Die Hälfte der Bundesliga-Klubs vom Abstieg bedroht
Verfasst: 27.02.2007, 16:56
27. Februar 2007, Neue Zürcher Zeitung
Allerorten Betroffenheit
Die Hälfte der Bundesliga-Klubs vom Abstieg bedroht
Die Bundesliga erlebt ein neues Phänomen. Schleichend hat es sich ausgebreitet, zwei Drittel aller Klubs durften binnen dieser Spielzeit schon einmal dieses nicht eben erbauliche Gefühl erfahren. Das Personal macht in Betroffenheit, was niemanden verwundert. Denn betroffen sind viele - vom Existenzkampf. Der HSV und Cottbus und Mönchengladbach sowieso. Mainz 05 immer noch und Arminia Bielefeld jetzt erst recht. Seit dem Wochenende ist Frankfurt mittendrin statt nur dabei, und wenn noch zwei, drei Spiele nicht so gut verlaufen, dann ist auch Wolfsburg wieder ein Teil der Zittergesellschaft. Auch Dortmund braucht nur noch zwei Matches ohne Sieg, um Teilhaber am grossen Nervenkrieg zu sein. Der Empfang dürfte rau, aber herzlich sein.
Wie in der zweiten Liga
Willkommen im Abstiegskampf. Beinahe jeder darf mitmachen. Von Platz 18 bis Platz 10 erstreckt sich die Zone derjenigen, die nachts nicht mehr allzu gut schlafen dürften. Ein Bild, das man nur aus der zweiten Liga gewohnt war, wo es zunächst einmal darum geht, die Spielberechtigung für das nächste Jahr zu erkämpfen. Jetzt liesse sich polemisch fragen: Ist die Bundesliga der Wurmfortsatz der zweiten Spielklasse? Es sieht danach aus. Doch es geht um noch viel mehr. Die Mittelklasse unter den Fussballklubs wird immer kleiner. Sie wird marginalisiert. Dortmund, Hamburg und Mönchengladbach, Adressen mit Tradition und vielen Titeln im Briefkopf, kämpfen um die Sicherung des Erreichten. Nur die kleine Oberschicht, die aus Werder Bremen und dem FC Bayern besteht, hat wirklich Ruhe.
Im Kampf um den Erhalt geht es hart zur Sache. Woche für Woche ändern sich die Konstellationen. Noch zur «Halbzeit» galt Mainz 05 als sicherer Kandidat auf den freien Fall. Bochums Abstieg schien besiegelt, als dritter Anwärter wurde neben Alemannia Aachen allenthalben Cottbus genannt. Doch Aachen gibt sich wenig Blössen, und Mainz hat sich zur erfolgreichsten Mannschaft der Rückrunde entwickelt - sechs Matches, fünf Siege, ein Remis. Der aus Bremen angeheuerte Goalgetter Zidan hat jetzt schon jeden Cent der Ablösesumme gerechtfertigt, sechs Treffer in den letzten drei Spielen sind der Indikator für den Aufschwung. In Cottbus setzt der kauzige Trainer Sander auf ausgeklügelte Taktik anstelle von sinnentleerten Durchhalteparolen, deren limitierte Wirksamkeit Doll im HSV erkennen musste. Die Ablösung durch den Niederländer Stevens führte die Mannschaft innert Wochen ins untere Mittelfeld. Koller hat mit dem VfL Bochum eine erstklassige Performance nach harter Hinrunde hingelegt; der Goalgetter Gekas sicherte dem Team etliche Punkte, und inzwischen wird auf den Tribünen nicht mehr nach der Entlassung des Trainers verlangt.
Hausgemachtes Dilemma
Die Arbeit eines Coachs, die langfristige Perspektiven auf Besserung verspricht, ist aber längst keine Garantie für den Ligaerhalt. Funkel, der in Frankfurt einen erstklassigen Job versieht, ist in den letzten Wochen vom Taumel erfasst worden, nach der Niederlage gegen den HSV ist sein Team Vorletzter. Bielefeld liess von Heesen, einen klugen Tüftler, an vereinsinternen Querelen scheitern - die Quittung könnte der Abstieg sein; ein Gedanke, mit dem sich das Mönchengladbacher Präsidium allmählich immer mehr vertraut macht: Mit dem einstigen Weltklasse-Coach Heynckes, einst in Madrid Champions-League-Sieger, fiel die Borussia Platz um Platz in der Tabelle. Die stilvolle Demission des Fussball-Lehrers, der für den Niederländer Luhukay wich, zeitigt noch keinen spürbaren Erfolg. So überwiegt am Niederrhein wie beinahe überall in Deutschland eine neue, ernüchternde Erkenntnis, die vor allem unter den Anhängern allerlei Betroffenheit auslöst: Die alte Mittelklasse ist die neue Abstiegs-Gesellschaft. Parallelen zu irgendwelchen gesellschaftlichen Entwicklungen sind übrigens rein zufällig.
Stefan Osterhaus
Allerorten Betroffenheit
Die Hälfte der Bundesliga-Klubs vom Abstieg bedroht
Die Bundesliga erlebt ein neues Phänomen. Schleichend hat es sich ausgebreitet, zwei Drittel aller Klubs durften binnen dieser Spielzeit schon einmal dieses nicht eben erbauliche Gefühl erfahren. Das Personal macht in Betroffenheit, was niemanden verwundert. Denn betroffen sind viele - vom Existenzkampf. Der HSV und Cottbus und Mönchengladbach sowieso. Mainz 05 immer noch und Arminia Bielefeld jetzt erst recht. Seit dem Wochenende ist Frankfurt mittendrin statt nur dabei, und wenn noch zwei, drei Spiele nicht so gut verlaufen, dann ist auch Wolfsburg wieder ein Teil der Zittergesellschaft. Auch Dortmund braucht nur noch zwei Matches ohne Sieg, um Teilhaber am grossen Nervenkrieg zu sein. Der Empfang dürfte rau, aber herzlich sein.
Wie in der zweiten Liga
Willkommen im Abstiegskampf. Beinahe jeder darf mitmachen. Von Platz 18 bis Platz 10 erstreckt sich die Zone derjenigen, die nachts nicht mehr allzu gut schlafen dürften. Ein Bild, das man nur aus der zweiten Liga gewohnt war, wo es zunächst einmal darum geht, die Spielberechtigung für das nächste Jahr zu erkämpfen. Jetzt liesse sich polemisch fragen: Ist die Bundesliga der Wurmfortsatz der zweiten Spielklasse? Es sieht danach aus. Doch es geht um noch viel mehr. Die Mittelklasse unter den Fussballklubs wird immer kleiner. Sie wird marginalisiert. Dortmund, Hamburg und Mönchengladbach, Adressen mit Tradition und vielen Titeln im Briefkopf, kämpfen um die Sicherung des Erreichten. Nur die kleine Oberschicht, die aus Werder Bremen und dem FC Bayern besteht, hat wirklich Ruhe.
Im Kampf um den Erhalt geht es hart zur Sache. Woche für Woche ändern sich die Konstellationen. Noch zur «Halbzeit» galt Mainz 05 als sicherer Kandidat auf den freien Fall. Bochums Abstieg schien besiegelt, als dritter Anwärter wurde neben Alemannia Aachen allenthalben Cottbus genannt. Doch Aachen gibt sich wenig Blössen, und Mainz hat sich zur erfolgreichsten Mannschaft der Rückrunde entwickelt - sechs Matches, fünf Siege, ein Remis. Der aus Bremen angeheuerte Goalgetter Zidan hat jetzt schon jeden Cent der Ablösesumme gerechtfertigt, sechs Treffer in den letzten drei Spielen sind der Indikator für den Aufschwung. In Cottbus setzt der kauzige Trainer Sander auf ausgeklügelte Taktik anstelle von sinnentleerten Durchhalteparolen, deren limitierte Wirksamkeit Doll im HSV erkennen musste. Die Ablösung durch den Niederländer Stevens führte die Mannschaft innert Wochen ins untere Mittelfeld. Koller hat mit dem VfL Bochum eine erstklassige Performance nach harter Hinrunde hingelegt; der Goalgetter Gekas sicherte dem Team etliche Punkte, und inzwischen wird auf den Tribünen nicht mehr nach der Entlassung des Trainers verlangt.
Hausgemachtes Dilemma
Die Arbeit eines Coachs, die langfristige Perspektiven auf Besserung verspricht, ist aber längst keine Garantie für den Ligaerhalt. Funkel, der in Frankfurt einen erstklassigen Job versieht, ist in den letzten Wochen vom Taumel erfasst worden, nach der Niederlage gegen den HSV ist sein Team Vorletzter. Bielefeld liess von Heesen, einen klugen Tüftler, an vereinsinternen Querelen scheitern - die Quittung könnte der Abstieg sein; ein Gedanke, mit dem sich das Mönchengladbacher Präsidium allmählich immer mehr vertraut macht: Mit dem einstigen Weltklasse-Coach Heynckes, einst in Madrid Champions-League-Sieger, fiel die Borussia Platz um Platz in der Tabelle. Die stilvolle Demission des Fussball-Lehrers, der für den Niederländer Luhukay wich, zeitigt noch keinen spürbaren Erfolg. So überwiegt am Niederrhein wie beinahe überall in Deutschland eine neue, ernüchternde Erkenntnis, die vor allem unter den Anhängern allerlei Betroffenheit auslöst: Die alte Mittelklasse ist die neue Abstiegs-Gesellschaft. Parallelen zu irgendwelchen gesellschaftlichen Entwicklungen sind übrigens rein zufällig.
Stefan Osterhaus