Modefans
Verfasst: 15.04.2008, 10:54
http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/akt ... 10263.html
Wort zum Sport: Modefans
Diese Zeilen handeln nicht von der neuen Sommerkollektion in Mailand oder Paris u2013 und weder von der letzten Verhaftung Naomi Campbells noch vom frisch gekürten Mister Schweiz; dieser musste nach seiner Wahl ohnehin zur Kenntnis nehmen, dass er gar nicht so schön ist, und liess sich im Schnellverfahren ein paar Porzellanplatten über die Zähne kleben.
Diese Zeilen handeln von einem Phänomen, das in den nächsten zweieinhalb Monaten kontinuierlich an Bedeutung gewinnen, am 29. Juni aber im Konfetti-Regen der EM-Pokal-Übergabe in Wien wieder verschwinden wird. Die Rede ist von «Modefans», jenen Quereinsteigern und Opportunisten also, die plötzlich Panini-Bildchen tauschen, obwohl ihnen das entsprechende Album wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkommt, die sich darüber ärgern, dass Beckham in der Sammlung fehlt, die nur dann Fussball schauen, wenn es garantiert etwas zu jubeln gibt, die in einem Crash-Kurs die Offside-Regel gelernt haben, aber irgendwie doch im Abseits stehen.
Was vermeintliche Fussballexperten als schnöde Trittbrettfahrer entlarvt:
u2013 Sie messen vor einem Matchbesuch dem Wetterbericht die grössere Bedeutung zu als der sportlichen Ausgangslage. Das betrifft vor allem eine Subspezies des Modefans u2013 den sogenannten Schönwetter-Fan.
u2013 Sie gingen vor zehn Jahren auf dem Hardturm ein und aus.
u2013 Samstags-Heimspiele sind für sie nur ein Warm-up auf dem Weg ins Nachtleben. Entsprechend ausstaffiert kommen sie daher. Die Menge des Haar-Gels (bei Männern) und die Tiefe des Décolletés (Frauen) gelten als besonders zuverlässige Indikatoren. Im Zweifelsfall kann auch die Dosierung des Parfums oder die Höhe der Absätze (Stichwort: Absatztrick) beigezogen werden.
u2013 Sie verbringen ähnlich viel Zeit im Solarium wie Gigi Oeri.
u2013 Sie sind 14-jährige Teenager, die eine Foto von Blerim Dzemaili im Portemonnaie tragen.
u2013 Sie haben in den letzten drei Wochen ihre Liebe für die ZSC Lions entdeckt.
u2013 FCZ - Aarau war für sie am vergangenen Sonntag kein Thema u2013 weil sie den Kater der ZSC-Meisterfeier zu kurieren hatten. Auf wie viele der zwölf indisponiblen Zürcher Fussballer das ebenfalls zutraf, ist nicht bekannt.
u2013 Sie glauben Alain Sutter jedes Wort.
u2013 Sie blicken mindestens so oft aufs Handy wie aufs Spielfeld und hoffen mit den Filmaufnahmen einer Feuerwerks-Einlage auf den Durchbruch auf der Internetplattform You-Tube.
u2013 Sie zupfen die Augenbrauen nach dem «Diego-Benaglio-Schema».
u2013 Liegt die eigene Mannschaft 0:3 in Rückstand, verlassen sie (spätestens) in der 80. Minute das Stadion fluchtartig. Nach drei Niederlagen bleiben sie ganz zu Hause. An einem Auswärtsspiel in Thun waren sie noch nie.
Sollten diese Eigenschaften auf Personen in Ihrem näheren Umfeld zutreffen, ist allerdings noch kein Anlass zu panikartigen Reaktionen oder Notfallübungen gegeben. Denn Modefans zünden keine Feuerwerkskörper, sie schmeissen nichts aufs Feld, rekurrieren weder gegen Foul-Einwürfe noch gegen Schattenwürfe und bringen in der Regel sogar den Zweiwegbecher anstandslos zurück. In der Hooligan-Datenbank ist ihnen kein eigenes Dossier gewidmet.
Für Modefans ist die wichtigste Nebensache wirklich nur eine Nebensache. Und das ist irgendwie gut so. Denn dass man auch ohne FCZ - Aarau am vergangenen Wochenende glücklich sein konnte, wissen zumindest die 9100 Zuschauer, die diesen Sonntagnachmittag-Kick über sich ergehen liessen. u2013 In diesem Sinn (und im Sinn von Stadtpräsident Elmar Ledergerber) heissen wir alle Temporär-Fussball-Fans, die bis Ende Juni die Zürcher Wirtschaft ankurbeln, herzlich willkommen und sagen mit ganzem Herzen und voller Leidenschaft: «Hopp Schwiiz.»
Wort zum Sport: Modefans
Diese Zeilen handeln nicht von der neuen Sommerkollektion in Mailand oder Paris u2013 und weder von der letzten Verhaftung Naomi Campbells noch vom frisch gekürten Mister Schweiz; dieser musste nach seiner Wahl ohnehin zur Kenntnis nehmen, dass er gar nicht so schön ist, und liess sich im Schnellverfahren ein paar Porzellanplatten über die Zähne kleben.
Diese Zeilen handeln von einem Phänomen, das in den nächsten zweieinhalb Monaten kontinuierlich an Bedeutung gewinnen, am 29. Juni aber im Konfetti-Regen der EM-Pokal-Übergabe in Wien wieder verschwinden wird. Die Rede ist von «Modefans», jenen Quereinsteigern und Opportunisten also, die plötzlich Panini-Bildchen tauschen, obwohl ihnen das entsprechende Album wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkommt, die sich darüber ärgern, dass Beckham in der Sammlung fehlt, die nur dann Fussball schauen, wenn es garantiert etwas zu jubeln gibt, die in einem Crash-Kurs die Offside-Regel gelernt haben, aber irgendwie doch im Abseits stehen.
Was vermeintliche Fussballexperten als schnöde Trittbrettfahrer entlarvt:
u2013 Sie messen vor einem Matchbesuch dem Wetterbericht die grössere Bedeutung zu als der sportlichen Ausgangslage. Das betrifft vor allem eine Subspezies des Modefans u2013 den sogenannten Schönwetter-Fan.
u2013 Sie gingen vor zehn Jahren auf dem Hardturm ein und aus.
u2013 Samstags-Heimspiele sind für sie nur ein Warm-up auf dem Weg ins Nachtleben. Entsprechend ausstaffiert kommen sie daher. Die Menge des Haar-Gels (bei Männern) und die Tiefe des Décolletés (Frauen) gelten als besonders zuverlässige Indikatoren. Im Zweifelsfall kann auch die Dosierung des Parfums oder die Höhe der Absätze (Stichwort: Absatztrick) beigezogen werden.
u2013 Sie verbringen ähnlich viel Zeit im Solarium wie Gigi Oeri.
u2013 Sie sind 14-jährige Teenager, die eine Foto von Blerim Dzemaili im Portemonnaie tragen.
u2013 Sie haben in den letzten drei Wochen ihre Liebe für die ZSC Lions entdeckt.
u2013 FCZ - Aarau war für sie am vergangenen Sonntag kein Thema u2013 weil sie den Kater der ZSC-Meisterfeier zu kurieren hatten. Auf wie viele der zwölf indisponiblen Zürcher Fussballer das ebenfalls zutraf, ist nicht bekannt.
u2013 Sie glauben Alain Sutter jedes Wort.
u2013 Sie blicken mindestens so oft aufs Handy wie aufs Spielfeld und hoffen mit den Filmaufnahmen einer Feuerwerks-Einlage auf den Durchbruch auf der Internetplattform You-Tube.
u2013 Sie zupfen die Augenbrauen nach dem «Diego-Benaglio-Schema».
u2013 Liegt die eigene Mannschaft 0:3 in Rückstand, verlassen sie (spätestens) in der 80. Minute das Stadion fluchtartig. Nach drei Niederlagen bleiben sie ganz zu Hause. An einem Auswärtsspiel in Thun waren sie noch nie.
Sollten diese Eigenschaften auf Personen in Ihrem näheren Umfeld zutreffen, ist allerdings noch kein Anlass zu panikartigen Reaktionen oder Notfallübungen gegeben. Denn Modefans zünden keine Feuerwerkskörper, sie schmeissen nichts aufs Feld, rekurrieren weder gegen Foul-Einwürfe noch gegen Schattenwürfe und bringen in der Regel sogar den Zweiwegbecher anstandslos zurück. In der Hooligan-Datenbank ist ihnen kein eigenes Dossier gewidmet.
Für Modefans ist die wichtigste Nebensache wirklich nur eine Nebensache. Und das ist irgendwie gut so. Denn dass man auch ohne FCZ - Aarau am vergangenen Wochenende glücklich sein konnte, wissen zumindest die 9100 Zuschauer, die diesen Sonntagnachmittag-Kick über sich ergehen liessen. u2013 In diesem Sinn (und im Sinn von Stadtpräsident Elmar Ledergerber) heissen wir alle Temporär-Fussball-Fans, die bis Ende Juni die Zürcher Wirtschaft ankurbeln, herzlich willkommen und sagen mit ganzem Herzen und voller Leidenschaft: «Hopp Schwiiz.»
