Zurück zum Spiel (Hitzfeld-Interview)
Verfasst: 30.11.2005, 12:21
Zurück im Spiel
Vor über einem Jahr hat sich Ottmar Hitzfeld ausgebrannt vom Fußball zurückgezogen – nun möchte er wiederkommen. Ein Gespräch über seine Liebe zum FC Bayern und die Tragik des Trainerdaseins
DIE ZEIT: Gut sehen Sie aus, Herr Hitzfeld.
Ottmar Hitzfeld: Danke vielmals. Es ist mir in meinem Leben noch nie so gut gegangen wie jetzt. Aber wenn ich nicht aufpasse, muss ich bald meine Hosen zum Schneider bringen.
ZEIT: Ottmar Hitzfeld, der öffentlich leidende Asket, hat zugenommen?
Hitzfeld: Vier Kilogramm. Ich wiege jetzt 77, und zwar konstant. Zu meiner Zeit bei Bayern habe ich zu Saisonbeginn immer 75 gewogen, in die Winterpause bin ich mit 72 gegangen, am Saisonende hatte ich nur noch 70.
ZEIT: Was macht Ihr Schlaf?
Hitzfeld: Ich habe endlich einen Rhythmus gefunden. Früher bin ich oft nach zwei Stunden hochgeschreckt und lag dann wach, die ganze Nacht: Wer spielt? Wen muss ich enttäuschen? Was wird aus den Verletzten? Was steht morgen in der Zeitung? Die Fragen sind alle weg. Ich gehe wandern mit meiner Frau, wir golfen, wir verreisen. Und die Luft hier in den Bergen … ich brauche jetzt sogar einen Wecker.
ZEIT: Ihr Arzt ist zufrieden?
Hitzfeld: Doktor Müller-Wohlfahrt in München? Der ist total erstaunt. Er behandelt meine Gelenke, fühlt die Muskulatur. Und er sagt: »Alles schön weich, Ottmar. Du musst wieder angreifen.«
ZEIT: Und tatsächlich: Im Sommer 2006 wollen Sie wieder als Trainer arbeiten. Warum nur setzen Sie Ihr gegenwärtiges Glück aufs Spiel?
Hitzfeld: Trainer ist doch mein Beruf. Ich habe mein Leben auf dem Fußballplatz verbracht. Im Januar werde ich 57. In dem Alter schon in Pension? Damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich habe mich ein Jahr lang hinterfragt: Schaffe ich das noch mal? Reizt es mich wieder? Und wann, wenn nicht jetzt? Wenn ich noch länger in den Tag hineinlebe wie jetzt, steige ich sicher nicht mehr ein.
ZEIT: Das klingt nach mühsamer Abwägung.
Hitzfeld: Ich gehe in eine total andere Welt, als ich sie hier in den Bergen habe. Ich werde wieder schlechter schlafen. Mein Rücken wird wieder schmerzen. Meine Geschwister raten mir alle ab, der Bernd, die Vroni, Winfried. Ich bin immer noch ihr kleiner Bruder, die sagen mir: »Ottmar, tu dir das nicht mehr an. Wir wollen gemeinsam mit dir alt werden.« Die hatten zuletzt ja auch ein schöneres Leben! Die leiden auch, wenn sie daheim in Lörrach vorm Fernseher sitzen und mich an der Seitenlinie sehen. Aber das ist nicht ausschlaggebend für mich.
ZEIT: Ist es Ihre Frau?
Hitzfeld: Da habe ich großes Glück. Meine Frau hat immer gesagt: »Du musst entscheiden, was wir machen, ich gehe überall mit hin.« Beatrix wäre nach Manchester gegangen, nach Mailand, nach Qatar, nach Japan, egal, wohin.
ZEIT: Wo liegt das Glück des Trainers, Herr Hitzfeld?
Hitzfeld: Das beginnt mit dem Training. Dass ich rausgehen kann, raus auf den Fußballplatz. Die Luft, die Sonne, der Duft des gemähten Rasens…
ZEIT: …all das haben Sie hier auch.
Hitzfeld: Beim Fußball kann ich dazu aber mit jungen Menschen arbeiten.
ZEIT: Entschuldigen Sie, aber das ist eine Floskel.
Hitzfeld: Ist es nicht. Die Sprüche in einer Mannschaft, das Gefrotzel der Spieler, all das wirkt mittlerweile belebend auf mich.
ZEIT: Können Sie verstehen, dass wir Sie nicht verstehen?
Hitzfeld: Warum denn nicht?
ZEIT: Sie haben alles gewonnen, was ein Trainer gewinnen kann. Wir wissen nicht, was Sie noch treibt. Wenn Sie Michael Schumacher wieder und wieder in seinen Ferrari steigen sehen, denken Sie da nicht auch: Der ist schon siebenmal Weltmeister, wieso setzt er sich immer von Neuem diesem Risiko aus?
Hitzfeld: Ich verstehe ihn vollkommen. Weil er nicht nur Auto fährt, um Weltmeister zu werden, sondern weil ihm Autofahren Spaß macht. Weil ihm die Entwicklung eines Autos Spaß macht. Am Anfang will man Weltmeister werden, sicher. Danach ist der Alltag das Ziel, nicht der Titel am Schluss. Sonst ließe sich eine ganze Saison gar nicht aushalten. Ich will einer Mannschaft etwas beibringen. Eine Mannschaft im Griff haben. Dann befriedigt nach Hause gehen oder nicht.
ZEIT: Der Reiz des Dompteurs?
Hitzfeld: Wenn Sie so wollen. Dazu der Samstag. 90 Minuten bissle Herzklopfen haben …
ZEIT: … bissle Herzklopfen? Bei Ihnen wurden am Spielfeld regelmäßig 125 Pulsschläge pro Minute gemessen, mindestens. Brauchen Sie das?
Hitzfeld: Offenbar.
ZEIT: Was ist der magische Moment, der für diesen Stress entschädigt? Die Hymne der Champions League? Die halbe Stunde vor dem Anpfiff?
Hitzfeld: Das ist die einsamste Zeit des Trainers. Die Mannschaft geht raus zum Warmlaufen, der Trainer bleibt allein in der Kabine. Dann kommt die Aufstellung des Gegners. Endlich. Man schaut drauf. Überlegt. Alles richtig gemacht? Kann ich noch reagieren? Die Schönheit eines solchen Abends habe ich erst erfasst, seit ich fürs Fernsehen arbeite. Da kann ich Fußballfan sein. Da muss ich nicht jeden Pfostenschuss rechtfertigen.
ZEIT: 50-mal »Experte«, das bedeutet gut bezahlte Weiterbildung, Präsenz in der Branche – und sieht nach einem Masterplan des Strategen Hitzfeld aus.
Hitzfeld: Es ist sicherlich kein Zufall. Ich sehe andere Clubs und deren Stadien, ich sehe die besten Mannschaften Europas, ich habe engen Kontakt zu den Profis. Die Bayern begrüßen mich ja immer noch, wenn ich am Spielfeldrand mein Interview gebe. Das ist ein herrliches Gefühl. Letztes Mal, gegen Juventus, kam die halbe Mannschaft vorbei.
ZEIT: Erwischen Sie sich dabei, dass Sie noch immer Tipps geben? »Bixente, pass auf, wenn auf links …«
Hitzfeld: Nein, nein, dazu ist keine Zeit. Die müssen sich warmlaufen, ich bin auf Sendung. Wir klatschen uns ab und freuen uns.
ZEIT: Ist es Ihnen, dem Trainer, schwer gefallen, abzutrainieren, sich zu lösen?
Hitzfeld: Schon, ja.
ZEIT: Wie lange haben Sie sich – nach Ihrem Abschied von den Bayern – samstags um halb vier im Videotext noch die Aufstellung Ihrer alten Mannschaft angeschaut?
Hitzfeld: Um genau das nicht zu tun, bin ich um die Zeit bewusst spazieren gegangen. Oder Golf spielen. Denn diese Unruhe war noch in mir. Plötzlich schlug mein Herz wieder schneller. Das war wirklich merkwürdig: Mein Kopf wusste, du musst nicht arbeiten, aber mein Körper wollte raus auf den Platz, ins Stadion. Samstag ist ja Hauptarbeitstag gewesen. All die Jahre. Das war noch drin. Ich habe dann auf dem Golfplatz auch immer mein Handy angemacht. Markus Hörwick schickt ja SMS, da bin ich noch im Verteiler.
ZEIT: Der Pressechef der Bayern versorgt Sie mit einer Art Live-Ticker?
Hitzfeld: Ja. Hörwick sitzt auf der Bank und tippt. Für Franz Beckenbauer, wenn der mal wieder in der Welt unterwegs ist. Für andere aus dem Präsidium. Meine Nummer hat er auch noch eingespeichert.
ZEIT: Und dann steht da »1:0 Makaay«?
Hitzfeld: Oder »gutes Spiel, große Chancen«. Manchmal habe ich versucht, das Handy auszulassen, aber bei Loch acht oder neun habe ich doch gedacht: Jetzt muss ich wissen, wie’s steht. Ein Zwang.
ZEIT: Senden Sie Spielern wie Sebastian Deisler nach guten Leistungen auch Nachrichten?
Hitzfeld: Ja, bis heute. Besondere Leistungen muss man belohnen. Wenn Sebastian Deisler ein Tor schießt und ich weiß, der braucht das gerade, dann gratuliere ich ihm. Oder ich schreibe an Roy Makaay: »Kopf hoch, glaub an dich.«
ZEIT: Erhalten Sie noch Antworten?
Hitzfeld: »Danke, Trainer.«
ZEIT: Tatsächlich?
Hitzfeld: Hängen Sie das bitte nicht zu hoch. Die Spieler haben mich ja jahrelang mit »Trainer« angesprochen. Wenn ich sie jetzt sehe, spüre ich, wie sie überlegen: Sollen wir Trainer oder Herr Hitzfeld sagen? Ich zeichne eine SMS jedenfalls immer mit Ottmar Hitzfeld.
ZEIT: Das wird Felix Magath beruhigen.
Hitzfeld: Außerdem mache ich das nicht oft.
ZEIT: Hingegen fällt uns auf, dass Sie oft vom Golfen reden. Vielleicht können wir nebenbei einmal die Frage klären, warum Fußballer so gern golfen.
Hitzfeld: Weil man den Ball nie beherrscht. Man hat immer ein Handicap, ein Problem. Mal hat man einen Superschlag und denkt: Jetzt hab ich’s – und zwei Löcher später hackt man ins Grün. Dann natürlich: weil man abschalten kann. Weil das so schwierig ist. So viele Details. Wie man den richtigen Schläger wählt, richtig steht, richtig ausholt, richtig durchschwingt. Das beschäftigt mich total.
ZEIT: Wer hat Sie dazu verleitet?
Hitzfeld: Als ich zu Bayern kam, gleich beim zweiten Treffen, habe ich eine Runde gespielt mit Franz und Uli Hoeneß. Bei Loch sieben hat Franz dann gefragt: »Willst du den Effenberg oder nicht?« Da habe ich gesagt: »Auf Effenberg setze ich. Der ist ein Leader. Den brauchen wir.« Da hat Franz gesagt: »Gut, Uli, dann ruf den Effe an.« Bei Loch acht war das Treffen arrangiert.
ZEIT: Wenn Sie uns jetzt noch erzählen, mit welchen Vereinsbossen Sie zurzeit so golfen.
Hitzfeld: Mit meinem Bruder Bernd.
ZEIT: Hat Real Madrid bei Ihnen angefragt, seit Sie sich in die Schweiz zurückgezogen haben?
Hitzfeld: Ja.
ZEIT: Juventus Turin?
Hitzfeld: Nein.
ZEIT: Der AC Mailand?
Hitzfeld: Ja.
ZEIT: Der FC Chelsea?
Hitzfeld: Ja, zu meiner Bayern-Zeit noch.
ZEIT: Manchester United?
Hitzfeld: War auch eine Anfrage, ja.
ZEIT: Es war von Learjets zu hören, in denen Sie zur Vertragsunterzeichnung geflogen werden sollten.
Hitzfeld: Zwei, drei Vereine wollten das so machen.
Vor über einem Jahr hat sich Ottmar Hitzfeld ausgebrannt vom Fußball zurückgezogen – nun möchte er wiederkommen. Ein Gespräch über seine Liebe zum FC Bayern und die Tragik des Trainerdaseins
DIE ZEIT: Gut sehen Sie aus, Herr Hitzfeld.
Ottmar Hitzfeld: Danke vielmals. Es ist mir in meinem Leben noch nie so gut gegangen wie jetzt. Aber wenn ich nicht aufpasse, muss ich bald meine Hosen zum Schneider bringen.
ZEIT: Ottmar Hitzfeld, der öffentlich leidende Asket, hat zugenommen?
Hitzfeld: Vier Kilogramm. Ich wiege jetzt 77, und zwar konstant. Zu meiner Zeit bei Bayern habe ich zu Saisonbeginn immer 75 gewogen, in die Winterpause bin ich mit 72 gegangen, am Saisonende hatte ich nur noch 70.
ZEIT: Was macht Ihr Schlaf?
Hitzfeld: Ich habe endlich einen Rhythmus gefunden. Früher bin ich oft nach zwei Stunden hochgeschreckt und lag dann wach, die ganze Nacht: Wer spielt? Wen muss ich enttäuschen? Was wird aus den Verletzten? Was steht morgen in der Zeitung? Die Fragen sind alle weg. Ich gehe wandern mit meiner Frau, wir golfen, wir verreisen. Und die Luft hier in den Bergen … ich brauche jetzt sogar einen Wecker.
ZEIT: Ihr Arzt ist zufrieden?
Hitzfeld: Doktor Müller-Wohlfahrt in München? Der ist total erstaunt. Er behandelt meine Gelenke, fühlt die Muskulatur. Und er sagt: »Alles schön weich, Ottmar. Du musst wieder angreifen.«
ZEIT: Und tatsächlich: Im Sommer 2006 wollen Sie wieder als Trainer arbeiten. Warum nur setzen Sie Ihr gegenwärtiges Glück aufs Spiel?
Hitzfeld: Trainer ist doch mein Beruf. Ich habe mein Leben auf dem Fußballplatz verbracht. Im Januar werde ich 57. In dem Alter schon in Pension? Damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich habe mich ein Jahr lang hinterfragt: Schaffe ich das noch mal? Reizt es mich wieder? Und wann, wenn nicht jetzt? Wenn ich noch länger in den Tag hineinlebe wie jetzt, steige ich sicher nicht mehr ein.
ZEIT: Das klingt nach mühsamer Abwägung.
Hitzfeld: Ich gehe in eine total andere Welt, als ich sie hier in den Bergen habe. Ich werde wieder schlechter schlafen. Mein Rücken wird wieder schmerzen. Meine Geschwister raten mir alle ab, der Bernd, die Vroni, Winfried. Ich bin immer noch ihr kleiner Bruder, die sagen mir: »Ottmar, tu dir das nicht mehr an. Wir wollen gemeinsam mit dir alt werden.« Die hatten zuletzt ja auch ein schöneres Leben! Die leiden auch, wenn sie daheim in Lörrach vorm Fernseher sitzen und mich an der Seitenlinie sehen. Aber das ist nicht ausschlaggebend für mich.
ZEIT: Ist es Ihre Frau?
Hitzfeld: Da habe ich großes Glück. Meine Frau hat immer gesagt: »Du musst entscheiden, was wir machen, ich gehe überall mit hin.« Beatrix wäre nach Manchester gegangen, nach Mailand, nach Qatar, nach Japan, egal, wohin.
ZEIT: Wo liegt das Glück des Trainers, Herr Hitzfeld?
Hitzfeld: Das beginnt mit dem Training. Dass ich rausgehen kann, raus auf den Fußballplatz. Die Luft, die Sonne, der Duft des gemähten Rasens…
ZEIT: …all das haben Sie hier auch.
Hitzfeld: Beim Fußball kann ich dazu aber mit jungen Menschen arbeiten.
ZEIT: Entschuldigen Sie, aber das ist eine Floskel.
Hitzfeld: Ist es nicht. Die Sprüche in einer Mannschaft, das Gefrotzel der Spieler, all das wirkt mittlerweile belebend auf mich.
ZEIT: Können Sie verstehen, dass wir Sie nicht verstehen?
Hitzfeld: Warum denn nicht?
ZEIT: Sie haben alles gewonnen, was ein Trainer gewinnen kann. Wir wissen nicht, was Sie noch treibt. Wenn Sie Michael Schumacher wieder und wieder in seinen Ferrari steigen sehen, denken Sie da nicht auch: Der ist schon siebenmal Weltmeister, wieso setzt er sich immer von Neuem diesem Risiko aus?
Hitzfeld: Ich verstehe ihn vollkommen. Weil er nicht nur Auto fährt, um Weltmeister zu werden, sondern weil ihm Autofahren Spaß macht. Weil ihm die Entwicklung eines Autos Spaß macht. Am Anfang will man Weltmeister werden, sicher. Danach ist der Alltag das Ziel, nicht der Titel am Schluss. Sonst ließe sich eine ganze Saison gar nicht aushalten. Ich will einer Mannschaft etwas beibringen. Eine Mannschaft im Griff haben. Dann befriedigt nach Hause gehen oder nicht.
ZEIT: Der Reiz des Dompteurs?
Hitzfeld: Wenn Sie so wollen. Dazu der Samstag. 90 Minuten bissle Herzklopfen haben …
ZEIT: … bissle Herzklopfen? Bei Ihnen wurden am Spielfeld regelmäßig 125 Pulsschläge pro Minute gemessen, mindestens. Brauchen Sie das?
Hitzfeld: Offenbar.
ZEIT: Was ist der magische Moment, der für diesen Stress entschädigt? Die Hymne der Champions League? Die halbe Stunde vor dem Anpfiff?
Hitzfeld: Das ist die einsamste Zeit des Trainers. Die Mannschaft geht raus zum Warmlaufen, der Trainer bleibt allein in der Kabine. Dann kommt die Aufstellung des Gegners. Endlich. Man schaut drauf. Überlegt. Alles richtig gemacht? Kann ich noch reagieren? Die Schönheit eines solchen Abends habe ich erst erfasst, seit ich fürs Fernsehen arbeite. Da kann ich Fußballfan sein. Da muss ich nicht jeden Pfostenschuss rechtfertigen.
ZEIT: 50-mal »Experte«, das bedeutet gut bezahlte Weiterbildung, Präsenz in der Branche – und sieht nach einem Masterplan des Strategen Hitzfeld aus.
Hitzfeld: Es ist sicherlich kein Zufall. Ich sehe andere Clubs und deren Stadien, ich sehe die besten Mannschaften Europas, ich habe engen Kontakt zu den Profis. Die Bayern begrüßen mich ja immer noch, wenn ich am Spielfeldrand mein Interview gebe. Das ist ein herrliches Gefühl. Letztes Mal, gegen Juventus, kam die halbe Mannschaft vorbei.
ZEIT: Erwischen Sie sich dabei, dass Sie noch immer Tipps geben? »Bixente, pass auf, wenn auf links …«
Hitzfeld: Nein, nein, dazu ist keine Zeit. Die müssen sich warmlaufen, ich bin auf Sendung. Wir klatschen uns ab und freuen uns.
ZEIT: Ist es Ihnen, dem Trainer, schwer gefallen, abzutrainieren, sich zu lösen?
Hitzfeld: Schon, ja.
ZEIT: Wie lange haben Sie sich – nach Ihrem Abschied von den Bayern – samstags um halb vier im Videotext noch die Aufstellung Ihrer alten Mannschaft angeschaut?
Hitzfeld: Um genau das nicht zu tun, bin ich um die Zeit bewusst spazieren gegangen. Oder Golf spielen. Denn diese Unruhe war noch in mir. Plötzlich schlug mein Herz wieder schneller. Das war wirklich merkwürdig: Mein Kopf wusste, du musst nicht arbeiten, aber mein Körper wollte raus auf den Platz, ins Stadion. Samstag ist ja Hauptarbeitstag gewesen. All die Jahre. Das war noch drin. Ich habe dann auf dem Golfplatz auch immer mein Handy angemacht. Markus Hörwick schickt ja SMS, da bin ich noch im Verteiler.
ZEIT: Der Pressechef der Bayern versorgt Sie mit einer Art Live-Ticker?
Hitzfeld: Ja. Hörwick sitzt auf der Bank und tippt. Für Franz Beckenbauer, wenn der mal wieder in der Welt unterwegs ist. Für andere aus dem Präsidium. Meine Nummer hat er auch noch eingespeichert.
ZEIT: Und dann steht da »1:0 Makaay«?
Hitzfeld: Oder »gutes Spiel, große Chancen«. Manchmal habe ich versucht, das Handy auszulassen, aber bei Loch acht oder neun habe ich doch gedacht: Jetzt muss ich wissen, wie’s steht. Ein Zwang.
ZEIT: Senden Sie Spielern wie Sebastian Deisler nach guten Leistungen auch Nachrichten?
Hitzfeld: Ja, bis heute. Besondere Leistungen muss man belohnen. Wenn Sebastian Deisler ein Tor schießt und ich weiß, der braucht das gerade, dann gratuliere ich ihm. Oder ich schreibe an Roy Makaay: »Kopf hoch, glaub an dich.«
ZEIT: Erhalten Sie noch Antworten?
Hitzfeld: »Danke, Trainer.«
ZEIT: Tatsächlich?
Hitzfeld: Hängen Sie das bitte nicht zu hoch. Die Spieler haben mich ja jahrelang mit »Trainer« angesprochen. Wenn ich sie jetzt sehe, spüre ich, wie sie überlegen: Sollen wir Trainer oder Herr Hitzfeld sagen? Ich zeichne eine SMS jedenfalls immer mit Ottmar Hitzfeld.
ZEIT: Das wird Felix Magath beruhigen.
Hitzfeld: Außerdem mache ich das nicht oft.
ZEIT: Hingegen fällt uns auf, dass Sie oft vom Golfen reden. Vielleicht können wir nebenbei einmal die Frage klären, warum Fußballer so gern golfen.
Hitzfeld: Weil man den Ball nie beherrscht. Man hat immer ein Handicap, ein Problem. Mal hat man einen Superschlag und denkt: Jetzt hab ich’s – und zwei Löcher später hackt man ins Grün. Dann natürlich: weil man abschalten kann. Weil das so schwierig ist. So viele Details. Wie man den richtigen Schläger wählt, richtig steht, richtig ausholt, richtig durchschwingt. Das beschäftigt mich total.
ZEIT: Wer hat Sie dazu verleitet?
Hitzfeld: Als ich zu Bayern kam, gleich beim zweiten Treffen, habe ich eine Runde gespielt mit Franz und Uli Hoeneß. Bei Loch sieben hat Franz dann gefragt: »Willst du den Effenberg oder nicht?« Da habe ich gesagt: »Auf Effenberg setze ich. Der ist ein Leader. Den brauchen wir.« Da hat Franz gesagt: »Gut, Uli, dann ruf den Effe an.« Bei Loch acht war das Treffen arrangiert.
ZEIT: Wenn Sie uns jetzt noch erzählen, mit welchen Vereinsbossen Sie zurzeit so golfen.
Hitzfeld: Mit meinem Bruder Bernd.
ZEIT: Hat Real Madrid bei Ihnen angefragt, seit Sie sich in die Schweiz zurückgezogen haben?
Hitzfeld: Ja.
ZEIT: Juventus Turin?
Hitzfeld: Nein.
ZEIT: Der AC Mailand?
Hitzfeld: Ja.
ZEIT: Der FC Chelsea?
Hitzfeld: Ja, zu meiner Bayern-Zeit noch.
ZEIT: Manchester United?
Hitzfeld: War auch eine Anfrage, ja.
ZEIT: Es war von Learjets zu hören, in denen Sie zur Vertragsunterzeichnung geflogen werden sollten.
Hitzfeld: Zwei, drei Vereine wollten das so machen.