BaZ 7.12. zum Skandal - Bravo! (SBB&StaPo BS wussten nichts)
Verfasst: 07.12.2004, 01:06
Titelseite
Vorwürfe an die Zürcher Polizei
427 FCB-FANS AM SONNTAG VERHAFTET - JETZT WIRD EINE SAMMELKLAGE GEPRÜFT
Einer von 427. Verhafteter FCB-Fan am Sonntag in Zürich-Altstetten. Foto Beat Marti/Tages-Anzeiger
philipp loser
Ein «Zeichen gegen die Gewalt» wollte die Zürcher Polizei am Sonntag setzen. Resultat: 427 verhaftete Fussballfans und ein juristisches Nachspiel. Auch der FCB distanziert sich vom Verhalten der Polizei.
Die verschiedenen Darstellungen des sonntäglichen Vorfalls im Zürcher Bahnhof Altstetten decken sich. Mehrere Dutzend Direktbetroffene und Eltern meldeten sich gestern bei der baz, um sich über den Polizeieinsatz zu beschweren. «Das ist schlicht eine Schweinerei», sagt David Koller vom «Dachverband Muttenzerkurve». Die Vorwürfe: Neben gewaltbereiten Rowdys seien auch unbescholtene Fans verhaftet worden, darunter viele Jugendliche. Diese mussten unzumutbar lange warten, ohne dass ein Kontakt nach aussen möglich gewesen wäre. Mehrere Eltern fuhren aus Angst um ihre Kinder am Sonntagabend nach Zürich, um die Freilassung ihrer Töchter und Söhne zu fordern.
Die Aktion begann, als die Zürcher Kantons- und Stadtpolizei den Bahnhof Altstetten amSonntagnachmittag nach 14 Uhr hermetisch abriegelte und die Passagiere des SBB-Extrazugs zum Fussballspiel Grasshoppers Zürich-FC Basel verhafteten. Wie mehrere Augenzeugen berichten, sei die Fahrt bis nach Zürich sehr ruhig verlaufen. Eine Darstellung, die SBB-Mediensprecher Roger Baumann bestätigt: «Für FCB-Verhältnisse verlief die Fahrt problemlos.» Trotzdem war die Zürcher Polizei mit einem Grossaufgebot am Bahnhof Altstetten präsent. «Einige Flaschen» sollen aus dem Zug geworfen worden sein; die Polizei antwortete mit Tränengas und Gummigeschossen.
Von den insgesamt 650 Personen, die sich im Extrazug befanden, wurden 427 festgenommen. Darunter elf Frauen im Alter zwischen 15 und 27 Jahren und 32 Jugendliche unter 15 Jahren. Den Verhafteten wurden auf dem Kasernenplatz vor dem Kommando der Kantonspolizei die persönlichen Effekten abgenommen und die Hände mit Kabelbinder gefesselt. Bevor sie einzeln vernommen werden konnten, warteten einige Jugendliche auf dem Kasernenplatz bis zu acht Stunden. Laut Polizeiangaben wurden die letzten Fans erst um 2.15 Uhr in der Nacht entlassen.
Juristische Ratschläge. Der FC Basel hat sich gestern von der Aktion der Zürcher Polizei distanziert. Dabei verurteilt der Verein, dass dabei «nachweislich unbescholtene» FCB-Fans verhaftet wurden. «Wenn jemand wirklich Schaden erlitten hat, können wir allenfalls juristische Ratschläge geben», sagt Mediensprecher Josef Zindel. Noch weiter geht der «Dachverband Muttenzerkurve». Momentan prüft ein Anwalt die Chancen einer Sammelklage.
Die Zürcher Polizei verteidigt trotz aller Kritik ihre Aktion. Man habe mit diesem «konsequenten Vorgehen» ein Zeichen setzen wollen: «Wir tolerieren rund um Fussballspiele keine Gewalt.»
Seite 17 - Region Front
«Das war Rache für das FCZ-Spiel»
Basler Fans glauben, dass die Polizeiaktion vom Sonntag exakt geplant war
Abgeführt. Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurden die Basler Fans im Bahnhof Zürich-Altstetten empfangen. Foto Beat Marti
PHILIPP LOSER
Die Bahnpolizei wusste
nichts davon. Der FCB und
die Kantonspolizei Baselstadt
auch nicht. Und die
Direktbetroffenen rätseln:
Warum ging die Zürcher
Polizei derart hart gegen 427
FCB-Fans vor?
Die Bilder sind noch frisch.
Ende Oktober gastierte der FC
Basel beim FC Zürich auf dem
Letzigrund. Vor dem Spiel
zogen fünfhundert FCBAnhänger
randalierend durch
die Stadt. Die Polizei war
machtlos.
Und am Sonntag? Da
erstickte die Zürcher Polizei
jegliche Randale im Umfeld
des Spiels GCu2013FCB im Keim.
«Das konsequente Handeln der
Polizei- und Sicherheitskräfte
verhinderte Ausschreitungen
sowie Sachbeschädigungen
vor, während und nach dem
Spiel», teilten die Zürcher Polizeiorgane
nach der Aktion vom
Sonntag mit. Für viele FCBFans
ist klar: Die Aktion vom
Sonntag ist die «Rache für das
FCZ-Spiel». Das jedenfalls
glaubt Stephan Kohler von der
«Dachvereinigung Muttenzerkurve
». Er sei nicht der Einzige
mit dieser Meinung: «Das war
eine exakt geplante Aktion», so
Kohler.
Das «konsequente Handeln
» der Zürcher Polizei
begann schon vor der Einfahrt
des Extrazugs im Bahnhof Altstetten
um 14.15 Uhr. Die
Fans wurden bereits in Basel
kanalisiert: «Wir wollen nicht,
dass in anderen Zügen die Passagiere
von Randalierern belästigt
werden», sagt SBBMediensprecher
Roger Baumann.
Aus diesen Überlegungen
forderte die Bahnpolizei
Unterstützung bei der Basler
Polizei an u2013 und erhielt sie:
«Wir haben mitgeholfen, dass
die FCB-Fans mit dem Extrazug
nach Zürich fuhren»,
bestätigt Sprecher Klaus
Mannhart. Weiter sei ihre Aufgabe
nicht gegangen; sie habe
nur «unterstützenden» Charakter
gehabt. Kompromissbereit
war die Polizei bereits im
Bahnhof Basel nicht: Rund
300 Fans wurden gebeten, aus
einem regulären Zug in den
Extrazug umzusteigen. Die
Bahnpolizei machte Druck:
«Der reguläre Zug wäre mit
den FCB-Fans nicht abgefahren
», sagt Baumann.
NIEMAND MELDETE. Die Fahrt
nach Zürich-Altstetten verläuft
nach Auskunft des Sprechers
problemlos. Zwar meldet die
Bahnpolizei routinemässig,
dass «gewaltbereite Fans» im
Zug seien, Hinweise auf konkrete
Vergehen fehlen aber.
Auch die Kantonspolizei Basel-
Stadt ist nicht Urheber der
«Meldungen», welche die Kantons-
und Stadtpolizei Zürich
dazu veranlasste, 427 Personen
festzunehmen: «Unsere
Aufgabe bestand nur in der
Unterstützung», man habe
nichts nach Zürich gemeldet,
sagt Klaus Mannhart.
Auch die SBB wussten
nichts vom geplanten Einsatz:
«Wir haben nicht gewusst, dass
in Altstetten eine Polizeiaktion
geplant war», sagt Roger Baumann.
Das wirft Fragen nach
dem Sinn von Extrazügen auf.
Die SBB wollen jedoch laut
Baumann daran festhalten.
Simon* wird aber dennoch
nie wieder mit einem Extrazug
zu einem FCB-Spiel reisen. Er
ist einer der vielen unbescholtenen,
verhafteten Fans. Der
14-Jährige zeigt seine linke
Hand. Sie ist übersät mit blutigen
Kratzern von den Kabelbindern,
mit denen er gefesselt
war und auf dem Handrücken
steht eine aufgemalte Zahl: B
218. Sein Hals schmerze. Man
habe die persönlichen Sachen
in einen Sack getan und ihm
um den Hals gelegt. «Dann
habe ich extrem lange warten
müssen.»
ELTERN NICHT INFORMIERT.
Seine Eltern konnte Simon
nicht informieren; sie kamen
von sich aus nach Zürich.
Irgendwann in der Nacht wurden
ihm die Kabelbinder abgenommen.
Dann durfte er nach
Hause.
* Namen geändert
Unglücklich
DISTANZIERUNG. Der
Rechtsberater des
FC Basel, Rechtsanwalt
Bernhard Heusler, hinterfragt
die Zulässigkeit der
Polizeiaktion vom Sonntag.
Für Heusler ist der
verfassungsmässige
Grundsatz der Verhältnismässigkeit
nicht eingehalten,
wenn Minderjährige
während mehreren
Stunden in polizeilichen
Gewahrsam
genommen werden,
ohne oder mit nur eingeschränkter
Möglichkeit
zur Verbindungsaufnahme
mit Angehörigen.
Das teilt der FCB in seiner
Stellungnahme zu
den Vorfällen vom Sonntag
mit. Der Verein
distanziert sich von der
Polizeiaktion und
befürchtet, dass der von
der Polizei Zürich
gewählte Weg keine
Deeskalation, sondern
eine Verhärtung der
Fronten bringen wird.
Seite 2 - Tageskommentar
Übers Ziel hinaus
MICHAELMARTIN
Der Kluge reist im Zuge; der Slogan ist legendär. Wer am Sonntag jedoch den Extrazug der SBB von Basel zum Fussballspiel des FCB bei den Grasshoppers nutzte, muss sich anders vorgekommen sein. 427 von 650 Basler Passagieren wurden von der Zürcher Stadtpolizei verhaftet, gefesselt, abgeführt und unter schikanösen Bedingungen festgehalten.
Es war eine Machtdemonstration der Zürcher Ordnungshüter, ein statuiertes Exempel, bei dem in Kauf genommen wurde, dass Unschuldige unter den tatsächlich mitgereisten Rabauken kriminalisiert wurden. Die beispiellose Aktion ist im Zusammenhang mit denVorfällen vom 30. Oktober zu sehen, als Basler Fans auf ihrem Weg zum Auswärtsspiel gegen den FCZürich Erinnerung an frühere Saubannerzüge hatten aufkommen lassen. Auch das war kein schöner Anblick. Nun liess - Auge um Auge, Zahn um Zahn -die Zürcher Polizei die Muskeln spielen und verteidigte ihren Einsatz letztlich mit der Erfolgsmeldung, dass es im Stadion nicht zu Ausschreitungen gekommen sei. Der Preis für diese Meldung ist hoch, zu hoch:Notwendig dafür war die Einführung einer Sippenhaft für Basler Fussball-Fans.
So richtig gezielte Massnahmen gegen Krawalltouristen sind, so untragbar ist es, wenn staatliche Sicherheitsprofis zwischen Unruhestiftern und friedlichen Fans keinen Unterschied mehr machen wollen. Eine Beruhigung der Lage bei Auswärtsspielen des FCBin Zürich ist nicht in Sicht, wenn beide Seiten jede Gelegenheit nützen, übers Ziel hinauszuschiessen. Am Sonntag herrschte rund um die Partie Ruhe. Aber die Unverhältnismässigkeit des sonntäglichen Zugriffs hat das Problem nicht gelöst, sondern verschärft.
Vorwürfe an die Zürcher Polizei
427 FCB-FANS AM SONNTAG VERHAFTET - JETZT WIRD EINE SAMMELKLAGE GEPRÜFT
Einer von 427. Verhafteter FCB-Fan am Sonntag in Zürich-Altstetten. Foto Beat Marti/Tages-Anzeiger
philipp loser
Ein «Zeichen gegen die Gewalt» wollte die Zürcher Polizei am Sonntag setzen. Resultat: 427 verhaftete Fussballfans und ein juristisches Nachspiel. Auch der FCB distanziert sich vom Verhalten der Polizei.
Die verschiedenen Darstellungen des sonntäglichen Vorfalls im Zürcher Bahnhof Altstetten decken sich. Mehrere Dutzend Direktbetroffene und Eltern meldeten sich gestern bei der baz, um sich über den Polizeieinsatz zu beschweren. «Das ist schlicht eine Schweinerei», sagt David Koller vom «Dachverband Muttenzerkurve». Die Vorwürfe: Neben gewaltbereiten Rowdys seien auch unbescholtene Fans verhaftet worden, darunter viele Jugendliche. Diese mussten unzumutbar lange warten, ohne dass ein Kontakt nach aussen möglich gewesen wäre. Mehrere Eltern fuhren aus Angst um ihre Kinder am Sonntagabend nach Zürich, um die Freilassung ihrer Töchter und Söhne zu fordern.
Die Aktion begann, als die Zürcher Kantons- und Stadtpolizei den Bahnhof Altstetten amSonntagnachmittag nach 14 Uhr hermetisch abriegelte und die Passagiere des SBB-Extrazugs zum Fussballspiel Grasshoppers Zürich-FC Basel verhafteten. Wie mehrere Augenzeugen berichten, sei die Fahrt bis nach Zürich sehr ruhig verlaufen. Eine Darstellung, die SBB-Mediensprecher Roger Baumann bestätigt: «Für FCB-Verhältnisse verlief die Fahrt problemlos.» Trotzdem war die Zürcher Polizei mit einem Grossaufgebot am Bahnhof Altstetten präsent. «Einige Flaschen» sollen aus dem Zug geworfen worden sein; die Polizei antwortete mit Tränengas und Gummigeschossen.
Von den insgesamt 650 Personen, die sich im Extrazug befanden, wurden 427 festgenommen. Darunter elf Frauen im Alter zwischen 15 und 27 Jahren und 32 Jugendliche unter 15 Jahren. Den Verhafteten wurden auf dem Kasernenplatz vor dem Kommando der Kantonspolizei die persönlichen Effekten abgenommen und die Hände mit Kabelbinder gefesselt. Bevor sie einzeln vernommen werden konnten, warteten einige Jugendliche auf dem Kasernenplatz bis zu acht Stunden. Laut Polizeiangaben wurden die letzten Fans erst um 2.15 Uhr in der Nacht entlassen.
Juristische Ratschläge. Der FC Basel hat sich gestern von der Aktion der Zürcher Polizei distanziert. Dabei verurteilt der Verein, dass dabei «nachweislich unbescholtene» FCB-Fans verhaftet wurden. «Wenn jemand wirklich Schaden erlitten hat, können wir allenfalls juristische Ratschläge geben», sagt Mediensprecher Josef Zindel. Noch weiter geht der «Dachverband Muttenzerkurve». Momentan prüft ein Anwalt die Chancen einer Sammelklage.
Die Zürcher Polizei verteidigt trotz aller Kritik ihre Aktion. Man habe mit diesem «konsequenten Vorgehen» ein Zeichen setzen wollen: «Wir tolerieren rund um Fussballspiele keine Gewalt.»
Seite 17 - Region Front
«Das war Rache für das FCZ-Spiel»
Basler Fans glauben, dass die Polizeiaktion vom Sonntag exakt geplant war
Abgeführt. Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurden die Basler Fans im Bahnhof Zürich-Altstetten empfangen. Foto Beat Marti
PHILIPP LOSER
Die Bahnpolizei wusste
nichts davon. Der FCB und
die Kantonspolizei Baselstadt
auch nicht. Und die
Direktbetroffenen rätseln:
Warum ging die Zürcher
Polizei derart hart gegen 427
FCB-Fans vor?
Die Bilder sind noch frisch.
Ende Oktober gastierte der FC
Basel beim FC Zürich auf dem
Letzigrund. Vor dem Spiel
zogen fünfhundert FCBAnhänger
randalierend durch
die Stadt. Die Polizei war
machtlos.
Und am Sonntag? Da
erstickte die Zürcher Polizei
jegliche Randale im Umfeld
des Spiels GCu2013FCB im Keim.
«Das konsequente Handeln der
Polizei- und Sicherheitskräfte
verhinderte Ausschreitungen
sowie Sachbeschädigungen
vor, während und nach dem
Spiel», teilten die Zürcher Polizeiorgane
nach der Aktion vom
Sonntag mit. Für viele FCBFans
ist klar: Die Aktion vom
Sonntag ist die «Rache für das
FCZ-Spiel». Das jedenfalls
glaubt Stephan Kohler von der
«Dachvereinigung Muttenzerkurve
». Er sei nicht der Einzige
mit dieser Meinung: «Das war
eine exakt geplante Aktion», so
Kohler.
Das «konsequente Handeln
» der Zürcher Polizei
begann schon vor der Einfahrt
des Extrazugs im Bahnhof Altstetten
um 14.15 Uhr. Die
Fans wurden bereits in Basel
kanalisiert: «Wir wollen nicht,
dass in anderen Zügen die Passagiere
von Randalierern belästigt
werden», sagt SBBMediensprecher
Roger Baumann.
Aus diesen Überlegungen
forderte die Bahnpolizei
Unterstützung bei der Basler
Polizei an u2013 und erhielt sie:
«Wir haben mitgeholfen, dass
die FCB-Fans mit dem Extrazug
nach Zürich fuhren»,
bestätigt Sprecher Klaus
Mannhart. Weiter sei ihre Aufgabe
nicht gegangen; sie habe
nur «unterstützenden» Charakter
gehabt. Kompromissbereit
war die Polizei bereits im
Bahnhof Basel nicht: Rund
300 Fans wurden gebeten, aus
einem regulären Zug in den
Extrazug umzusteigen. Die
Bahnpolizei machte Druck:
«Der reguläre Zug wäre mit
den FCB-Fans nicht abgefahren
», sagt Baumann.
NIEMAND MELDETE. Die Fahrt
nach Zürich-Altstetten verläuft
nach Auskunft des Sprechers
problemlos. Zwar meldet die
Bahnpolizei routinemässig,
dass «gewaltbereite Fans» im
Zug seien, Hinweise auf konkrete
Vergehen fehlen aber.
Auch die Kantonspolizei Basel-
Stadt ist nicht Urheber der
«Meldungen», welche die Kantons-
und Stadtpolizei Zürich
dazu veranlasste, 427 Personen
festzunehmen: «Unsere
Aufgabe bestand nur in der
Unterstützung», man habe
nichts nach Zürich gemeldet,
sagt Klaus Mannhart.
Auch die SBB wussten
nichts vom geplanten Einsatz:
«Wir haben nicht gewusst, dass
in Altstetten eine Polizeiaktion
geplant war», sagt Roger Baumann.
Das wirft Fragen nach
dem Sinn von Extrazügen auf.
Die SBB wollen jedoch laut
Baumann daran festhalten.
Simon* wird aber dennoch
nie wieder mit einem Extrazug
zu einem FCB-Spiel reisen. Er
ist einer der vielen unbescholtenen,
verhafteten Fans. Der
14-Jährige zeigt seine linke
Hand. Sie ist übersät mit blutigen
Kratzern von den Kabelbindern,
mit denen er gefesselt
war und auf dem Handrücken
steht eine aufgemalte Zahl: B
218. Sein Hals schmerze. Man
habe die persönlichen Sachen
in einen Sack getan und ihm
um den Hals gelegt. «Dann
habe ich extrem lange warten
müssen.»
ELTERN NICHT INFORMIERT.
Seine Eltern konnte Simon
nicht informieren; sie kamen
von sich aus nach Zürich.
Irgendwann in der Nacht wurden
ihm die Kabelbinder abgenommen.
Dann durfte er nach
Hause.
* Namen geändert
Unglücklich
DISTANZIERUNG. Der
Rechtsberater des
FC Basel, Rechtsanwalt
Bernhard Heusler, hinterfragt
die Zulässigkeit der
Polizeiaktion vom Sonntag.
Für Heusler ist der
verfassungsmässige
Grundsatz der Verhältnismässigkeit
nicht eingehalten,
wenn Minderjährige
während mehreren
Stunden in polizeilichen
Gewahrsam
genommen werden,
ohne oder mit nur eingeschränkter
Möglichkeit
zur Verbindungsaufnahme
mit Angehörigen.
Das teilt der FCB in seiner
Stellungnahme zu
den Vorfällen vom Sonntag
mit. Der Verein
distanziert sich von der
Polizeiaktion und
befürchtet, dass der von
der Polizei Zürich
gewählte Weg keine
Deeskalation, sondern
eine Verhärtung der
Fronten bringen wird.
Seite 2 - Tageskommentar
Übers Ziel hinaus
MICHAELMARTIN
Der Kluge reist im Zuge; der Slogan ist legendär. Wer am Sonntag jedoch den Extrazug der SBB von Basel zum Fussballspiel des FCB bei den Grasshoppers nutzte, muss sich anders vorgekommen sein. 427 von 650 Basler Passagieren wurden von der Zürcher Stadtpolizei verhaftet, gefesselt, abgeführt und unter schikanösen Bedingungen festgehalten.
Es war eine Machtdemonstration der Zürcher Ordnungshüter, ein statuiertes Exempel, bei dem in Kauf genommen wurde, dass Unschuldige unter den tatsächlich mitgereisten Rabauken kriminalisiert wurden. Die beispiellose Aktion ist im Zusammenhang mit denVorfällen vom 30. Oktober zu sehen, als Basler Fans auf ihrem Weg zum Auswärtsspiel gegen den FCZürich Erinnerung an frühere Saubannerzüge hatten aufkommen lassen. Auch das war kein schöner Anblick. Nun liess - Auge um Auge, Zahn um Zahn -die Zürcher Polizei die Muskeln spielen und verteidigte ihren Einsatz letztlich mit der Erfolgsmeldung, dass es im Stadion nicht zu Ausschreitungen gekommen sei. Der Preis für diese Meldung ist hoch, zu hoch:Notwendig dafür war die Einführung einer Sippenhaft für Basler Fussball-Fans.
So richtig gezielte Massnahmen gegen Krawalltouristen sind, so untragbar ist es, wenn staatliche Sicherheitsprofis zwischen Unruhestiftern und friedlichen Fans keinen Unterschied mehr machen wollen. Eine Beruhigung der Lage bei Auswärtsspielen des FCBin Zürich ist nicht in Sicht, wenn beide Seiten jede Gelegenheit nützen, übers Ziel hinauszuschiessen. Am Sonntag herrschte rund um die Partie Ruhe. Aber die Unverhältnismässigkeit des sonntäglichen Zugriffs hat das Problem nicht gelöst, sondern verschärft.