«Bafana Bafana» und das Warten auf ein Wunder
Verfasst: 27.12.2006, 12:48
«Bafana Bafana» und das Warten auf ein Wunder
Brasilianische Anschubhilfe durch Coach Carlos Parreira für Südafrikas Fussballteam
fu. Somerset West, Ende Dezember
Die Fussball-WM 2006 ist Geschichte. Die Analysen sind gemacht, die Bücher geschrieben. Das nächste Turnier, Mitte 2010, das erste in Afrika, wirft schon Schatten voraus. Als erster Teilnehmer steht Südafrikas Nationalteam fest. Doch die sogenannte Bafana Bafana steckt mitten in einer tiefen Krise. Um sie daraus herauszuführen, hat der nationale Verband mit fürstlicher Gage und weitreichenden Kompetenzen den brasilianischen Coach Carlos Alberto Parreira verpflichtet. Er, der die WM 2006 nicht in bester Erinnerung hat, soll die Fussballbegeisterung am Kap neu entfachen. Eine Aufgabe, die das hiesige Fussballmagazin «Soccer Life» mit dem Schreiten über Wasser vergleicht.
13 Coachs innert 15 Jahren
Die Nationalcoachs gaben sich in den letzten 15 Jahren die Türfalle in die Hand. 13 waren es, die an der Aufgabe scheiterten, den Bettel hinwarfen oder vorzeitig entlassen wurden. Es waren durchaus bewährte Fachleute darunter: Clive Barker, der es am längsten aushielt, Philippe Troussier oder Ted Dimitru, der Anfang Jahr am African Nations Cup (vergleichbar mit der Europameisterschaft) einsprang, nach drei Spielen und drei Niederlagen, ohne Punkt oder erzieltes Tor als Gruppenletzter für Spott und Hohn aber nicht sorgen musste. In einem Moment überdies, in dem die Qualifikation für die WM-Endrunde in Deutschland auch schon verspielt war. Der Fussball ist in Südafrika nicht farbenblind. In der PSL, der Premier Soccer League, spielen 16 Teams von recht unterschiedlicher Stärke. Am schönsten Ende der Welt sind nur Johannesburg und Pretoria «Fussballstädte». In den Mannschaften sind Spieler weisser Hautfarbe sehr selten. Die Weissen bevorzugen Rugby und Cricket. Mit Ausnahme des Soweto-Derbys zwischen den Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates, und beim Auftreten des Meisters Mamelodi Sundowns in Pretoria, nehmen sich auch die Zuschauerzahlen bescheiden aus, die Gegentribünen sind oft gähnend leer. Den Partien fehlt es nicht an Unterhaltungswert, jeder versucht am Ball technische Fähigkeiten zu zeigen. Das kostet Zeit und erlaubt dem Gegner, die Verteidigungspositionen zu beziehen. Weil die Trainer Disziplin fordern und die Stürmer in die Pflicht nehmen, sich auch defensiv zu betätigen, leiden Kreativität und Risikofreude darunter. In den 30 Metern dies- und jenseits der Mittellinie bleibt wenig Raum und Zeit. Pressing und das Stellen von Abseitsfallen führten oft zu einer Art von Rasenschach. Dass so die Tore Mangelware sind, versteht sich. Nur der Meister erzielte in 30 Spielen mehr als 40 Tore. Und die Ausnahmekönner von internationalem Format fehlen spürbar.
Auch unter den Auslandprofis ist die Auswahl klein. Shaun Bartlett, im Jahr 2000 Torschütze beim Cup-Sieg des FC Zürich gegen Lausanne- Sports, später sechs Jahre bei Charlton Athletics in London, hält mit 74 Länderspielen und 29 Toren zwei Rekorde. Er ist schon 34 Jahre alt und auf diese Saison hin zu den Kaizer Chiefs in Johannesburg zurückgekehrt - mit bescheidenen Leistungen. Benni McCarthy, ein anderer Leistungsträger, ist, von Ajax kommend, bei den Blackburn Rovers gelandet. Und Quinton Fortune, von Manchester United an die Bolton Wanderers abgeschoben, hat sich nie um das Nationalteam gekümmert.
Buckley einer der besten Torschützen
Für die nähere Zukunft, das heisst die Qualifikation für den Afrikacup 2008 unter Carlos Alberto Parreira, bleibt der 26-jährige Steven Pienaar erster Hoffnungsträger. Er ist von Ajax Amsterdam nun zu Borussia Dortmund gestossen und führt dort Regie. Anderseits verabschiedete sich Delron Buckley von den Borussen und spielt nun im FC Basel. Zusammen mit Sibusiso Zuma (Arminia Bielefeld) gehört er zu den besten Torschützen des Nationalteams. Mit dem Verteidiger Aaron Mokoena, der jetzt in Athen bei Panathinaikos engagiert ist, sollen die vorgenannten Stammspieler das Gerippe einer verjüngten Nationalauswahl bilden.
Für die Bafana Bafana wird in dreieinhalb Jahren das Überstehen der WM-Gruppenspiele vorrangiges Ziel sein. Derzeit halten dies Kenner der südafrikanischen Fussballszene für ein Hirngespinst. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Sie ruht jetzt auf dem berühmten brasilianischen Coach. Das eingangs genannte Fussballmagazin aus Johannesburg setzte kürzlich seinen Situationsbericht unter den Titel: «Es kann nur in Tränen enden».
27. Dezember 2006, Neue Zürcher Zeitung
Brasilianische Anschubhilfe durch Coach Carlos Parreira für Südafrikas Fussballteam
fu. Somerset West, Ende Dezember
Die Fussball-WM 2006 ist Geschichte. Die Analysen sind gemacht, die Bücher geschrieben. Das nächste Turnier, Mitte 2010, das erste in Afrika, wirft schon Schatten voraus. Als erster Teilnehmer steht Südafrikas Nationalteam fest. Doch die sogenannte Bafana Bafana steckt mitten in einer tiefen Krise. Um sie daraus herauszuführen, hat der nationale Verband mit fürstlicher Gage und weitreichenden Kompetenzen den brasilianischen Coach Carlos Alberto Parreira verpflichtet. Er, der die WM 2006 nicht in bester Erinnerung hat, soll die Fussballbegeisterung am Kap neu entfachen. Eine Aufgabe, die das hiesige Fussballmagazin «Soccer Life» mit dem Schreiten über Wasser vergleicht.
13 Coachs innert 15 Jahren
Die Nationalcoachs gaben sich in den letzten 15 Jahren die Türfalle in die Hand. 13 waren es, die an der Aufgabe scheiterten, den Bettel hinwarfen oder vorzeitig entlassen wurden. Es waren durchaus bewährte Fachleute darunter: Clive Barker, der es am längsten aushielt, Philippe Troussier oder Ted Dimitru, der Anfang Jahr am African Nations Cup (vergleichbar mit der Europameisterschaft) einsprang, nach drei Spielen und drei Niederlagen, ohne Punkt oder erzieltes Tor als Gruppenletzter für Spott und Hohn aber nicht sorgen musste. In einem Moment überdies, in dem die Qualifikation für die WM-Endrunde in Deutschland auch schon verspielt war. Der Fussball ist in Südafrika nicht farbenblind. In der PSL, der Premier Soccer League, spielen 16 Teams von recht unterschiedlicher Stärke. Am schönsten Ende der Welt sind nur Johannesburg und Pretoria «Fussballstädte». In den Mannschaften sind Spieler weisser Hautfarbe sehr selten. Die Weissen bevorzugen Rugby und Cricket. Mit Ausnahme des Soweto-Derbys zwischen den Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates, und beim Auftreten des Meisters Mamelodi Sundowns in Pretoria, nehmen sich auch die Zuschauerzahlen bescheiden aus, die Gegentribünen sind oft gähnend leer. Den Partien fehlt es nicht an Unterhaltungswert, jeder versucht am Ball technische Fähigkeiten zu zeigen. Das kostet Zeit und erlaubt dem Gegner, die Verteidigungspositionen zu beziehen. Weil die Trainer Disziplin fordern und die Stürmer in die Pflicht nehmen, sich auch defensiv zu betätigen, leiden Kreativität und Risikofreude darunter. In den 30 Metern dies- und jenseits der Mittellinie bleibt wenig Raum und Zeit. Pressing und das Stellen von Abseitsfallen führten oft zu einer Art von Rasenschach. Dass so die Tore Mangelware sind, versteht sich. Nur der Meister erzielte in 30 Spielen mehr als 40 Tore. Und die Ausnahmekönner von internationalem Format fehlen spürbar.
Auch unter den Auslandprofis ist die Auswahl klein. Shaun Bartlett, im Jahr 2000 Torschütze beim Cup-Sieg des FC Zürich gegen Lausanne- Sports, später sechs Jahre bei Charlton Athletics in London, hält mit 74 Länderspielen und 29 Toren zwei Rekorde. Er ist schon 34 Jahre alt und auf diese Saison hin zu den Kaizer Chiefs in Johannesburg zurückgekehrt - mit bescheidenen Leistungen. Benni McCarthy, ein anderer Leistungsträger, ist, von Ajax kommend, bei den Blackburn Rovers gelandet. Und Quinton Fortune, von Manchester United an die Bolton Wanderers abgeschoben, hat sich nie um das Nationalteam gekümmert.
Buckley einer der besten Torschützen
Für die nähere Zukunft, das heisst die Qualifikation für den Afrikacup 2008 unter Carlos Alberto Parreira, bleibt der 26-jährige Steven Pienaar erster Hoffnungsträger. Er ist von Ajax Amsterdam nun zu Borussia Dortmund gestossen und führt dort Regie. Anderseits verabschiedete sich Delron Buckley von den Borussen und spielt nun im FC Basel. Zusammen mit Sibusiso Zuma (Arminia Bielefeld) gehört er zu den besten Torschützen des Nationalteams. Mit dem Verteidiger Aaron Mokoena, der jetzt in Athen bei Panathinaikos engagiert ist, sollen die vorgenannten Stammspieler das Gerippe einer verjüngten Nationalauswahl bilden.
Für die Bafana Bafana wird in dreieinhalb Jahren das Überstehen der WM-Gruppenspiele vorrangiges Ziel sein. Derzeit halten dies Kenner der südafrikanischen Fussballszene für ein Hirngespinst. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Sie ruht jetzt auf dem berühmten brasilianischen Coach. Das eingangs genannte Fussballmagazin aus Johannesburg setzte kürzlich seinen Situationsbericht unter den Titel: «Es kann nur in Tränen enden».
27. Dezember 2006, Neue Zürcher Zeitung