Peter Neururer gibt es gar nicht - Mechanismen des Marktes
Verfasst: 22.12.2006, 15:49
Peter Neururer gibt es gar nicht
Von Eberhard Spohd
Die schlechten Sitten in der Bundesliga verfallen mehr und mehr: Der HSV hält trotz sportlicher Talfahrt an seinem Trainer fest, die ebenfalls abstiegsbedrohten Gladbacher lassen Jupp Heynckes freie Hand. Und wer ist schuld? Peter Neururer, obwohl er eigentlich nur ein Gespenst ist.
Peter Neururer gibt es eigentlich gar nicht. Er existiert nur in Pressemitteilungen von Fußballvereinen im Profibereich: "Der Vorstand hat dem Trainer sein volles Vertrauen ausgesprochen. Wir dementieren hiermit, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zu Peter Neururer bestand." Oder zu Hannes Bongartz. Oder zu Jörg Berger. Oder zu Bernd Krauss. Oder zu Uwe Rapolder.
Es ist auch ein Kreuz mit den armen Menschen, die dazu verdammt sind, Proficlubs den Erfolg zu bringen. Dabei ist das im Moment nicht schwer: Selbst mit einer durchschnittlich begabten Mannschaft kann ein mittelmäßiger Coach in der Bundesliga im oberen Mittelfeld landen und auf einen Uefa-Cup-Platz lauern. Doch leider werden solche "Potenziale" häufig "nicht abgerufen", vormals hoch gelobte Vereine gelten plötzlich als "Underperformer". Denken wir nur an Borussia Mönchengladbach mit dem einstigen Erfolgstrainer Jupp Heynckes oder den Hamburger SV, mit dem es schneller abwärts ging als mit einem Viererbob im Eiskanal.
Dennoch müssen sich Heynckes und HSV-Trainer Thomas Doll nicht vor dem Gang zur Arbeitsagentur fürchten und dürfen ihre Versager auf jeden Fall noch durch die Vorbereitung peitschen. Wobei die Hamburger sogar darum bettelten. "120 Prozent" stehe die Mannschaft hinter Doll. Sie sei an allem schuld und der Trainer könne nichts dafür. Bastian Reinhardt, der durch ein fantastisches Eigentor in letzter Minute auf dem Aachener Tivoli den möglichen zweiten HSV-Sieg der Saison verhinderte (3:3), ist richtiggehend froh, nicht zum Königsmörder geworden zu sein.
Heynckes setzt sogar noch einen drauf und ließ via "Kölner Express" wissen, dass er nach dem Absturz seines Teams auf den drittletzten Platz "67 Stunden lang mit sich gerungen" habe, bis er "Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers sowie Sportdirektor Peter Pander um 16.58 persönlich mitteilte: ,Ich mache weiter!'" So etwas gab es noch nie. Normalerweise müssten doch in so einem Fall die "Mechanismen des Marktes" greifen und Heynckes in hohem Bogen rausfliegen. Stattdessen ist seine Position stabiler als vorher.
In Dortmund wiederum liegt die Sache noch einmal ganz anders. Dort wollten die Fans den Trainer nicht mehr und arbeiteten Woche für Woche lautstark an seinem Rauswurf. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke übermittelte einen Tag nach dem letzten Vorrundenspiel gegen Leverkusen (1:2) nur noch die traurige Nachricht. Doch traut man dem Nachfolger des geschassten Bert van Marwijk nun von vornherein nicht über den Weg. Jürgen Röber bekam einen Vertrag bis zum Saisonende und soll offensichtlich nur helfen, das Schiff einigermaßen über Wasser zu halten, bis ein vernünftiger Nachfolger gefunden ist. Nennen wir ihn pro forma mal Käpt'n von Heesen.
Und über Köln und den Hang zur Selbstübersteigerung und -überschätzung soll hier kein Wort mehr verloren werden.
Wer aber ist schuld an all diesen Auswüchsen? Es ist natürlich Peter Neururer. Auch wenn er gar nicht existiert, meldet sich immer dann ein Geist aus der Vergangenheit zu Wort, wenn ein Trainerstuhl verwaist. "Neururer", wispert es dann aus allen Ecken. Eine andere Stimme flüstert: "Feuerwehrmann." Jemand sei "im Gespräch". Immer mehr Namen fallen: "Rapolder, Berger, Bongartz, Schäfer, Krautzun, Schafstall." Es ist wie in einem Albtraum, und spätestens bei den letzten Namen wacht der Präsident schweißgebadet auf und schwört sich, lieber dem aktuellen Trainer bis in die Regionalliga die Treue zu halten, als mit einem längst verrenteten Pöbler vor die Presse treten zu müssen und ihn als Wundermittelchen gegen Erfolglosigkeit zu präsentieren.
Dabei ist er einfach nur feige. Keiner der abstiegsbedrohten Bundesligisten nämlich traut sich, frisches Blut in die Liga zu holen. Niemand kommt auf die Idee, mal beim Karlsruher SC nachzufragen, ob denn Ede Becker gegen ein entsprechendes Entgelt zu bekommen wäre und der Trainer des Tabellenführers der Zweiten Bundesliga vielleicht sein Konzept schon Anfang 2007 in der Ersten verwirklicht wissen will.
Keiner erkundigt sich, warum Herr Wormuth denn beim Regionalligisten VfR Aalen gefeuert wurde und ob der nicht trotzdem ein passabler Ersatz für eine der demnächst sicherlich doch vakanten Stellen wäre. Zeit hätte er auf jeden Fall im Moment, und mehr als absteigen kann man mit dem Erstliganeuling jedenfalls auch nicht. Da braucht man kein teures Trainergespenst aus der Vergangenheit zu verpflichten.
quelle: spiegel
Von Eberhard Spohd
Die schlechten Sitten in der Bundesliga verfallen mehr und mehr: Der HSV hält trotz sportlicher Talfahrt an seinem Trainer fest, die ebenfalls abstiegsbedrohten Gladbacher lassen Jupp Heynckes freie Hand. Und wer ist schuld? Peter Neururer, obwohl er eigentlich nur ein Gespenst ist.
Peter Neururer gibt es eigentlich gar nicht. Er existiert nur in Pressemitteilungen von Fußballvereinen im Profibereich: "Der Vorstand hat dem Trainer sein volles Vertrauen ausgesprochen. Wir dementieren hiermit, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zu Peter Neururer bestand." Oder zu Hannes Bongartz. Oder zu Jörg Berger. Oder zu Bernd Krauss. Oder zu Uwe Rapolder.
Es ist auch ein Kreuz mit den armen Menschen, die dazu verdammt sind, Proficlubs den Erfolg zu bringen. Dabei ist das im Moment nicht schwer: Selbst mit einer durchschnittlich begabten Mannschaft kann ein mittelmäßiger Coach in der Bundesliga im oberen Mittelfeld landen und auf einen Uefa-Cup-Platz lauern. Doch leider werden solche "Potenziale" häufig "nicht abgerufen", vormals hoch gelobte Vereine gelten plötzlich als "Underperformer". Denken wir nur an Borussia Mönchengladbach mit dem einstigen Erfolgstrainer Jupp Heynckes oder den Hamburger SV, mit dem es schneller abwärts ging als mit einem Viererbob im Eiskanal.
Dennoch müssen sich Heynckes und HSV-Trainer Thomas Doll nicht vor dem Gang zur Arbeitsagentur fürchten und dürfen ihre Versager auf jeden Fall noch durch die Vorbereitung peitschen. Wobei die Hamburger sogar darum bettelten. "120 Prozent" stehe die Mannschaft hinter Doll. Sie sei an allem schuld und der Trainer könne nichts dafür. Bastian Reinhardt, der durch ein fantastisches Eigentor in letzter Minute auf dem Aachener Tivoli den möglichen zweiten HSV-Sieg der Saison verhinderte (3:3), ist richtiggehend froh, nicht zum Königsmörder geworden zu sein.
Heynckes setzt sogar noch einen drauf und ließ via "Kölner Express" wissen, dass er nach dem Absturz seines Teams auf den drittletzten Platz "67 Stunden lang mit sich gerungen" habe, bis er "Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers sowie Sportdirektor Peter Pander um 16.58 persönlich mitteilte: ,Ich mache weiter!'" So etwas gab es noch nie. Normalerweise müssten doch in so einem Fall die "Mechanismen des Marktes" greifen und Heynckes in hohem Bogen rausfliegen. Stattdessen ist seine Position stabiler als vorher.
In Dortmund wiederum liegt die Sache noch einmal ganz anders. Dort wollten die Fans den Trainer nicht mehr und arbeiteten Woche für Woche lautstark an seinem Rauswurf. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke übermittelte einen Tag nach dem letzten Vorrundenspiel gegen Leverkusen (1:2) nur noch die traurige Nachricht. Doch traut man dem Nachfolger des geschassten Bert van Marwijk nun von vornherein nicht über den Weg. Jürgen Röber bekam einen Vertrag bis zum Saisonende und soll offensichtlich nur helfen, das Schiff einigermaßen über Wasser zu halten, bis ein vernünftiger Nachfolger gefunden ist. Nennen wir ihn pro forma mal Käpt'n von Heesen.
Und über Köln und den Hang zur Selbstübersteigerung und -überschätzung soll hier kein Wort mehr verloren werden.
Wer aber ist schuld an all diesen Auswüchsen? Es ist natürlich Peter Neururer. Auch wenn er gar nicht existiert, meldet sich immer dann ein Geist aus der Vergangenheit zu Wort, wenn ein Trainerstuhl verwaist. "Neururer", wispert es dann aus allen Ecken. Eine andere Stimme flüstert: "Feuerwehrmann." Jemand sei "im Gespräch". Immer mehr Namen fallen: "Rapolder, Berger, Bongartz, Schäfer, Krautzun, Schafstall." Es ist wie in einem Albtraum, und spätestens bei den letzten Namen wacht der Präsident schweißgebadet auf und schwört sich, lieber dem aktuellen Trainer bis in die Regionalliga die Treue zu halten, als mit einem längst verrenteten Pöbler vor die Presse treten zu müssen und ihn als Wundermittelchen gegen Erfolglosigkeit zu präsentieren.
Dabei ist er einfach nur feige. Keiner der abstiegsbedrohten Bundesligisten nämlich traut sich, frisches Blut in die Liga zu holen. Niemand kommt auf die Idee, mal beim Karlsruher SC nachzufragen, ob denn Ede Becker gegen ein entsprechendes Entgelt zu bekommen wäre und der Trainer des Tabellenführers der Zweiten Bundesliga vielleicht sein Konzept schon Anfang 2007 in der Ersten verwirklicht wissen will.
Keiner erkundigt sich, warum Herr Wormuth denn beim Regionalligisten VfR Aalen gefeuert wurde und ob der nicht trotzdem ein passabler Ersatz für eine der demnächst sicherlich doch vakanten Stellen wäre. Zeit hätte er auf jeden Fall im Moment, und mehr als absteigen kann man mit dem Erstliganeuling jedenfalls auch nicht. Da braucht man kein teures Trainergespenst aus der Vergangenheit zu verpflichten.
quelle: spiegel