Giallanza: Das Abenteuer in der vierten Liga
Verfasst: 10.06.2007, 14:31
10. Juni 2007, NZZ am Sonntag
Das Abenteuer in der vierten Liga
Nach zahlreichen Stationen ist Giallanza im Darlington FC untergekommen
Von Hanspeter Künzler
Darlington, dreissig Kilometer westlich von Middlesbrough gelegen, einhunderttausend Einwohner, einst das Eisenbahnzentrum der Welt. Heute sind von solcher Glorie nur noch das Museum und die grandiose Bahnhofhalle geblieben. Ein gusseiserner Wegweiser zeigt Richtung Fussballstadion. Winzige Reihenhäuschen, dazu eine baufällige Take-away-Bude: «Kebab Pizza Parmesan Burgers». Zwei Angesäuselte kommen daher. Wo ist das Stadion, please? Das sei niedergerissen worden, das neue sei am anderen Ende der Stadt. Taxifahrt durch graue Suburbia - und da steht es plötzlich, ein Stadion, imposant genug für die Premier League! Dabei hat der Darlington FC während seiner 124-jährigen Geschichte lediglich sechs Saisons ausserhalb der untersten Profiliga, der vierten, verbracht.
Der Bankräuber
Das Stadion imponierte auch Gaetano Giallanza, dem Stürmer aus dem Baselbiet, der auch schon für den FC Basel, Nantes, die Bolton Wanderers, Norwich City, YB und Aarau gespielt hat. 25 000 Sitzplätze hat die «96.6 TFM Darlington Arena», um die 6000 sind jeweils besetzt. Sie wurde erbaut von George Reynolds, Bankräuber, Kücheneinrichtung-Magnat und letzthin wieder Gefängnisinsasse. Giallanza stand gerade ohne Klub da: Als man ihn in Aarau sehr spät freigestellt hatte, waren alle Schweizer Klubs schon besetzt. Ein Kollege schaffte den Kontakt zu Darlington. «Ich habe mir die Sache zwei Tage lang angeschaut und gedacht: Okay, die Chance nehme ich.» Am Anfang ging alles wunderbar. «Tano» spielte regelmässig und gut. Aber es gab «Missverständnisse» zwischen dem Trainer und dem Chief Executive Officer.
Der Trainer wurde entlassen. Im letzten Spiel unter seiner Führung verletzte sich Giallanza am Knie: «Nichts Schlimmes. Aber mit der Pflege stimmte etwas nicht - er liess sich in der Schweiz verarzten. «Der Ex- Trainer hatte Fussball spielen wollen, von hinten nach vorn - und mit drei Stürmern. Der Neue machte nur noch auf lange Bälle, mit zwei Stürmern.» Im Januar kaufte der Neue elf neue Spieler ein. Dann ging ein Virus um, das auch Giallanza erwischte. Erst in den letzten drei Spielen durfte er wieder auf den Platz. Die Interessen von Darlington und Giallanza drifteten auseinander. Jetzt ist er offen für Neues: «Solang mein Körper mitmacht und ich Freude daran habe, will ich weiterspielen.»
Sie klatschen und heulen
«Der englische Fussball ist schon gut», sagt Giallanza. «Die Leidenschaft! Dabei nehmen sie alles ein bisschen lockerer. Wenn du in der Schweiz ein Spiel verlierst, bist du die ganze Woche unter Druck. Hier nicht. Es wird gelacht.» Er erinnert sich an seine Zeit bei den Bolton Wanderers: «Im letzten Spiel sind wir abgestiegen. Die Fans haben geheult. Aber sie haben noch immer geklatscht!» Die Kultur sei in der Tat anders: «Sie gehen um 15 Uhr ins Pub. Auch die Spieler. Das gibt schon Fitness-Probleme. Aber die akzeptieren das. Für die ist das seit jungen Jahren normal. Es ist klar, da muss ich mich anpassen. So geht man halt auch ab und zu mit.»
Mit den Schiedsrichtern in der vierten englischen Liga sei es auch so eine Sache: «Unglaublich, was die da laufenlassen! Da gibt's Fouls, in der Schweiz gäbe es Rot, hier nicht einmal Gelb.» Auch er hat Rot gesehen: «Über den ganzen Match haben sie mich kaputtgemacht. Dann habe ich mich einmal umgedreht, ein bisschen provoziert - Rot! Wenn man Ausländer ist, schauen die Schiedsrichter sehr genau hin. Und auch die Gegner. ‹Geh doch wieder zurück!›, zischen sie, oder ‹Was suchst du hier?› Man gewöhnt sich dran. Nach dem Match ist alles vergessen.» Jetzt ist Giallanza gespannt, was im Juli passiert, wenn der Transfermarkt wieder in Gang kommt. Er habe einige Probetrainings in Aussicht, sagt er. Ob England oder Schweiz - er freue sich einfach aufs nächste Spiel.
Das Abenteuer in der vierten Liga
Nach zahlreichen Stationen ist Giallanza im Darlington FC untergekommen
Von Hanspeter Künzler
Darlington, dreissig Kilometer westlich von Middlesbrough gelegen, einhunderttausend Einwohner, einst das Eisenbahnzentrum der Welt. Heute sind von solcher Glorie nur noch das Museum und die grandiose Bahnhofhalle geblieben. Ein gusseiserner Wegweiser zeigt Richtung Fussballstadion. Winzige Reihenhäuschen, dazu eine baufällige Take-away-Bude: «Kebab Pizza Parmesan Burgers». Zwei Angesäuselte kommen daher. Wo ist das Stadion, please? Das sei niedergerissen worden, das neue sei am anderen Ende der Stadt. Taxifahrt durch graue Suburbia - und da steht es plötzlich, ein Stadion, imposant genug für die Premier League! Dabei hat der Darlington FC während seiner 124-jährigen Geschichte lediglich sechs Saisons ausserhalb der untersten Profiliga, der vierten, verbracht.
Der Bankräuber
Das Stadion imponierte auch Gaetano Giallanza, dem Stürmer aus dem Baselbiet, der auch schon für den FC Basel, Nantes, die Bolton Wanderers, Norwich City, YB und Aarau gespielt hat. 25 000 Sitzplätze hat die «96.6 TFM Darlington Arena», um die 6000 sind jeweils besetzt. Sie wurde erbaut von George Reynolds, Bankräuber, Kücheneinrichtung-Magnat und letzthin wieder Gefängnisinsasse. Giallanza stand gerade ohne Klub da: Als man ihn in Aarau sehr spät freigestellt hatte, waren alle Schweizer Klubs schon besetzt. Ein Kollege schaffte den Kontakt zu Darlington. «Ich habe mir die Sache zwei Tage lang angeschaut und gedacht: Okay, die Chance nehme ich.» Am Anfang ging alles wunderbar. «Tano» spielte regelmässig und gut. Aber es gab «Missverständnisse» zwischen dem Trainer und dem Chief Executive Officer.
Der Trainer wurde entlassen. Im letzten Spiel unter seiner Führung verletzte sich Giallanza am Knie: «Nichts Schlimmes. Aber mit der Pflege stimmte etwas nicht - er liess sich in der Schweiz verarzten. «Der Ex- Trainer hatte Fussball spielen wollen, von hinten nach vorn - und mit drei Stürmern. Der Neue machte nur noch auf lange Bälle, mit zwei Stürmern.» Im Januar kaufte der Neue elf neue Spieler ein. Dann ging ein Virus um, das auch Giallanza erwischte. Erst in den letzten drei Spielen durfte er wieder auf den Platz. Die Interessen von Darlington und Giallanza drifteten auseinander. Jetzt ist er offen für Neues: «Solang mein Körper mitmacht und ich Freude daran habe, will ich weiterspielen.»
Sie klatschen und heulen
«Der englische Fussball ist schon gut», sagt Giallanza. «Die Leidenschaft! Dabei nehmen sie alles ein bisschen lockerer. Wenn du in der Schweiz ein Spiel verlierst, bist du die ganze Woche unter Druck. Hier nicht. Es wird gelacht.» Er erinnert sich an seine Zeit bei den Bolton Wanderers: «Im letzten Spiel sind wir abgestiegen. Die Fans haben geheult. Aber sie haben noch immer geklatscht!» Die Kultur sei in der Tat anders: «Sie gehen um 15 Uhr ins Pub. Auch die Spieler. Das gibt schon Fitness-Probleme. Aber die akzeptieren das. Für die ist das seit jungen Jahren normal. Es ist klar, da muss ich mich anpassen. So geht man halt auch ab und zu mit.»
Mit den Schiedsrichtern in der vierten englischen Liga sei es auch so eine Sache: «Unglaublich, was die da laufenlassen! Da gibt's Fouls, in der Schweiz gäbe es Rot, hier nicht einmal Gelb.» Auch er hat Rot gesehen: «Über den ganzen Match haben sie mich kaputtgemacht. Dann habe ich mich einmal umgedreht, ein bisschen provoziert - Rot! Wenn man Ausländer ist, schauen die Schiedsrichter sehr genau hin. Und auch die Gegner. ‹Geh doch wieder zurück!›, zischen sie, oder ‹Was suchst du hier?› Man gewöhnt sich dran. Nach dem Match ist alles vergessen.» Jetzt ist Giallanza gespannt, was im Juli passiert, wenn der Transfermarkt wieder in Gang kommt. Er habe einige Probetrainings in Aussicht, sagt er. Ob England oder Schweiz - er freue sich einfach aufs nächste Spiel.