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Wenn Spielpraxis zum Fremdwort wird

Verfasst: 07.11.2006, 00:11
von bulldog™
Wenn Spielpraxis zum Fremdwort wird
quelle:BaZ.ch

SCHWEIZER FUSSBALL-NATIONALSPIELER HABEN IN IHREN CLUBS ZUM TEIL EINEN SCHWEREN STAND
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Nichts Neues für den Trainer. Köbi Kuhn und ausgeruhte Nationalspieler. Foto Keystone

Christoph Kieslich

Nicht im Aufgebot - diesen Zusatz trugen am Wochenende wieder etliche Namen von Schweizer Nationalspielern, die im Ausland ihr Geld verdienen. Nun sind auch Pascal Zuberbühler und Johann Vogel aus den Traktanden gefallen.

Für Nationaltrainer Köbi Kuhn ist die Situation kurz vor der Selektion eines Aufgebots für das Länderspiel gegen Brasilien nicht neu. Auch wenn der Schweizer Qualitätsfussballer im europäischen Raum mittlerweile einen ausgezeichneten Ruf geniesst und sowohl Gestandene wie auch Blutjunge der heimischen Super League fast vollständig den Rücken gekehrt haben, so gibt es an den Honigtöpfen der grossen Ligen vor allem eines nicht:irgendwelche Stammplatzgarantien.
In Sevilla hat die prekäre Tabellensituation von Betis Nationalmannschaftscaptain Johann Vogel den Platz gekostet - nach vier Punkten aus neun Spielen nominierte ihn Javier Irureta nicht für das Spiel bei Villareal. «Die Entscheidung des Trainers» nennt man solche Nichtberücksichtigungen. Geholfen hat es nicht:Trainer-Oldie Irureta verlor sein 600. Spiel in der Primera Division - und Vogel kann sich höchstens damit trösten, dass es irgendwie egal ist, ob er nun bei der ACMilan oder bei Betis nicht zum Einsatz kommt.

Tribünenplatz. Ein bisschen anders verhält es sich bei Pascal Zuberbühler. Der 35-Jährige war es sich gewohnt, als Nummer 1 gesetzt zu sein - zuletzt beim FCBasel wie auch im Nationalteam. Für seinen neuen Verein West Bromwich Albion war er diese Saison im dichten Programm einer 24er-Liga ebenfalls im Dauereinsatz (bis auf ein Ligacupspiel) - bis Samstag. Da beorderte der erst vor kurzem installierte neue Trainer Tony Mowbray seine Nummer 2, Russell Hoult, zwischen die Pfosten. Eine gewagte Option, da Hoult 18 Monate lang keinen Ernstkampf mehr bestritten hatte.

Für Zuberbühler, der mit dem Ruf eines WM-Goalies ohne Gegentor nach England gekommen war, blieb nur ein Platz auf der Tribüne. «Ich hätte damit keine Probleme gehabt, aber der Trainer sagte mir, ich sei kein Mann für die Ersatzbank.» Zuberbühler war einerseits ein schlechter Abend gegen die Queens Park Rangers vor Wochenfrist zum Nachteil geraten, andererseits hatte sich die Kritik von aussen, im besonderen der Fans, zugespitzt. Sie begleiteten seine Aktionen zuletzt mit zynischem Beifall.
«Ich habe es gar nicht so extrem empfunden», sagt Zuberbühler, «wenn man am 3:3 schuld ist, und das Tor nehme ich auf meine Kappe, dann ist man halt der Depp - das kenne ich ja.» Trainer Mowbray jedoch tat das, was ihm die «Birmingham Mail» ans Herz gelegt hatte:«Zuberbühler sollte besser aus der Schusslinie genommen werden.»

Vorfreude. Genutzt hat es nicht: West Brom verlor das Spiel bei Derby County, Zuberbühlers Perspektiven jedoch sind noch nicht genau abzuschätzen. «Ich mache mir noch keinen Kopf», sagt Zuberbühler, «ich werde im Training Gas geben, mal schauen, wer am Samstag spielt, und dann freue ich mich auf die Nationalmannschaft.»

Das geht einer ganzen Reihe von Teamkollegen genauso. Vor allem in der Defensive ist Spielpraxis derzeit ein Fremdwort: Müller, Senderos, Grichting und Magnin drücken die Bank, und Djourou fiel zuletzt ganz aus dem Aufgebot heraus. Im Aufbau ist Behrami dauerverletzt, Wicky und Gygax fallen aus, David Degen ist über die Reservistenrolle noch nicht herausgekommen, und Barnetta oder Yakin erreichen in ihren Clubs derzeit nicht das erwünschte Rendement. Im Angriff hat sich ein nervenstarker Alex Frei mit seinem Last-Minute-Tor für Dortmund seinem Nationaltrainer als sicherer Schütze vom Punkt empfohlen und Marco Streller sich mit zwei Toren in Erinnerung gebracht.
Köbi Kuhn wird mit diesem Mangel an Spielpraxis umgehen wie immer: versuchen, das Beste daraus zu machen.