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«Ziel muss der Achtelfinal sein»

Verfasst: 02.06.2006, 00:30
von bulldog™
quelle:BaZ.ch

«Ziel muss der Achtelfinal sein»

DIE SICHT DES GESPERRTEN MÜNCHENSTEINERS BENJAMIN HUGGEL KURZ VOR DEM WM-START
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INTERVIEW:MARCELROHR

Sandstrand statt WM-Feeling: Der gesperrte Schweizer Nationalspieler Benjamin Huggel (28) blickt auf ein turbulentes Jahr zurück und erklärt, wie er gelernt hat, mit dem harten Fifa-Urteil umzugehen.

Mittwoch, 16. November 2005 in Istanbul. Eine Nacht, die der Ex-FCB-Spieler nie mehr vergessen wird. Im Anschluss an das WM-Barrage-Spiel gegen die Türkei kommt es im Sükrü-Saraçoglu-Stadion noch auf dem Platz zu wilden Raufereien. Auch Benjamin Huggel ist betroffen. TV-Bilder entlarven ihn später als einen der Haupttäter. Die Fifa greift hart durch, sie sperrt den Münchensteiner für sechs Spiele und lehnt dessen Rekurs ab. Damit verpasst Huggel die Teilnahme an der WM, eventuell auch die EM 2008 im eigenen Land.

baz: Die WM rückt näher. Sind Sie deshalb in die Ferien nach Spanien geflüchtet?

BENJAMIN HUGGEL: Nein, überhaupt nicht. Nach dem Saisonende in der Bundesliga gabs mit Frankfurt noch eine Tingeltour über Land mit Testspielen. Seither geniesse ich die Ferien, und wir wollten gleich zu Beginn zwei Wochen ans Meer.

Die Ferien fallen länger aus als auch schon …

Trainingsbeginn in Frankfurt ist erst am 3. Juli. Soviel Ferien hatte ich noch nie, seit ich Profi bin. Das ist eine schöne Entschädigung für die verpasste WM.

Was überwiegt: Die Freude, mit Frankfurt eine gute Saison gespielt zu haben - oder der Frust, bei der WM gesperrt zuschauen zu müssen?

Beides hat nichts miteinander zu tun. Ich bin froh, dass ich mit der Eintracht ein gutes Jahr hatte, obwohl es auch dort einige Täler zu durchschreiten gab.

Inwiefern?

Ich war lange beim FCBasel. Die Umstellung war gross: Neues Zuhause, neuer Verein, neuer Trainer. Das brauchte Zeit. Aber wir haben es gut hingekriegt.

Wenn Sie die Super League mit der Bundesliga vergleichen - wo liegt der Hauptunterschied?

Die Bundesliga ist athletischer, obwohl viele Kopfballduelle abgepfiffen werden. Die Schweizer Spieler aber werden in der Super League besser ausgebildet. Das kommt mir entgegen. Die Umstellung war schon eine extreme Horizonterweiterung.

Nach der Nacht von Istanbul wurden Sie von der Fifa für sechs Länderspiele gesperrt. Wie haben Sie dieses harte Verdikt mittlerweile weggesteckt?

Im ersten Moment fiel ich in eine extreme Enttäuschung. Ich bleibe dabei: Die Umstände, die zu den Raufereien geführt haben, wurden von der Fifa nicht berücksichtigt. Das ist mir bis heute unverständlich. Man glaubte mir nicht, dass ich Angst hatte. Aber es bringt nichts, wenn ich zurückschaue. Ich kann die Dinge nicht mehr ändern, ich kann nur meine Einstellung dazu ändern. Ich muss es hinnehmen, dass man mir bei der Fifa nicht geglaubt hat.

Ihr Rekurs wurde von der Fifa abgelehnt, nun bleibt Ihnen noch der Gang vor das Internationale Sportschiedsgericht (CAS) in Lausanne. Wie ist da der neueste Stand?

Mein Anwalt hat die notwendigen Papiere fristgemäss Ende Mai in Lausanne eingereicht. Nun warten wir ab, was passiert.

Wie eng ist der Kontakt mit den Schweizern Spielern im Camp?

Sehr eng. Ich telefoniere regelmässig mit Marco Streller und Christoph Spycher. Ich bin informiert und ich will nicht so tun, als ob die WM am anderen Ende der Welt stattfinden würde. Mir hilft das nichts.

Was erwarten Sie von den Schweizern?

Ich bin sicher, dass sie alles geben werden und einen Exploit schaffen. Dafür braucht es Glück und Detailarbeit. Das Ziel muss der Achtelfinal sein, aber allein das wird schwer genug.

Wo verfolgen Sie die WM?

In Stuttgart und Dortmund werde ich auf der Tribüne sitzen. Das Spiel gegen Südkorea analysiere ich für SFDRS.

Zurück bleibt der Blick auf ein turbulentes Jahr: Meister 2005 mit dem FCB, Transfer zu Frankfurt, die Nacht von Istanbul, Sperre, ein versöhnliches Bundesliga-Ende mit Frankfurt - was bleibt Ihnen unter dem Strich haften?

Aus menschlicher Sicht musste ich viel lernen. Fussballerisch dagegen muss ich abwarten; ich werde erst am Ende meiner Karriere sagen können, was mir das Jahr gebracht hat. Es war sicher sehr turbulent.



Benjamin Huggel neuer baz-Kolumnist

BASEL. Die Antwort auf die Frage kam schnell. «Gerne», sagte Benjamin Huggel, als er von der baz das Angebot vernahm, während des Turniers in Deutschland als WM-Kolumnist in Erscheinung zu treten. So wird der gesperrte Nationalspieler vor, aber auch in den Tagen nach den Spielen der Schweizer Auswahl in der baz seine Sicht der Dinge äussern und die 90 Minuten analysieren.
Erstmals wird sich Benjamin Huggel am 13. Juni zu Wort melden. An diesem Dienstag wird die Schweiz im ersten Gruppenspiel in Stuttgart auf Frankreich treffen - mit dem Baselbieter als Zaungast auf der Haupttribüne des Gottlieb-Daimler-Stadions.
Neben Benjamin Huggel wird während der WM der Lörracher Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld weiterhin zum Kreis der baz-Kolumnisten zählen.

rom