Servette FC kurz vor der Pleite
Verfasst: 14.12.2004, 08:23
				
				aus der NZZ, 14-12-2004
Sonderfall Genf
Die Crux mit Servette und dem Stade de Genève
 
Was sich im Super-League-Klub Servette ereignet, ist das nächste Lehrstück aus der Abteilung «Abenteuerliches im Schweizer Fussball». Dass der Finanzhaushalt in einem Klub aus dem Ruder läuft, ist nicht neu. Seit Jahren passiert im vorwiegend irrational und emotional gesteuerten Geschäft Fussball Ähnliches, sei es in Lugano, Lausanne, Sitten, Bern oder Luzern. Ende 2004 ist der Servette FC zahlungsunfähig; er hat das Betreibungsamt im Haus und löst Negativschlagzeilen en masse aus. Die Oktober- und November-Löhne (1,5 Millionen Franken) können nicht überwiesen werden, Lügengebilde türmen sich auf, Geldgeber äussern sich widersprüchlich, weitere Donatoren werden gesucht - und die Verantwortlichen stehen mit dem Rücken zur Wand. Trotz den Parallelen mit anderen Sanierungsfällen ist der Fall Servette gesondert zu betrachten: Zum einen wegen des neuen Stadions, zum anderen wegen der darin involvierten öffentlichen Hand.
Wie konnte es so weit kommen? Ende letzten Jahres schlitterte Servette in finanzielle Schwierigkeiten, weil das französische Medienunternehmen Canal Plus ausstieg. Und dies, obschon Letzteres die Absicht gehabt hatte, in Genf neben dem Klub auch den Stadion-Betrieb zu übernehmen. Nach dem Rückzug der Franzosen warfen sich die Servette-Verantwortlichen im Februar 2004 dem früheren Spielervermittler Marc Roger an die Brust. Der Südfranzose stieg im Servette FC aber nur unter der ultimativen Bedingung ein, auch den Stadion-Betrieb (Exploitation) zu erhalten. Mangels Alternative willigten die Stadionbesitzer (Fondation) ein. Roger gelang es tatsächlich, den früheren Real-Madrid-Präsidenten Lorenzo Sanz als Geldgeber zu gewinnen. Der reiche Spanier wurde mit unrealistischen Versprechungen an den Lac Léman gelockt, zudem verführte das grosse Stadion offenbar zu einem Trugschluss: Hier ist der funkelnde Fussball zu Hause.
Derweil Roger mit über 20 Transfers das Rad überdrehte, die Ausgaben auf 14 Millionen Franken hochtrieb, ein erfolgreiches Team und den Trainer auswechselte, schoss Sanz einen Grossteil der von ihm versprochenen acht Millionen Franken ein. Gleichzeitig entwickelten sich die Einnahmen im Stade de Genève (Publikum, Sponsoren) reziprok zu den Ausgaben. Irgendwer finanziert etwa den französischen Weltmeister Christian Karembeu, der über zwei Millionen Franken pro Jahr verdienen soll. Roger kommt in Not, bettelt in Spanien um Vor- und Zuschüsse und gerät parallel dazu mit der Fondation wegen ausbleibender Zahlungen juristisch und mit Sanz persönlich in Konflikt. Am Schluss bleiben in Genf Irrungen und Wirrungen, Kommunikationsstörungen, Sorgen wegen dunkler Machenschaften und Hoffnungen auf eine Rettung zurück.
Dass Rogers Gebilde wegen des ausser Kontrolle geratenen Aktionismus Konstruktionsfehler anhaften, liegt auf der Hand. Doch die Lage rund um Servette und das Stadion ist deshalb so brisant, weil die öffentliche Hand - im Gegensatz zu Basel, Bern und St. Gallen - mit über 50 Prozent am Stadion beteiligt ist. Auch dieses Faktum gehört im Rückblick zur Kategorie «Konstruktionsfehler». Die Kardinalfrage ist: Was geschieht mit Servette, sollte Rogers Konstrukt explodieren? Entweder springt von privater Seite jemand ein, der den Klub - auf welchem Niveau auch immer - weiterleben lässt. Oder Servette stirbt wie andere Vereine zuvor. Aber was geschieht in diesem Fall mit dem Stadion? Etwas übertrieben formuliert, verliere das Stadion zurzeit mit dem zahlungsunfähigen Mieter Servette mehr Geld als ohne, gab am Sonntag ein Insider zu bedenken. Es kann jedoch nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand (Stadt und Kanton Genf, Lancy) sein, den Fussballklub zu sanieren. Die Behörden quält dafür die Frage, wofür sie denn diese prächtige Sportstätte mit ihren 30 000 Plätzen brauchen könnten. Ein oder zwei Länderspiele, etwa jenes der WM-Qualifikation gegen Frankreich, retten ebenso nichts wie die Euro 2008 mit den wenigen Spielen in Genf. Falls es mit Servette zum Crash kommt, sind hitzige Diskussionen und Schwarzpeter-Spiele programmiert. Auch die Behörden werden um die Beantwortung der Schuldfrage nicht herumkommen. Denn eines steht fest: Ein Stadion, das 120 Millionen Franken gekostet hat, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.
			Sonderfall Genf
Die Crux mit Servette und dem Stade de Genève
Was sich im Super-League-Klub Servette ereignet, ist das nächste Lehrstück aus der Abteilung «Abenteuerliches im Schweizer Fussball». Dass der Finanzhaushalt in einem Klub aus dem Ruder läuft, ist nicht neu. Seit Jahren passiert im vorwiegend irrational und emotional gesteuerten Geschäft Fussball Ähnliches, sei es in Lugano, Lausanne, Sitten, Bern oder Luzern. Ende 2004 ist der Servette FC zahlungsunfähig; er hat das Betreibungsamt im Haus und löst Negativschlagzeilen en masse aus. Die Oktober- und November-Löhne (1,5 Millionen Franken) können nicht überwiesen werden, Lügengebilde türmen sich auf, Geldgeber äussern sich widersprüchlich, weitere Donatoren werden gesucht - und die Verantwortlichen stehen mit dem Rücken zur Wand. Trotz den Parallelen mit anderen Sanierungsfällen ist der Fall Servette gesondert zu betrachten: Zum einen wegen des neuen Stadions, zum anderen wegen der darin involvierten öffentlichen Hand.
Wie konnte es so weit kommen? Ende letzten Jahres schlitterte Servette in finanzielle Schwierigkeiten, weil das französische Medienunternehmen Canal Plus ausstieg. Und dies, obschon Letzteres die Absicht gehabt hatte, in Genf neben dem Klub auch den Stadion-Betrieb zu übernehmen. Nach dem Rückzug der Franzosen warfen sich die Servette-Verantwortlichen im Februar 2004 dem früheren Spielervermittler Marc Roger an die Brust. Der Südfranzose stieg im Servette FC aber nur unter der ultimativen Bedingung ein, auch den Stadion-Betrieb (Exploitation) zu erhalten. Mangels Alternative willigten die Stadionbesitzer (Fondation) ein. Roger gelang es tatsächlich, den früheren Real-Madrid-Präsidenten Lorenzo Sanz als Geldgeber zu gewinnen. Der reiche Spanier wurde mit unrealistischen Versprechungen an den Lac Léman gelockt, zudem verführte das grosse Stadion offenbar zu einem Trugschluss: Hier ist der funkelnde Fussball zu Hause.
Derweil Roger mit über 20 Transfers das Rad überdrehte, die Ausgaben auf 14 Millionen Franken hochtrieb, ein erfolgreiches Team und den Trainer auswechselte, schoss Sanz einen Grossteil der von ihm versprochenen acht Millionen Franken ein. Gleichzeitig entwickelten sich die Einnahmen im Stade de Genève (Publikum, Sponsoren) reziprok zu den Ausgaben. Irgendwer finanziert etwa den französischen Weltmeister Christian Karembeu, der über zwei Millionen Franken pro Jahr verdienen soll. Roger kommt in Not, bettelt in Spanien um Vor- und Zuschüsse und gerät parallel dazu mit der Fondation wegen ausbleibender Zahlungen juristisch und mit Sanz persönlich in Konflikt. Am Schluss bleiben in Genf Irrungen und Wirrungen, Kommunikationsstörungen, Sorgen wegen dunkler Machenschaften und Hoffnungen auf eine Rettung zurück.
Dass Rogers Gebilde wegen des ausser Kontrolle geratenen Aktionismus Konstruktionsfehler anhaften, liegt auf der Hand. Doch die Lage rund um Servette und das Stadion ist deshalb so brisant, weil die öffentliche Hand - im Gegensatz zu Basel, Bern und St. Gallen - mit über 50 Prozent am Stadion beteiligt ist. Auch dieses Faktum gehört im Rückblick zur Kategorie «Konstruktionsfehler». Die Kardinalfrage ist: Was geschieht mit Servette, sollte Rogers Konstrukt explodieren? Entweder springt von privater Seite jemand ein, der den Klub - auf welchem Niveau auch immer - weiterleben lässt. Oder Servette stirbt wie andere Vereine zuvor. Aber was geschieht in diesem Fall mit dem Stadion? Etwas übertrieben formuliert, verliere das Stadion zurzeit mit dem zahlungsunfähigen Mieter Servette mehr Geld als ohne, gab am Sonntag ein Insider zu bedenken. Es kann jedoch nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand (Stadt und Kanton Genf, Lancy) sein, den Fussballklub zu sanieren. Die Behörden quält dafür die Frage, wofür sie denn diese prächtige Sportstätte mit ihren 30 000 Plätzen brauchen könnten. Ein oder zwei Länderspiele, etwa jenes der WM-Qualifikation gegen Frankreich, retten ebenso nichts wie die Euro 2008 mit den wenigen Spielen in Genf. Falls es mit Servette zum Crash kommt, sind hitzige Diskussionen und Schwarzpeter-Spiele programmiert. Auch die Behörden werden um die Beantwortung der Schuldfrage nicht herumkommen. Denn eines steht fest: Ein Stadion, das 120 Millionen Franken gekostet hat, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.