Kawa hat geschrieben:Bund droht randalierenden Fans mit Rauswurf aus Zügen
Nicht der Bund droht mit irgend etwas, sondern Peter Füglistaler hat der NZZ ein Interview gegeben:
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/s ... 70323.html
19. Juni 2011, NZZ am Sonntag
«So wie heute kann es nicht weitergehen»
Peter Füglistaler, Chef des Bundesamts für Verkehr, will gegen Hooligans in Zügen vorgehen
Die SBB und die Bundesbehörden haben genug von alkoholisierten Fussballfans, die in den Zügen alles kurz und klein schlagen und andere Reisende gefährden. Zur Diskussion stehen ein Alkoholverbot, Alkoholtests, ein Glasflaschenverbot und sogar ein Rausschmiss aus dem Zug auf offener Strecke.
NZZ am Sonntag: Sie leiten seit einem Jahr das Bundesamt für Verkehr (BAV). Welches Fazit ziehen Sie?
Peter Füglistaler: Nach einem Jahr ist es an sich etwas früh, um schon ein Fazit zu ziehen. Generell gefällt mir die Arbeit sehr. Die Fragen sind interessant, die Herausforderungen spannend, und das Umfeld ist gut.
Kein Wunder: Sie sagten unlängst in einem Interview, Sie könnten hier mit halb so viel Arbeit doppelt so viel bewirken wie früher bei den SBB. Ist es beim Bund also so gemütlich, wie das Klischee besagt – oder sind die SBB derart chaotisch?
Es ging mir dabei um den feinen Unterschied zwischen Hektik und Dynamik. Ich wollte damit nicht sagen, dass es im BAV ruhig ist. Aber als Chef kann ich selber bestimmen, wie viel Administration wir brauchen. So gesehen ist meine Arbeit einfacher und zielgerichteter als bei den SBB. Und zumindest ein Fazit kann ich nach jenem Interview nun auch ziehen: Als BAV-Direktor muss ich jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Eine zunehmende Herausforderung für die Bahnen sind Fussballfans, die Züge verwüsten und durch Flaschenwürfe Passagiere auf den Perrons gefährden. Greift das BAV ein?
Das BAV ist verantwortlich für die Sicherheit des Bahnverkehrs. Diese müssen wir in jedem Fall gewährleisten, auch wenn irgendwo ein Fussballmatch stattfindet. Nach den jüngsten Vorfällen müssen wir etwas tun und überlegen darum, welche Mittel wir den Bahnen in die Hand geben können, damit sich auch solche Transporte sicher bewältigen lassen.
Woran denken Sie?
Wir prüfen zum Beispiel, ob in jedem Fall an der geltenden Transportpflicht festgehalten werden muss oder ob es davon Ausnahmen geben darf. Heute darf jeder, der ein Billett hat, mit dem Zug von A nach B reisen. Dieses System ist gut, es kann bei Sonderzügen aber zu Problemen führen. Es darf nicht sein, dass auf diesen Fahrten schon fast routinemässig Züge verwüstet werden – und die Fans trotzdem darauf zählen können, ins Stadion und wieder nach Hause befördert zu werden. Da sind wir als Aufsichtsbehörde gefordert und müssen den Bahnen helfen.
Auch in den Zügen?
Wir erwägen auch da gewisse Massnahmen. Zur Debatte steht zum Beispiel ein Alkoholverbot für gewisse Züge sowie Alkoholtests. Auch ein Verbot von Glasflaschen ist denkbar. Wir klären derzeit ab, was im Rahmen des Hausrechts der Bahnen schon möglich ist und was man allenfalls beschliessen müsste. Wenn nötig, werden wir Gesetzes- oder Verordnungsänderungen vorschlagen.
Sind die SBB diesbezüglich auf sie zugekommen?
Nein, wir haben selber entschieden, dass wir etwas machen müssen. So wie heute kann es nicht weitergehen. Darum vertiefen wir nun einzelne Ideen und werden diese beim nächsten Spitzentreffen mit den SBB Ende Monat diskutieren. Dort wollen wir auch sehen, welche Bedürfnisse die Bahnen geltend machen.
SBB und Kantone fordern Kombi-Tickets, mit denen nur noch ins Stadion gelassen würde, wer im begleiteten Extrazug anreist. Wäre das eine Lösung?
Das würden wir sicher unterstützen. Aber das Problem ist allein damit noch nicht gelöst. Was passiert, wenn in einem solchen Extrazug die Notbremse vier Mal gezogen wird? Muss man den Transport dann unbedingt weiterführen? Oder können die Bahnen einen Zug, in dem die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist, räumen? Die Antwort ist klar: Die Sicherheit des Bahnbetriebs und der anderen Fahrgäste steht an erster Stelle. Ist sie nicht garantiert, müsste eine Bahn die Fahrt auch stoppen können.
Sie würden also einen Zug auch auf offenem Feld anhalten und die Passagiere rauswerfen?
Wieso nicht? Wenn die Polizei auf der Strasse einen Kleinbus mit randalierenden Fans sieht, zieht sie ihn auch aus dem Verkehr. Wieso soll das beim öffentlichen Verkehr anders sein? Es kann doch nicht dessen Aufgabe sein, randalierende, betrunkene Fans um jeden Preis zu transportieren.
Heute bieten die SBB auch randalierenden Fans billigere Billette für die Extrazüge an. Haben Sie dafür Verständnis?
Das mag zwar paradox erscheinen, ist aber aus Sicht der SBB gut nachvollziehbar. Man möchte verhindern, dass Fangruppen die Passagiere in normalen Zügen belästigen. Darum versucht man, sie in Extrazüge umzuleiten, wo man zumindest einigermassen den Überblick hat. Der beste Anreiz dafür sind nun einmal tiefere Preise.
Eine andere Baustelle, an der Sie auch beteiligt sind, ist die neue Bahnfinanzierung. Wie werten Sie das bisherige Echo bezüglich der geplanten höheren Tarife?
Aus den bisherigen Gesprächen zeigt sich, dass von unseren Ideen der Preisaufschlag eigentlich fast am besten aufgenommen wurde. Dass ein qualitativ derart gutes Bahnsystem etwas kostet, sehen alle ein. Ob es aber 300 Millionen Franken – das entspricht einem Aufschlag von 10 Prozent bis im Jahr 2017 – sein müssen, ist natürlich umstritten. Zu diskutieren ist auch noch, wie sich diese Erhöhung über die Jahre verteilen lässt. Kritischer fällt das Echo zur Begrenzung des Pendler-Abzugs bei den Steuern auf 800 Franken aus. In der Auswertung der Vernehmlassung werden wir schauen, wie wir dieser Kritik Rechnung tragen können.
Die neuste Idee geht dahin, dass man das GA verbilligt, dafür die Gültigkeit auf 100 Intercity-Fahrten beschränkt. Ist das für Sie eine Option?
Die Tarifhoheit liegt bei den Unternehmen, da will ich mich nicht einmischen. Ökonomisch kann ich diese Idee aber sehr gut nachvollziehen, denn das Generalabonnement funktioniert nach dem Prinzip, dass man einmal zahlt und dann so viel konsumiert wie möglich. Ob der Vorschlag hingegen praktikabel wäre, ist eine andere Frage . Interview: Daniel Friedli, Sarah Nowotny
Peter Füglistaler
Der 51-jährige Füglistaler ist seit Juni 2010 Chef des Bundesamtes für Verkehr. Zuvor arbeitete er in mehreren Funktionen bei den SBB, zuletzt als Finanzchef der Abteilung Infrastruktur. In seinem ersten Jahr kümmerte sich Füglistaler vorab um die neue Finanzierung des Bahnausbaus, die auch höhere Billettpreise vorsieht.
Gewalt hat eine neue Dimension erreicht
Fanzüge
Die Gewalt von Fussballfans in und gegen Züge hat laut Angaben der Bahnen in der abgelaufenen Saison ein noch nie erreichtes Ausmass angenommen. Tiefpunkt dürfte dabei Anfang Mai der Überfall von vermummten YB-Fans auf einen Sonderzug der BLS gewesen sein, der nach dem Berner Derby die Fans des FC Thun nach Hause brachte: Der Zug wurde im Bahnhof Ostermundigen gestoppt, die Passagiere wurden mit Steinen und Flaschen beworfen. Mehrere Personen wurden dabei verletzt.
Schon zuvor war es laut SBB zu mehreren Vorfällen gekommen, bei denen Randalierer Sitze oder andere Gegenstände aus dem Zug und auf daneben liegende Geleise warfen. Mit solchen Aktionen hinterlassen die Chaoten nicht nur offene Rechnungen in der Höhe von rund drei Millionen Franken pro Saison. Sie gefährden auch zunehmend die Sicherheit anderer Passagiere.
Das Fass zum Überlaufen brachten aus Sicht des Bundesamtes für Verkehr schliesslich die Vorfälle anlässlich des Cup-Finals Ende Mai. Fans des FC Sion warfen Flaschen aus dem Sonderzug, in Lausanne wurde ein wartender Passagier verletzt.
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Noch eine kleine Rechnung: Im Jahr 2010 wurden 405,000 Generalabonnemente verkauft. Je nach Berechnung sind die um 3000 bis 6000 Franken zu billig. Der Schaden durch die GA-Inhaber beläuft sich somit jährlich auf 1.2 bis 2.4 Milliarden Franken...