel sache druff ah. uff was de arbetsvrtrag gstützt isch, bestoht e GAV etc.
ha dr do mol dr link ab Art. 319 OR
http://www.admin.ch/ch/d/sr/220/index2.html#id-2-10-1
do no s arbetsgsetz wo au viel drin stoht
http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/822.11.de.pdf
hoff mol kasch drmit öbbis ahfoh und viel glück!
Verfasst: 07.02.2012, 16:16
von Basilou
@Lou:
Lou hat geschrieben:Meiner Meinung nach...Nein. Denn um Ferien und seine gel. Überstunden als Freizeit einzuziehen müsste der AN ja gesund sein.
Das ist eben auch meine Sicht der Dinge. Die Frage ist einfach, ob das Gesetz da gleicher Meinung ist.
hat er eine Kaderposition?
Nein... ganz "normaler" Angestellter.
@Kurtinator:
Merci für die Links, aber s Problem isch, dass gemäss
däm ArtikelFreistellige im OR gar nid explizit g'reglet sin.
Verfasst: 07.02.2012, 16:22
von händsche
Dann soll er doch den Spiess einfach umkehren und den Arbeitgeber anfragen, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen dieser ein Arztzeugnis haben will.
Verfasst: 07.02.2012, 17:47
von Stavia
Basilou hat geschrieben:
"Du bist jetzt freigestellt und hast damit sämtliche Ferien- und Überzeit-Ansprüche verloren". Die nicht bezogenen Ferien und geleisteten Überstunden sind ja der Firma bereits zugute gekommen.
Wenn er freigestellt wird, erhält er ja für die gesamte Kundigungsfrist (2-6 Monate lang je nach Vertrag) den Lohn ohne, dass er arbeiten muss. Stellt sich also die Frage ob seine Ueberzeit/Ferienguthaben grösser als seine Kündigungsfrist ist. Würde ich als Laie jetzt mal meinen.
Verfasst: 07.02.2012, 18:11
von Delgado
Wann Überzeiten einzuziehen sind, kann grundsätzlich der AG bestimmen, in der Regel tut er dies jedoch nach Rücksprache mit dem AN. (da er ihn ja zufriedenstellen will).
Wenn die Kündigung bereits läuft, ist auch der Verordnete Bezug von Ferien durch den AG möglich, da der AG dafür sorgen muss, dass der AN seinen Gesetzlich zur Verfügung stehendne Urlaub auch bezieht.
Eine Freistellung innerhalb der Kündigungsfrist zwecks abbau von Ferien und Überzeit ist somit in der Regel nichts aussergewöhnliches.
Kombiniert mit der Tatsache, dass nach 90 Tagen Krankheit eine Kündigung möglich ist, erscheint mir diese Freistellung nicht als ungerechtfertigt.
Verfasst: 08.02.2012, 01:18
von MMM
Basilou hat geschrieben:Folgende Ausgangslage:
[INDENT]Arbeitnehmer (AN) X ist regelmässig krank und erhält deshalb nach Ablauf der 90 Tage Sperrfrist
(die offenbar addiert werden dürfen, wenn es sich immer um die gleiche Krankheit handelt) Ende Dezember 2011 die Kündigung per Ende März 2011. AN ist 2012 weiterhin durch den Arzt krankgeschrieben, hat aber noch nicht bezogene Überstunden und Ferien aus dem Jahr 2011. Im Februar 2012 erhält AN einen Brief, er sei ab sofort freigestellt, womit sämtliche Ferien- und Überstunden-Ansprüche abgegolten seien. Trotzdem habe AN eine Krankmeldung (Arztzeugnis) für die Zeit bis Ende März 2012 abzuliefern.
[/INDENT]Frage: ist das rechtens?
Nach gesundem Menschenverstand und als juristischer Laie würde ich meinen, wenn jemand krankgeschrieben ist, kann der AG nicht einfach kommen und sagen "Du bist jetzt freigestellt und hast damit sämtliche Ferien- und Überzeit-Ansprüche verloren". Die nicht bezogenen Ferien und geleisteten Überstunden sind ja der Firma bereits zugute gekommen.
Und freistellen und gleichzeitig ein Arztzeugnis zu verlangen beisst sich meiner Meinung nach auch.
Was meinen die Experten dazu? Vielen Dank!
PS: AN bin nicht ich, und falls das jemand nicht glauben sollte, tut das ja eh nicht viel zu Sache.
Folgendermassen: Zutreffend ist zunächst, dass Krankheitsperioden für die Berechnung der Sperrfrist addiert werden können, wenn es sich um einen Rückfall handelt. Da hat der Arbeitgeber richtig gehandelt.
Wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber während der Kündigungsfrist von der Pflicht zur Erringung der Arbeitsleistung freigestellt wird, muss er nicht arbeiten, erhält aber Lohn. Ist er in der Freistellungszeit arbeitsunfähig, hat er Lohnfortzahlungsanspruch (ich nehme an, inzwischen zahlt die Krankentaggeldversicherung). der Arbeitgeber kann weiterhin ein Arztzeugnis verlangen,trotz Freistellung.
In der Freistellungszeit darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer sodann grundsätzlich verlangen, dass er Ferientage "verbraucht", wenn er die Möglichkeit hat, Ferien auch wirklich geniessen zu können. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Waren ohnehin Ferien geplant? Wer hat die Kündigung ausgesprochen? Muss der Arbeitnehmer eine neue Stelle suchen oder hat er bereits einen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche? Dies lässt sich also nur im Einzelfall und mit genaueren Informationen beantworten. Für Deinen Fall ist aber entscheidend, dass der Ferienbezug natürlich dann ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer "ferienunfähig" ist. Ferienunfähigkeit ist nicht dasselbe wie Arbeitsunfähigkeit. Massgebend ist, ob die Ferien den Erholungszweck erfüllen können (bei Bettlägerigkeit, Spitalaufenthalt etc. ist dies nicht der Fall). Die Frage ist daher, welche Krankheit Dein Bekannter hat. Ist er ferienfähig, kommt eine Kompensation von Ferienansprüchen mit der Freistellungszeit - je nach Umständen des Einzelfalls - in Frage.
Die Kompensation von Überstunden durch die Freistellungszeit ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer ohnehin in die Freizeitkompensation von Überstunden eingewilligt hat (bei Überstunden ist nämlich die Abgeltung die Regel, nicht die Kompensation). Fehlt eine solche Vereinbarung, kann ohnehin keine Kompensation angeordnet werden (die Verweigerung der Überstundenkompensation kann aber gegebenenfalls missbräuchlich sein). Soweit dagegen die Freizeitkompensation grundsätzlich vereinbart wurde, kann die Kompensation von Überstundenguthaben während der Freistellungszeit vom Arbeitgeber angeordnet werden. Allerdings ist Arbeitsfähigkeit vorausgesetzt; und auch hier kann bspw. das Erfordernis der Stellensuche der Kompensation von Überstundenguthaben entgegenstehen. Der Arbeitsunfähige kann keine Überstundenguthaben durch Freistellung kompensieren.
Lange Rede kurz zusammengefasst: Dein Bekannter kann (bei Arbeits- und Ferienunfähigkeit) grundsätzlich geltend machen, dass er sich infolge Arbeits- und Ferienunfähigkeit keine Kompensation von Ferien- und Überstundenguthaben gefallen lassen muss. Er hat aber weiterhin ein Arztzeugnis vorzuweisen. Alles weitere hängt vom Einzelfall ab. Bei weitergehenden Fragen auch PN.
Verfasst: 08.02.2012, 09:51
von Basilou
Vielen Dank für die Antworten, insbesondere an MMM!
Werde das mal so weiterleiten und mich allenfalls wieder melden.
@MMM: Die genaue Diagnose kenne ich nicht, aber es geht eher in Richtung Überlastung/Stress/Burnout. Daher muss man wohl davon ausgehen, dass die Ferienfähigkeit gegeben ist.
Und ganz generell würde ich halt auch annehmen, dass der AG in der Regel schon weiss, was er darf und was nicht (wenn es nicht gerade ein Kleinbetrieb ist)... aber eben, abklären schadet trotzdem nie.
Verfasst: 08.02.2012, 10:33
von Kawa
Basilou hat geschrieben:Die genaue Diagnose kenne ich nicht, aber es geht eher in Richtung Überlastung/Stress/Burnout. Daher muss man wohl davon ausgehen, dass die Ferienfähigkeit gegeben ist.
Das ist sogar der klassische Fall von Arbeitsunfähig aber zu 100% Ferienfähig. Schliesslich werden da ja sogar von den Aerzten Ferien/Auszeiten etc. empfohlen ...
Basilou hat geschrieben:Und ganz generell würde ich halt auch annehmen, dass der AG in der Regel schon weiss, was er darf und was nicht (wenn es nicht gerade ein Kleinbetrieb ist)... aber eben, abklären schadet trotzdem nie.
Der AG weiss es meist ganz genau aber hält sich trotzdem ganz bewusst nicht immer daran.
Er geht oft davon aus, dass der AN die Gesetze schlechter kennt (oder so wie du denkt

), weniger fin. Möglichkeiten sich durchzusetzen hat, Retorsionsmassnahmen (keine Lohnerh., keine Beförderung, schlechtes Arbeitszeugnis nach Kündigung) fürchtet etc.