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NZZ Artikel zu Transfers in der SuperLigue

Verfasst: 14.07.2007, 00:19
von hobivan
Mitten in der aufgeregten Realität

Von Peter B. Birrer
NZZ

Die Klubs der Super League basteln an neuen Teams und an neuer Hoffnung. Auch im Transferwesen sind der FC Basel und der FC Zürich die Leader. Einblicke in die Welt des Spielerhandels.

Mitten in der aufgeregten RealitätDie Klubs der Super League basteln an neuen Teams und an neuer Hoffnung. Auch im Transferwesen sind der FC Basel und der FC Zürich die Leader. Einblicke in die Welt des Spielerhandels.
Die Aussicht auf einen Stammplatz in der Schweizer Liga hat das ihrige dazu beigetragen, dass die Nationalspieler Huggel, Streller und Cabanas ein Jahr vor der Euro 2008 in die Schweiz zurückgekehrt sind. Sonst müssen die Vereine der Super League in ...


Die Aussicht auf einen Stammplatz in der Schweizer Liga hat das ihrige dazu beigetragen, dass die Nationalspieler Huggel, Streller und Cabanas ein Jahr vor der Euro 2008 in die Schweiz zurückgekehrt sind. Sonst müssen die Vereine der Super League in ihrer Nische Argumente finden, um für sich Werbung zu machen. In Basel ist der Lohn am höchsten, das Stadion meistens voll und der Anspruch hoch. Das klingt nicht so schlecht. Der FC Zürich kann als Meister zwar nicht das höchste Salär, dafür aber das Argument vorweisen, dass er zumindest vor der Türe zur Champions League steht. Auch das tönt gut. Dies sei für die verpflichteten Chikhaoui, Tico und wohl auch für Hassli «ausschlaggebend» gewesen, sich für Zürich zu entscheiden, vermutet der FCZ-Sportchef Fredy Bickel.

Die Branchenleader seien der FCB und der FCZ, «dort gibt es zurzeit etwas zu gewinnen, in Basel auch Geld», sagt der Spielervermittler Walter Fernandez. Dahinter sind Ideen gefragt. Der BSC Young Boys ist reicher als auch schon, zudem schwärmt er potenziellen Arbeitnehmern vom Stade de Suisse, von künftigen Heldentaten und von Hakan Yakin vor. Der FC St. Gallen kann die Vorfreude im Anlauf zum neuen Stadion und der GC den nächsten Neuanfang samt der Campus-Infrastruktur an oberster Stelle aufführen. Xamax zeigt den Anwärtern die neue Maladière und schwärmt von früheren Heldentaten. «Wir wollen eine Identifikation erreichen, jemand muss Lust haben, zu uns zu kommen», sagt der Xamax-Sportchef Jean-Marc Rohrer.

Und ja: Der FC Luzern hat als Lockstoff Ciriaco Sforza, also denjenigen Trainer mit der besten PR-Abteilung im Land, der FC Aarau den unsterblichen Slogan «Wir steigen nie ab», der FC Thun etwas Geld sowie die dumpfe Erinnerung an die Champions League und der FC Sion viel Publikum sowie mit dem Präsidenten eine real existierende und offenbar funktionierende Autokratie.

Es ist schwierig zu beurteilen, ob der Schweizer Transfermarkt erhitzter ist als früher. Da divergieren die Wahrnehmungen, da sind auch das Interesse, der Blickwinkel und die Betroffenheit zu verschieden. Bickel hat jedes Jahr das Gefühl, dass der Markt aggressiver werde, «aber vielleicht vergesse ich es jeweils wieder». Vereine würden gegen Vereine ausgespielt, so Bickel, man sei mittendrin, und die Devise könne nur lauten: «Entweder mache ich mit u2013 oder ich höre auf.» Der FCZ kämpft im Moment in einer eigenen Welt. Er verliert die Trainer und das Mittelfeld und kommt unter Druck.

Rohrer und Xamax wähnen sich dagegen in einem «Markt der Zweckmässigkeit», weil ihre Kasse (noch) nicht prall gefüllt ist. Auch die Neuenburger versuchen im Handel «das Spiel zu diktieren», wie sich Rohrer ausdrückt. Er, der die Funktion erst seit April ausübt, nimmt den Mercato nicht als übertrieben überhitzt wahr. «Es ist eine schwierige Welt, aber es gibt keine Wunder: Gute Fussballer sind teuer. Es fliesst Geld, und man muss sich schützen», sagt er, der pro Tag mit bis zu zehn Spieler-Agenten spricht. 120 bis 140 Anrufe pro Tag erhält gemäss eigenen Aussagen Fritz Hächler. Er ist diplomierter Landwirt, im Immobilienbereich tätig, im Verwaltungsrat des FC Aarau und dort interimistisch seit zwei Wochen Sportchef. Er habe die Bewegungen im Transferwesen nie so erwartet, tut Hächler kund, «da reisen einige wie Menschenhändler herum und bieten an. Jeder hat den besten Spieler. Und was machen Sie? Sie kaufen, oder Sie kaufen nicht.»

Die Spielervermittler sehen die Vorgänge im Markt gelassener. Walter Fernandez (Klienten: Margairaz, Hassli, Rossi) beobachtet, dass die Klubs die Transfers reflektierter, intelligenter und nicht mehr so überstürzt angingen wie früher u2013 «sie bearbeiten den Markt ruhiger und regelmässiger». Der FC Zürich habe anderen die Augen geöffnet, fährt Fernandez fort, «man findet Spieler im eigenen Land. Warum also teuer im Ausland suchen?» Christoph Graf von 4sports (Klienten: Favre, Cabanas, Sforza, Yakin, Hitzfeld) plädiert, mit Blick auf das von ihm wahrgenommene internationale Level, für eine «bessere und professionellere Verhandlungskultur». Die Klubs in der Schweiz müssten lernen, «Realitäten zu akzeptieren», sagt Graf. «Wenn ein Spieler weg will, dann ist das so, dann will er weg. Aufregung gibt es immer und überall. Aber gewisse Dinge müssen ohne Emotionen verhandelt werden können.»

Der Transfer-Sommer ist der Fundus unzähliger Geschichten, die meistens anonymisiert erzählt werden. Zuerst diejenige von Fredy Bickel: «Wir wollten einen Schweizer Spieler und unterbreiteten ein schriftliches Angebot. Kaum passiert, fand das Angebot den Weg zu einem Drittverein. Diesem wurde mitgeteilt: Wenn ihr 20 Prozent mehr zahlt, gehört der Spieler euch.»
Als zweite Geschichte diejenige von Jean-Marc Rohrer: «Wir waren mit einem Schweizer Spieler über einen Dreijahresvertrag einig. Da meldete sich plötzlich der Vermittler, der als Provision 25 Prozent der Lohnsumme verlangte. Wir schlugen das Angebot aus. Später rief er wieder an und sagte, dass er nur noch die Hälfte wolle. Der Transfer scheiterte.»

Im Cash-TV redete der GC-Vizepräsident Erich Vogel über Machenschaften im (internationalen) Transferwesen. Mit Transfers würden auf diversen Kanälen Geldbeträge verschoben u2013 gerade in England, auch zuhanden der Sportchefs, meinte Vogel zum Beispiel. Dies verführt den interimistischen Transferchef des FC Aarau zum pauschalen Satz: «Es ist so, wie es Erich Vogel im Fernsehen gesagt hat. Es wird alles angeboten», schliesst Fritz Hächler nach nicht einmal zwanzig Tagen Erfahrung im Transferwesen.