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Einen Klub ( « vollgas » ) gegen die Wand gefahren

Verfasst: 20.02.2005, 11:06
von smd
Einwurf
Einen Klub ( « vollgas » ) gegen die Wand gefahren

Bernhard Brunner über das Sterben von Servette unter besonderen Umständen

Die absurdeste Szene ( und das will etwas heissen in dieser Geschichte) ereignete sich am 24. Januar am späten Abend hoch oben im Stade de Genève. In dieser Geschichte geschah übrigens alles immer am späten Abend oder mitten in der Nacht oder morgens um drei u2013 wie das letzte SMS an die Spieler, dass alles vorbei sei ( « Désolé, cu2019est foutu » ) . Die Betreiber leuchteten das Stadion an diesem Montag noch einmal aus, und vor den Scheiben im VIP- Raum verkündete Präsident Marc Roger: « Servette est sauvé. » Es war einer seiner letzten famosen Irrtümer. So wie die Ankündigung, mit zwölf Punkten vor Basel Meister zu werden, so wie die Idee, aus 21 Spielern aus aller Welt eine Equipe zu basteln.

Joseph Ferraye, ein libanesisch- französischer Doppelbürger und Erfinder von Systemen, mit deren Hilfe laut eigener Angaben 1991 in Kuwait brennende Ölquellen gelöscht worden waren, sass also da, neben dem Präsidenten u2013 mit einem Servette- Schal um den Hals und weit aufgerissenen Augen u2013 und versprach, den Klub mit 147 Millionen Franken zu alimentieren ( 5- Jahres- Plan . . .). Die Geschichte hatte nur einen Haken. Einen ganz kleinen. Das Geld war ( noch) blockiert, und insgesamt, sagte der Erfinder, müssten 5,941 Milliarden auf dem Konto eines Genfer Anwalts sein.

Ferrayes Plan, dank öffentlichen Interesses an Geld zu kommen u2013 seit vierzehn Jahren zieht er durch die Gerichtsstuben von Frankreich und der Schweiz ( « alles korrupt, die beiden Staaten, die Grossbanken » ) u2013 , scheiterte ebenso grandios wie alle anderen grandiosen Pläne, den mit über 12 Millionen Franken verschuldeten 115- jährigen Traditionsklub vor dem Konkurs zu retten.

Ob Ferraye, aus dem Nichts aufgetaucht, ob der ehemalige Präsident von Real Madrid, Lorenzo Sanz, der anfänglich Roger mit neuen Spielern und viel Geld fütterte, ob die Gruppe aus dem Mittleren Osten, genannt « die Syrer » , die die letzte Phase dramaturgisch eindrücklich gestalteten: In der Nachbetrachtung war so manche Handlung viel Wind um wenig Substanz. Dafür waren die grotesken Momente unschlagbar. Weil sie in der Wirklichkeit stattfanden und nicht auf der Bühne. Im Theater hätte man nach der Vorstellung gefragt: Ist das nicht alles ein bisschen übertrieben dargestellt? Grossartig, wie Maître Patrick Chenaux im Genfer Handelsgericht nach zwei Aufschüben der Konkurseröffnung am 4. Februar frühmorgens sichtlich genervt in Rekordzeit ( 2 Minuten 37 Sekunden) sowohl Betreibergesellschaft des Stadions wie auch die Servette SA in den Konkurs schickte.

Grossartig der anmutige Platzanweiser im Saal B1 vor der Verhandlung, wie er Ferraye kraft seines Amtes von der ersten ( involvierte Parteien) in die dritte Bankreihe und ins Publikum verschob. Grossartig auch die Syrer, die anonym stets behaupteten, 15 Millionen Franken bereitliegen zu haben ( 2- Jahres- Plan . . .), wenn sie nur die Aktienmehrheit besässen oder wenn nur alle Spieler neben vier ausstehenden Monatslöhnen auf weitere Forderungen verzichteten oder wenn weiss der Kuckuck was wäre. Und man las von einem Doktor Bachar, der die Verhandlungen führte, immer ohne Vornamen u2013 auch ein Detail von hoher Originalität.

Grossartig stellt man sich auch die Szene vor, als Anwalt Nicolas Droz die Rekurszeit von zehn Tagen per B- Post am Dringlichkeitsschalter kurz vor acht Uhr abends nochmals um zwei Tage zu verschieben wusste. Unter dem Strich ist die Geschichte aber leider keine lustige, sondern eine traurige. Einigen Spielern wird der Gang aufs Arbeitsamt nicht erspart bleiben, und man erinnert sich an Bilder aus der Kindheit, als Gilbert Guyot die Abwehr führte, « Didi » Andrey mit seinen dicken Oberschenkeln Regie führte, « Joko » Pfister mit seinen blonden Haaren wirbelte oder der Engländer Martin Chivers die Bälle einköpfelte. Servette gibt es auf höchster Stufe nicht mehr, weil zu viele Geschichten der eigentlichen Geschichte nicht mit Respekt begegneten. Das ist traurig.


Die grotesken Momente waren unschlagbar


«SonntagsZeitung» vom 20.2.2005, Seite 41

Verfasst: 20.02.2005, 11:46
von Edberg
Die Gurkenliga macht ihrem Namen alle Ehre.

Bravo SFV, denn es ist das ganze System das verseucht ist (alleine schon das 3-Kammer-System ist nicht mehr zeitgemäss). Das System bietet solchen Spekulanten und Grössenwahnsinnigen wie Marc Rogers erst die Plattform, damit so was geschehen kann. Und wenn sich nicht bald etwas ändert, wird der nächste Fall nicht lange auf sich warten lassen.

Der einzige Ausweg ist und bleibt eine Profiliga, welche die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend gewichtet und die Existenz langfristig sicherstellt. Das hat nichts mit Kommerz zu tun, sondern ist eine rein überlebensnotwendige Massnahme. Denn ohne konkurrenzfähige Meisterschaft wird auch der FCB früher oder später wieder dort verschwinden, wo er her gekommen ist - in der Bedeutungslosigkeit.