Landhof - der Nimbus einer Fussballstätte
WAS WIRD AUS DEM EINSTIGEN FCB-STADION? DIE PLÄNE ZUR ÜBERBAUUNG WECKEN ERINNERUNGEN

Vor der Landhof-Kulisse. «Goldfiessli» Seppe Hügi beim Torschuss in den fünfziger Jahren. Foto Kurt Baumli/Sportmuseum Schweiz
Ewald Billerbeck
Das Baudepartement plant, die alte FCB-Spielstätte im Kleinbasel teilweise zu überbauen. Dagegen regt sich Widerstand. Die Grünen haben inzwischen eine Initiative lanciert. Egal, ob man zu den Gegnern oder Befürwortern der geplanten Überbauung zählt -der Landhof sah glorreiche Zeiten.
Hin und her, der Ball geht hin und her, vom Vater zum Sohn zum Vater zum Sohn, ein familiäres Spielchen zum Sonntagsvertreib, Innenrist, Aussenrist, Volley direkt abgenommen, hin und her, Körpertäuschung nach links, den Ball rechts vorbei, das hat der Knirps im Ronaldinho-Leibchen Nummer 10 gut drauf, er weiss es. Vater und Sohn beim Landhof, nicht drinnen, draussen vor dem verschlossenen Tor. Manchmal läuft der Bub zum Gitter und blickt ins Stadion. Der satte Rasen ist gut im Schuss, Fussballtore stehen herum. Vielleicht weiss er, dass hier immer noch gespielt wird, vielleicht macht er selbst mit bei den «Landhof-Kidzz».
Er blickt hinüber zu den überwucherten Stehrampen, zur vergilbten Match-Uhr zwischen den Bäumen. Vielleicht weiss er, dass hier gebaut werden soll. Kickt den Ball an die Tribünenmauer, trifft fast das verwitterte «Cigares» über einem gewesenen Kiosk, bevor sich der Ball zwischen den verwaisten Kassenhäuschen verirrt.
kein hexenkessel. Hier war ich auch, damals mit den hereinströmenden Menschen, das Ticket im Sack, die Brissago für Vater gekauft. Er hatte drinnen seinen Platz bereits eingenommen, Stehrampe, immer Stehrampe Mitte, immer neben dem Dicken mit dem Stumpen. Wir Buben lungerten noch draussen herum, denn hinter der Tribüne spielten sich die Mannschaften ein. Innenrist, Aussenrist, Volley direkt genommen, jonglieren links rechts, Fuss-Kopf-Brust und wieder auf den Fuss abtropfen lassen. Das hatten wir noch nicht drauf. Dann rein ins auftönende Stadion zwischen den Wohnblöcken, daheim beim FCB auf dem Landhof hinter der Muba. Kein Hexenkessel, weil nicht als Kessel gebaut. Drei Eingänge, 18 Kassen, 10000 auf den Rampen, Hügi I und Hügi II. Und aus den Fenstern der Wohnhäuser ringsum schauten sie gratis herunter. Dort hätten wir gern gewohnt.
«Wir werden im Nu wieder einen Acker haben», sagte Vaters Kollege mit dem Stumpen angesichts des vom Regen durchtränkten Rasens; und wenn er «wieder» sagte, war klar, dass jetzt, während die Zuschauer aufgeräumt auf den Anpfiff warteten, die Geschichten über den Landhof von einst kommen würden. Ja, ein Acker sei es verglichen mit heute gewesen, in einem noch offenen Feld, als damals kurz nach der Vereinsgründung im November 1893 der FCB hier zu spielen begann. Eine wechselvolle Anfangszeit, in der die Fussballer oft auf andere Plätze ausweichen mussten, auf die Schützenmatte, zum Gaswerk oder gar auf den Peterskirchplatz. 1885 wurde auf dem Landhof eine Radrennbahn gebaut. An der Eröffnung trat auch ein gewisser William Cody auf, genannt Buffalo Bill. Mit seiner Westernshow auf Europatournee, liess er Mustangreiter gegen die Rennfahrer antreten. Die Rosse verloren gegen die Velos (eine Lieblingsanekdote des Stumpens).
denkwürdige spiele. Dann diente das Spielfeld eine Zeit lang als Kegelbahn, bis der FCB 1902 ständiges Gastrecht erhielt. Der Landhof wurde für Jahrzehnte sein Heimstadion, und von der 1908 gebauten Tribüne aus erlebten die Zuschauer nicht nur die Höhen und Tiefen ihres Clubs, sondern früh schon auch Länderspiele zwischen der Schweiz und Deutschland, England (9:0-Schlappe 1909) und Österreich. Der Landhof sah Schweizer Leichtathletik-Meisterschaften und zuvor, 1911, die denkwürdigen «englischen Spiele», als die Berufsfussballer von Newcastle United und Celtic Glasgow hier dem Basler Club ein Goal ums andere in den Kasten setzten (aus dem Munde des Stumpens waren es Lehrjahre, aber einen Grümpel hätten sie schon damals nicht gespielt).
Nach dem Krieg, Ende der 1940er Jahre, übernahm eine Immobilien AG die Sportanlage für den FCB. Der Landhof, bereits 1924 umgebaut, wurde komplett neu gestaltet und ausgebaut, für über 13000 Zuschauer, mit der heutigen Tribüne und den Clubräumlichkeiten. Die Basler Zeitungen feierten die Eröffnung im August 1951 mit Sonderseiten und Lokalstolz: «Der gute Geist des alten Landhofs lebt weiter.» Oder: «Hinter diesem machtvollen Äusseren steht ein gesunder sportlicher Geist.»
Sozusagen historisch. Nur wenige Jahre danach richtete sich der Blick nach St. Jakob, wo auf die Fussball-WM 1954 in der Schweiz hin ein neues Basler Stadion entstand. Die «Joggeli»-Ära, die Mitte der Sechziger unter dem Erfolgstrainer Benthaus so richtig beginnen sollte, zeichnete sich bereits ab. Es gab Spiele hüben und drüben. Der Landhof aber, ob als Clubzentrum, Trainingsfeld oder Juniorenplatz in späteren Jahren, behielt für uns den Nimbus der heimischen Fussballstätte im Kleinbasler Wohnviertel - der schönste Hinterhof für Fussballträume.
Viel später, wenn wir uns irgendwo zu einem Plauschmätschli zwischen alten Kollegen trafen, spielten wir in der Pause das Ratespiel «Waisch no uff em Landhof?». Zum Beispiel am 7. Juni 1953? Natürlich: FCB-Servette, eins zu null, und damit erstmals eine Basler Mannschaft Schweizer Meister. Niggi, das wandelnde Fan-Lexikon, wusste alles über jenes Fussballfest: Bei Servette Parlier im Goal, «mit einer Glanzpartie»; beim FCB Müller, dann Bopp und Mogoy in der Verteidigung, im Aufbau Redolfi, Weber, Maurer, vorne Bannwart, Bader, Hügi II (Seppe, das Goldfiessli), Hügi I (Hans, der Captain), Thalmann. Alle elf. Auf Pass von Seppe schoss Bannwart den Treffer; «vierunddreissigste Minute, in die rechte untere Ecke», ergänzte Niggi. Der Landhof im Jubel über die erste Meisterschaft des Heimclubs.
Niggi erinnerte sich auch an das letzte Meisterschaftsspiel auf dem Platz: «Herbst siebenundsechzig, Basel schlägt die Zürcher Young Fellows einsnull, durch schönen Fallrückzieher des 19-jährigen Otto Demarmels, halbhoch direkt genommen.» Und Niggi ergänzte: «Sozusagen historisch.»
Nach der Pause und den Erinnerungen kickten wir noch ein bisschen vor dem Tor herum. Innenrist, Aussenrist, hin und her, der Volleyschuss hiess immer noch «Vollerist», jonglieren ging immer noch leidlich. Aber den Fallrückzieher? Nein, den hatten wir nie und nimmer drauf.
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