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Das Geheimnis der Nike

Verfasst: 22.04.2006, 19:06
von maldini
Das Geheimnis der Nike

Wurde der originale WM-Pokal durch eine Kopie ersetzt? In Brasilien zu Barrengold geschmolzen? Liegt er noch irgendwo unter einem Bett? Eine Zitterpartie ohne Schlusspfiff.

Vor Jahren lernte ich in London jemanden kennen, der für ein Auktionshaus arbeitete. Er hatte eine Geschichte für mich. Bei einem Steak-Sandwich in einem Pub im West End erzählte er mir, was er über den ursprünglichen Pokal des Weltfussballverbandes, die Coupe Jules Rimet, wusste. Alle Welt glaubt, die Trophäe sei 1983 in Brasilien gestohlen und zu Barrengold umgeschmolzen worden. Doch mein Bekannter behauptete zu wissen, dass der Pokal 1997 in London versteigert wurde und unversehrt sei.

Der französische Bildhauer Abel Lafleur hatte den goldenen Becher 1930 für die erste WM modelliert. Es war ein Prachtstück: eine 35 Zentimeter hohe Statuette der griechischen Siegesgöttin Nike, aus massivem Gold mit einem quadratischen Sockel aus tiefblauem Lapislazuli.

Während ihrer ersten vierzig Jahre erlebte Nike mit den ausgestreckten Armen zwei Abenteuer. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte sie in einem Versteck unter dem Bett eines italienischen Fussballfunktionärs. Dann, im März 1966, wurde sie aus den Räumen einer Briefmarkenausstellung in London gestohlen.

England bereitete sich zu der Zeit auf die Ausrichtung der WM von 1966 vor. Der Diebstahl machte die englische Football Association (FA) zum Gespött der Welt. Eine Woche nach dem Raub, am Sonntag, 27. März 1966, ging der Südlondoner Werftarbeiter Dave Corbett mit seinem Hund Pickles spazieren. Kurz nachdem sie das Haus verlassen hatten, begann Pickles in den Büschen zu schnüffeln. Corbett sah nach und fand einen schweren Gegenstand, eingewickelt in Zeitungspapier. Es war der gestohlene Pokal. Pickles wurde zum Nationalhelden.

Die FA vertraute den wiedergefundenen Pokal ihrem Stammjuwelier George Bird an. Martin Atherton, ein Dozent an der Universität von Central Lancashire, der exzellente Forschungsarbeit zur Biografie der Statuette geleistet hat, schildert, wie Bird das gute Stück in den Monaten vor der WM von Ausstellungsort zu Ausstellungsort durch London karrte. Die begehrteste Trophäe der Sportwelt wurde in einem Fahrradkorb transportiert, eingewickelt in ein Tuch.


Scharf beobachteter Veitstanz

Bird gelangte schliesslich zu der Einsicht, dass dies nicht sicher genug sei. Er und die FA beschlossen, eine Kopie der Statuette herzustellen. Eine solche schien für Ausstellungszwecke geeigneter zu sein als das Original. Die FA bat die Fifa um Erlaubnis, eine Kopie anzufertigen. Die Fifa sagte nein, so jedenfalls berichtet Atherton. Die FA gab Bird dennoch den Auftrag. Er goss eine Replik aus Bronze mit Goldüberzug – wahrscheinlich unentgeltlich, als Geschenk an die FA. Jetzt existierten zwei Jules-Rimet-Pokale: das Original und die Kopie.

Am Morgen des 30. Juli 1966, einem Samstag, machten sich drei Londoner Polizisten auf den Weg zum Wembley-Stadion, in dem an diesem Tag das WM-Finale zwischen England und Deutschland stattfinden würde. Sie hatten die zwei Jules-Rimet-Pokale dabei.

Nach dem 4:2-Sieg der englischen Mannschaft überreichte Königin Elisabeth II. deren Kapitän Bobby Moore den echten Cup. Doch nachdem Nobby Stiles, der raubeinige englische Läufer, auf dem Rasen seinen berühmt gewordenen Veitstanz mit dem Pokal aufgeführt hatte, entwendeten die Polizisten ihn diskret und gaben ihm dafür die Kopie. Die britischen Behörden wollten auf Nummer Sicher gehen und den echten Cup keiner Gefahr aussetzen. Der Pokal, den die englischen Spieler an diesem Abend auf dem Balkon des Hotels «Royal Garden» in Kensington schwenkten, war nicht das Original, sondern die Kopie. Niemand merkte etwas.

Die nächste WM fand 1970 in Mexiko statt. Die FA musste die Trophäe bei der Fifa abliefern. Aber welche? «Sie gaben der Fifa die Kopie», vertraute mir mein Freund, der Auktionator, an.

Brasilien gewann in Mexiko den dritten Weltmeistertitel. Als Belohnung durfte es die Jules-Rimet-Trophäe behalten. Doch 1983 wurde der Pokal wieder gestohlen – aus einer Vitrine im Hauptsitz des Brasilianischen Fussballverbandes. Der Dieb, Sérgio Peralta, wusste, wo sich der Cup befand, weil er den Verband oft besucht hatte, als Vertreter von Atlético Mineiro. Peralta, der 2003 starb, wurde gefasst und verbrachte ein paar Jahre im Gefängnis. Die brasilianische Polizei liess durchsickern, der Pokal sei unterdessen in Goldbarren eingeschmolzen worden. «Doch», sagte mein Freund im Pub, «die gestohlene Trophäe war nicht die echte, es war das Duplikat.»

Einer der beiden Jules-Rimet-Pokale war 1970 in London geblieben, versteckt unter Birds Bett. Atherton, der Forscher, erklärt: «Da offiziell nur einer existierte, konnte man den zweiten nicht öffentlich vorzeigen.» Die Enkelkinder von Bird spielten manchmal mit dem schweren Gefäss. Zweimal wurde in sein Haus eingebrochen, beide Male fanden die Einbrecher den Pokal nicht.

Bird verstarb 1995. Zwei Jahre später liess seine Familie die Trophäe versteigern. Im Sotheby’s-Verkaufskatalog «Traditional Sports: Golf, Cricket and Football» vom Freitag, 11. Juli 1997, findet man ein schönes Bild der Trophäe. «Kopie der Coupe Jules Rimet, benutzt als Pokal der Fussball-Weltmeisterschaften zwischen 1968 und 1970» steht im Begleittext zu Los 80. Als Mindestgebot wurden «£ 20000 bis 30000» festgesetzt – viel Geld, so meint man, für eine vergoldete Bronzeskulptur mit einem Materialwert von vielleicht 1500 Pfund.

Doch dann ging der Pokal für 254500 Pfund weg. Das war neunmal mehr als der bis dahin höchste Preis, der für ein Sammlerstück aus der Fussballwelt bezahlt worden war. Die Hinterbliebenen von Bird waren so konsterniert, dass sie den Saal verliessen, während die Bieterschlacht noch im Gang war. «Eigentlich ein absurder Preis», meinte mein Freund, «es sei denn, man weiss, dass es das Original ist. Und der Höchstbietende wusste das.»


Die Fifa ersteigert den Schrott

Der Höchstbietende war die Fifa selbst. Einer der unterlegenen Bieter war vermutlich der brasilianische Fussballverband. Die Fifa hatte mitgeboten, weil sie von der Vertauschung Kenntnis hatte – davon, dass der echte Pokal 1970 in England zurückgeblieben war. «Die Fifa beschloss, diese Trophäe zu ersteigern, weil sie Grund zu der Annahme hatte, dass es sich um das Original handelte», bestätigte mir der Weltfussballverband vor zwei Wochen.

Die Fifa konnte nicht sicher wissen, ob der zum Verkauf stehende Pokal der echte, der aus massivem Gold, war; sie hatte keine Chance, sich in den Besichtigungstagen vor der Versteigerung Gewissheit darüber zu verschaffen. Wie mir ein Schmuckspezialist eines führenden Auktionshauses erklärte, ist es absolut unüblich, dass während der Besichtigungszeit ein Interessent mit Testgerätschaft anrückt, um zu untersuchen, ob ein Objekt aus gediegenem Gold ist. Die Fifa spielte Roulette, als sie das Ding ersteigerte.

Sie liess den Pokal danach sofort von einem Experten prüfen. Man kann sich die Szene vorstellen: ein Hinterzimmer, ein paar Fifa-Funktionäre, ein Juwelier mit Leuchtlupe und die Trophäe.

Und dann muss der Juwelier kopfschüttelnd die betrübliche Nachricht verkündet haben: Dieses Stück war nicht der echte WM-Pokal, sondern eine billige vergoldete Bronzekopie.

Beide, mein Freund vom Auktionshaus und auch die Fifa, hatten sich geirrt: Der Austausch hatte nie stattgefunden. In der Hoffnung, die echte Coupe Jules Rimet an Land zu ziehen, hatte die Fifa 254500 britische Pfund verwettet. Sie überliess die Kopie später dem National Football Museum in Preston als Dauerleihgabe.

Doch eine Frage bleibt: Wo ist die echte Coupe Jules Rimet? Wurde sie wirklich zu Barrengold umgeschmolzen, oder liegt sie irgendwo in Lateinamerika unter einem Bett?


Simon Kuper, Weltwoche vom 20.4.2006

Verfasst: 22.04.2006, 19:53
von Goofy
Isch doch eifach, dä liegt irgendwo näbe däm nätte Kärli do unte :D


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Verfasst: 22.04.2006, 19:53
von green_day
Interessant, aber schlussendlich bringt der Artikel niemanden einen Schritt weiter. :p

Verschwörung allez

Verfasst: 24.04.2006, 10:17
von Fussballheld
Mr. T trägt ihn um den Hals :cool:

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Verfasst: 24.04.2006, 11:15
von Mendez
Isch dr Mr. T e jud?