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Der Kick für die Wirtschaft

Verfasst: 08.05.2006, 02:04
von bulldog™
quelle:BaZ.ch

Der Kick für die Wirtschaft

FUSSBALL-WM SOLL DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWACHSTUM ANKURBELN

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Bauboom. Zwölf Stadien, wie das in Berlin, wurden für die WM umgebaut. Foto Key

Christine Plass

Als Deutschland 1954 die Fussballweltmeisterschaft gewann, hob das nicht nur die Stimmung im Land. «Das Wunder von Bern» beflügelte auch das Wirtschaftswunder. Nun hoffen die Deutschen auf den gleichen Effekt in diesem Jahr.

Erste Anzeichen, dass die WM 2006 der Wirtschaft Deutschlands Schub verleiht, zeigten sich an der Börse. Im April hatte der Dax, der Deutsche Aktienindex, erstmals seit 2001 die Marke von 6000 Punkten geknackt. Experten versprechen sich vom Sportereignis weiteres Wachstum. Und würden die Deutschen die WM gewinnen, könnte dies den Trend zusätzlich beschleunigen. Nach einer Studie der niederländischen Bank ABN Amro verzeichneten die Siegländer der letzten Weltmeisterschaften einen Anstieg von 10% in ihrem Aktienmarkt.

Skepsis. Während die Börsenanalysten optimistisch sind, neigen Wirtschaftswissenschaftler zur Skepsis. Gert Wagner, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, hält die Euphorie für «völlig überzogen»: «Die Fussball-WM kann ein grosser Spass werden, aber der Wirtschaftsstandort Deutschland wird so nicht gerettet.» Und Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut sagt: «Profitieren wird in erster Linie der Bereich Export von Dienstleistungen etwa im Tourismus oder in der Gastronomie an die ausländischen Besucher. Hier wird mit einem Umfang von rund 1 Mrd. Euro gerechnet. Dies entspricht jedoch nur 0,06% des Bruttoinlandprodukts.»

Deutlich höher dürfte laut Marco Bargel, Chefökonom der Postbank, die Entwicklung der Binnennachfrage ausfallen. Er geht davon aus, dass die Ausgaben der heimischen Fussballfans «einen Anstieg der Konsumausgaben um 2 bis 3 Mrd. Euro erwarten» lassen. Wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens GfK zeigt, ist das Konsumklima in Deutschland aufgrund der wachsenden Konjunktur und der bevorstehenden Fussball-WM so gut wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Baubranche profitierte. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft profitierte vor allem die Baubranche mit Investitionen von 5 Mrd. Euro durch den Umbau der zwölf Stadien und die Verbesserung der Infrastruktur. Langfristig wird die Krise im Bausektor so aber kaum gemildert. Auch der angespannte Arbeitsmarkt erhält nur eine kurze Verschnaufpause. Zwar rechnet die Bundesagentur für Arbeit mit bis zu 60000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Viele davon sind aber Minijobs. Gemäss Fachleuten wird höchstens ein Drittel dauerhaft erhalten bleiben.

Gemischte Erfahrungen. «Bei den ökonomischen Erwartungen ist es wie mit der Hoffnung auf unsere Nationalmannschaft: Man darf sie nicht zu hoch ansetzen», sagt Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Die Erfahrungen früherer Gastgeber zeigen, dass Fussballweltmeisterschaften keine wirtschaftliche Erfolgsgarantie bieten. So legte bei der letzten WM Südkoreas Bruttoinlandprodukt um 7% zu, während Co-Ausrichter Japan ein Minus von 0,3% hinnehmen musste.

Für Deutschland findet die WM zu einem konjunkturell günstigen Zeitpunkt statt. 1,8% Wirtschaftswachstum prognostizieren die führenden Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten für das laufende Jahr. Zumindest ein Teil davon könnte auf die WM zurückgehen. Marco Bargel von der Postbank erwartet, dass das Turnier der Wirtschaft einen Wachstumsimpuls von 10 Mrd. Euro verschaffen könnte, das wären etwa 0,5% des deutschen Bruttoinlandprodukts. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums ist zurückhaltender: «Vorsichtig geschätzt können sich die Impulse auf rund 3 Mrd. Euro belaufen.»

Unbezahlbarer Imagegewinn. In einem sind sich alle einig. Schwer bezifferbar, aber viel versprechend ist der Image- und Bekanntheitsgewinn, den sich Deutschland durch das grösste Sportereignis, das das Land je ausgerichtet hat, erhofft. Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut: «Gelingt es Deutschland, das Motto der WM u2039Die Welt zu Gast bei Freundenu203A glaubwürdig und sympathisch zu vertreten und ausserdem die WM reibungslos zu organisieren, wäre dies das bestmögliche Ergebnis.»