Die klammheimliche Einführung des Videobeweises
Verfasst: 01.03.2005, 10:01
Schiedsrichter Wack korrigiert beim Spiel Leverkusen - Stuttgart eine Entscheidung nach einem zufälligen Blick auf die Leinwand
VON ERIK EGGERS (LEVERKUSEN)
Franz-Xaver Wack (ddp)
Es war kein leichter Abend für Dr. Franz-Xaver Wack - und weiteres Symptom dafür, dass die deutsche Schiedsrichter-Welt nicht mehr die gleiche ist wie noch vor dem Hoyzer-Skandal. Das bewiesen die vielen Kameras und Mikrofone, die lange nach der Sonntagspartie zwischen Bayer Leverkusen und dem VfB Stuttgart auf ihn gerichtet waren. Frisch geduscht mühte sich Wack zwar um Fassung und darum, den Journalisten eine rationale Erklärung für seine vielen seltsamen Pfiffe zu liefern. Doch auf ein Detail fand er auch im Nachhinein keine schlüssige Antwort: "Ich weiß, dass die Entscheidung ein wenig komisch aussieht. Mehr darf ich aber dazu nicht sagen", sagte Wack und zog von dannen. Kein Wunder, hatte er doch, was ihm hinterher außerordentlich peinlich war, für ein Novum in der Bundesliga-Geschichte gesorgt: Der Regelhüter hatte klammheimlich den TV-Beweis eingeführt. Zumindest in einer Szene.
Szene "aus Versehen" wiederholt
Die Szene, um die es ging und die Wack eine schlaflose Nacht beschert haben dürfte, geschah in der 41. Minute: Jacek Krzynowek hatte einen seiner wuchtigen Fernschüsse auf das Stuttgarter Gehäuse abgefeuert, der Ball strich knapp über die Latte. "Berührt", protestierte Krzynowek, Torhüter Hildebrandt sollte den Ball noch touchiert haben. Wack und sein Assistent hatten es jedoch anders gesehen und entschieden sofort auf Abstoß. Selbst Krzynowek hatte sich bereits mit der Entscheidung abgefunden, als der Regisseur der riesigen Video-Leinwand in der Bayarena den Schuss wiederholte - "ein Versehen", wie Bayer-Pressesprecher Ulrich Dost am nächsten Tag beteuerte: "Die wollten nicht eine strittige Szene zeigen, sondern nur den Schuss." Denn es ist laut DFL-Spielordnung untersagt, Szenen mit womöglich kontrovers zu diskutierenden Entscheidungen zu zeigen.
Sei's drum: In diesem Moment sah jeder im Stadion, dass Hildebrandt tatsächlich am Ball gewesen war, auch Wack - er korrigierte flugs seinen Pfiff und zeigte nun auf Ecke. Ein Raunen im Stadion, und die meisten Zeugen fanden nichts Schlimmes dabei. "Kompliment an den, der das so schnell einspielte. Und an Wack, dass er so schnell reagierte", sagte Bayer-Sportchef Rudi Völler. Und Carsten Ramelow sagte: "Ich hab' auch nach oben geguckt. In gewissen Situationen ist das gar nicht verkehrt."
Schalke-Trainer Ralf Rangnick, der das später im Fernsehen sah, fand es auch praktisch: "So braucht man nicht mal mehr den Schiedsrichter am Bildschirm, sondern der Schiedsrichter kann sich das direkt ansehen." Selbst die Stuttgarter reagierten kaum auf diese Art Korrektur. Und dennoch dürfte Wack nun in Erklärungsnot geraten. Warum, erklärt Eugen Striegel. "Regeltechnisch ist das eigentlich nicht in Ordnung", sagt der Schiedsrichter Lehrwart des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). "Die Stadion-Leinwand darf ein Schiedsrichter normalerweise nicht als Grundlage nehmen." Das wurde nach dem Spiel auch Wack gewahr, schließlich ist der 39-Jährige aus Biberach, seit 1993 DFB-Schiedsrichter und 2000 aufgestiegen in den elitären Klub der Fifa-Referees, einer der erfahrensten Spielleiter in Deutschland. Zwar hatte er im Nachhinein richtig auf Ecke entschieden, aber gleichzeitig gegen die Gesetze der Schiedsrichter-Logik verstoßen. Denn die sieht eine Korrektur nach TV-Bildern nicht vor. Bisher jedenfalls, und wenn es nach dem International Board geht, das von jeher über die Regeln befindet, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.
Pfeifen wie vor Hoyzer
Dass Wack in diesem Moment die Übersicht verlor, hatte eine Vorgeschichte. In der 14. Minute hatte er nämlich ein rotwürdiges Foul an Berbatov übersehen, und erst rund eine Minute später - nach Rücksprache mit dem vierten Schiedsrichter-Offiziellen Guido Winkmann - auf Freistoß für Bayer entschieden. Wack jedenfalls wirkte danach total verunsichert. Und als er dann kurz vor Spielende durchaus berechtigt auf Elfmeter für den VfB entschied, den Cacau zum 1:1-Endstand einschoss, hatte er das ganze Stadion gegen sich. "Ich weiß nicht, warum der Wack so unsicher ist, der hat doch gar nicht gewettet", sagte Bayer-Coach Klaus Augenthaler und kritisierte: "Die letzten drei Spieltage waren es eklatante Fehlentscheidungen, das kann nicht sein." Seiner Auffassung nach sollen die Schiris einfach so pfeifen wie vor dem Hoyzer-Skandal.
VON ERIK EGGERS (LEVERKUSEN)
Franz-Xaver Wack (ddp)
Es war kein leichter Abend für Dr. Franz-Xaver Wack - und weiteres Symptom dafür, dass die deutsche Schiedsrichter-Welt nicht mehr die gleiche ist wie noch vor dem Hoyzer-Skandal. Das bewiesen die vielen Kameras und Mikrofone, die lange nach der Sonntagspartie zwischen Bayer Leverkusen und dem VfB Stuttgart auf ihn gerichtet waren. Frisch geduscht mühte sich Wack zwar um Fassung und darum, den Journalisten eine rationale Erklärung für seine vielen seltsamen Pfiffe zu liefern. Doch auf ein Detail fand er auch im Nachhinein keine schlüssige Antwort: "Ich weiß, dass die Entscheidung ein wenig komisch aussieht. Mehr darf ich aber dazu nicht sagen", sagte Wack und zog von dannen. Kein Wunder, hatte er doch, was ihm hinterher außerordentlich peinlich war, für ein Novum in der Bundesliga-Geschichte gesorgt: Der Regelhüter hatte klammheimlich den TV-Beweis eingeführt. Zumindest in einer Szene.
Szene "aus Versehen" wiederholt
Die Szene, um die es ging und die Wack eine schlaflose Nacht beschert haben dürfte, geschah in der 41. Minute: Jacek Krzynowek hatte einen seiner wuchtigen Fernschüsse auf das Stuttgarter Gehäuse abgefeuert, der Ball strich knapp über die Latte. "Berührt", protestierte Krzynowek, Torhüter Hildebrandt sollte den Ball noch touchiert haben. Wack und sein Assistent hatten es jedoch anders gesehen und entschieden sofort auf Abstoß. Selbst Krzynowek hatte sich bereits mit der Entscheidung abgefunden, als der Regisseur der riesigen Video-Leinwand in der Bayarena den Schuss wiederholte - "ein Versehen", wie Bayer-Pressesprecher Ulrich Dost am nächsten Tag beteuerte: "Die wollten nicht eine strittige Szene zeigen, sondern nur den Schuss." Denn es ist laut DFL-Spielordnung untersagt, Szenen mit womöglich kontrovers zu diskutierenden Entscheidungen zu zeigen.
Sei's drum: In diesem Moment sah jeder im Stadion, dass Hildebrandt tatsächlich am Ball gewesen war, auch Wack - er korrigierte flugs seinen Pfiff und zeigte nun auf Ecke. Ein Raunen im Stadion, und die meisten Zeugen fanden nichts Schlimmes dabei. "Kompliment an den, der das so schnell einspielte. Und an Wack, dass er so schnell reagierte", sagte Bayer-Sportchef Rudi Völler. Und Carsten Ramelow sagte: "Ich hab' auch nach oben geguckt. In gewissen Situationen ist das gar nicht verkehrt."
Schalke-Trainer Ralf Rangnick, der das später im Fernsehen sah, fand es auch praktisch: "So braucht man nicht mal mehr den Schiedsrichter am Bildschirm, sondern der Schiedsrichter kann sich das direkt ansehen." Selbst die Stuttgarter reagierten kaum auf diese Art Korrektur. Und dennoch dürfte Wack nun in Erklärungsnot geraten. Warum, erklärt Eugen Striegel. "Regeltechnisch ist das eigentlich nicht in Ordnung", sagt der Schiedsrichter Lehrwart des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). "Die Stadion-Leinwand darf ein Schiedsrichter normalerweise nicht als Grundlage nehmen." Das wurde nach dem Spiel auch Wack gewahr, schließlich ist der 39-Jährige aus Biberach, seit 1993 DFB-Schiedsrichter und 2000 aufgestiegen in den elitären Klub der Fifa-Referees, einer der erfahrensten Spielleiter in Deutschland. Zwar hatte er im Nachhinein richtig auf Ecke entschieden, aber gleichzeitig gegen die Gesetze der Schiedsrichter-Logik verstoßen. Denn die sieht eine Korrektur nach TV-Bildern nicht vor. Bisher jedenfalls, und wenn es nach dem International Board geht, das von jeher über die Regeln befindet, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.
Pfeifen wie vor Hoyzer
Dass Wack in diesem Moment die Übersicht verlor, hatte eine Vorgeschichte. In der 14. Minute hatte er nämlich ein rotwürdiges Foul an Berbatov übersehen, und erst rund eine Minute später - nach Rücksprache mit dem vierten Schiedsrichter-Offiziellen Guido Winkmann - auf Freistoß für Bayer entschieden. Wack jedenfalls wirkte danach total verunsichert. Und als er dann kurz vor Spielende durchaus berechtigt auf Elfmeter für den VfB entschied, den Cacau zum 1:1-Endstand einschoss, hatte er das ganze Stadion gegen sich. "Ich weiß nicht, warum der Wack so unsicher ist, der hat doch gar nicht gewettet", sagte Bayer-Coach Klaus Augenthaler und kritisierte: "Die letzten drei Spieltage waren es eklatante Fehlentscheidungen, das kann nicht sein." Seiner Auffassung nach sollen die Schiris einfach so pfeifen wie vor dem Hoyzer-Skandal.