Interview mit Atouba und durchaus kritischen Tönen gegen den FCB
Verfasst: 06.11.2005, 14:35
Spaßfußballer mit ernsten Seiten
HSV-Star Thimothee Atouba über frühe Niederlagen, die Macht des Schicksals und die Freude, in Hamburg spielen zu dürfen
Lustige Menschen sind meist sehr ernst und sensibel. Die Rede ist von diesen "Gute-Laune-Typen", die oft oberflächlich wirken, während sie tatsächlich gedankenvoll das Leben mit wachen Augen beobachten. Diese Charakterisierung trifft auch auf Thimothee Atouba zu. Der 23jährige Neuzugang des HSV begeistert in der Bundesliga als Spaßfußballer, der sich im Stadion als das personifizierte Spektakel präsentiert.
Er trickst, zaubert und verzückt das Publikum mit seinen oft riskanten, aber meist gelungenen Aktionen auf der linken Seite des Spielfeldes. Wenn der 1,91 Meter große Linksfuß dann auch noch nach siegreichem Spiel im Kreis der Teamkameraden ein Tänzchen hinlegt, ist die Show perfekt.
"Laßt uns gemeinsam Spaß haben", lautet auch Atoubas Botschaft an die Fans, die er sich sogar auf die Autogrammkarte drucken ließ. Der fröhliche Auftritt auf dem Rasen offenbart die eine Seite, die andere wird erst außerhalb des Stadions erkennbar, wenn sich der Entertainer in einen nachdenklichen, sensiblen jungen Menschen verwandelt.
Szenenwechsel. Das Training ist gerade beendet, und der Fußball-Profi wirkt ein bißchen müde. "Bonjour, ich bin Tim", stellt er sich höflich vor. In der linken Hand baumelt ein kleiner Kulturbeutel, um den Hals eine breite goldene Kette. Wir sitzen im Kabinentrakt der AOL Arena und sprechen über den Spaß am Fußball.
Das sei bei ihm weniger Show, eher Beweis seiner Philosophie des Lebens: "Du mußt die guten Momente genießen", erklärt er mit ernster Miene und verweist darauf, was das Schicksal statt positiver Erlebnisse auch noch bieten könne: Unfall, Krankheiten oder den plötzlichen Tod. Atouba hebt die Arme: "Ist doch so, weißt du, was morgen passiert?"
Diese Lebensweisheit, sagt er, habe ihm Christian Gross beigebracht, sein Trainer beim FC Basel, mit dem er Schweizer Meister wurde und auch in der Champions League erfolgreich war. Aber denkt er an Basel, fallen ihm auch negative Erinnerungen ein. Thimothee Atouba erzählt, wie er als 17jähriger seine Heimat Kamerun verließ, um beim FC Basel ein Probetraining zu absolvieren. Sie haben ihn nicht genommen, hielten das Talent für zu jung und wollten ihn lediglich für das Nachwuchsteam verpflichten.
Eine Mischung aus Enttäuschung und Stolz spiegelt sich in Atoubas Gesicht wider, während er davon berichtet: "Das kam für mich überhaupt nicht in Frage, schließlich gehörte ich zu je- nem Zeitpunkt bereits zum Ka- der der Nationalmannschaft meines Landes", erklärt er noch immer leicht empört.
Er fühlte sich gekränkt und hatte nach seiner Rückkehr sehr wohl registriert, daß einige sein Scheitern mit Schadenfreude zur Kenntnis nahmen. Trost fand er bei Papa, der kurz und bündig konstatierte: "Macht nichts, mein Sohn, wenn nicht jetzt, dann klappt es eben später." Als dann auch Mama und die Geschwister ihn aufmunterten, war die Welt schnell wieder in Ordnung.
Atoubas große braune Augen glänzen, wenn er von daheim erzählt. Sein Zuhause, das ist die Großfamilie in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. Dort im Zentrum, in den verschachtelten Wohnvierteln der Altstadt, wo die besser gestellten Familien beheimatet sind, leben die Atoubas.
Thimothee erzählt von Papa Justin, Chefbuchhalter einer Exportfirma für Kaffee und Kakao, der mit seiner ersten Ehefrau sechs Töchter und mit der zweiten Gattin sieben Söhne zeugte. Er schwärmt vom Leben in der Großfamilie, das geprägt ist von Respekt und verständnisvollem Umgang miteinander.
Dankbar zeigt er sich seinen Eltern: "Nicht genug, daß sie uns alle ernährt haben, sie sorgten auch dafür, daß jeder von uns einen ordentlichen Schulabschluß erhielt und studieren konnte." Er rollt mit den Augen und lacht: "Na ja, nur bei mir hat das nicht geklappt", sagt Atouba und gesteht, daß er schon ein Jahr vor dem Examen die Schule verlassen hatte, weil er Fußball-Profi werden wollte - so wie sein Cousin Joel Epalle, der zu AEK Athen ging. Immerhin lernte er auf der Schule seine Jaqueline kennen, die ihn schon mit 16 Jahren zum stolzen Vater des kleinen Johan machte. Da sei er zwar noch ein bißchen jung gewesen, aber sie wollten den Kleinen nun mal unbedingt, und auch in seiner Familie haben sich alle über den Nachwuchs gefreut.
Thimothee Atouba, das läßt er deutlich spüren, ist mit sich und seinem Leben zufrieden. Es ist alles so gekommen, wie er sich das erhofft hatte - privat und sportlich. Seine Fußball-Karriere nahm schon sechs Monate nach der Rückkehr aus Basel an Fahrt auf, als er ein Angebot von Xamax Neuchatel erhielt. Es folgten die Transfers zum FC Basel und später zu den Tottenham Hotspurs, bevor er beim HSV landete.
"Hier fühle ich mich wie im Paradies", erzählt er mit ruhiger Stimme und verweist auf seine Zeit in London, wo es ihm an menschlicher Wärme fehlte. Er, der sich lieber im Grünen aufhält als in der City, fühlt sich wohl in seinem Haus in Rissen.
Seine Ansprüche sind bescheiden, Konsum im Überfluß ist ihm zuwider: "Wenn ich keinen Hunger habe, pflücke ich auch keine Bananen", sagt Atouba, der Partys und Discos meidet. Er könne zwar auch sehr gut allein sein, sagt Atouba, gibt aber zu, daß er sich riesig freut, wenn seine Jaqueline mit den Kindern regelmäßig aus Kamerun zu Besuch kommt.
In Hamburg habe er alles, um glücklich zu sein, sagt er und meint vor allem das Sportliche. Er schwärmt vom tollen Club, dem menschlichen Trainer und den angenehmen Teamkameraden. Er wagt denn auch eine kühne Prognose: "Wenn das hier weiter so gut läuft, können wir auch Meister werden, warum denn nicht." Peter Glauche
Artikel erschienen am 6. November 2005, Welt am Sonntag
http://www.wams.de/data/2005/11/06/799536.html?s=1
HSV-Star Thimothee Atouba über frühe Niederlagen, die Macht des Schicksals und die Freude, in Hamburg spielen zu dürfen
Lustige Menschen sind meist sehr ernst und sensibel. Die Rede ist von diesen "Gute-Laune-Typen", die oft oberflächlich wirken, während sie tatsächlich gedankenvoll das Leben mit wachen Augen beobachten. Diese Charakterisierung trifft auch auf Thimothee Atouba zu. Der 23jährige Neuzugang des HSV begeistert in der Bundesliga als Spaßfußballer, der sich im Stadion als das personifizierte Spektakel präsentiert.
Er trickst, zaubert und verzückt das Publikum mit seinen oft riskanten, aber meist gelungenen Aktionen auf der linken Seite des Spielfeldes. Wenn der 1,91 Meter große Linksfuß dann auch noch nach siegreichem Spiel im Kreis der Teamkameraden ein Tänzchen hinlegt, ist die Show perfekt.
"Laßt uns gemeinsam Spaß haben", lautet auch Atoubas Botschaft an die Fans, die er sich sogar auf die Autogrammkarte drucken ließ. Der fröhliche Auftritt auf dem Rasen offenbart die eine Seite, die andere wird erst außerhalb des Stadions erkennbar, wenn sich der Entertainer in einen nachdenklichen, sensiblen jungen Menschen verwandelt.
Szenenwechsel. Das Training ist gerade beendet, und der Fußball-Profi wirkt ein bißchen müde. "Bonjour, ich bin Tim", stellt er sich höflich vor. In der linken Hand baumelt ein kleiner Kulturbeutel, um den Hals eine breite goldene Kette. Wir sitzen im Kabinentrakt der AOL Arena und sprechen über den Spaß am Fußball.
Das sei bei ihm weniger Show, eher Beweis seiner Philosophie des Lebens: "Du mußt die guten Momente genießen", erklärt er mit ernster Miene und verweist darauf, was das Schicksal statt positiver Erlebnisse auch noch bieten könne: Unfall, Krankheiten oder den plötzlichen Tod. Atouba hebt die Arme: "Ist doch so, weißt du, was morgen passiert?"
Diese Lebensweisheit, sagt er, habe ihm Christian Gross beigebracht, sein Trainer beim FC Basel, mit dem er Schweizer Meister wurde und auch in der Champions League erfolgreich war. Aber denkt er an Basel, fallen ihm auch negative Erinnerungen ein. Thimothee Atouba erzählt, wie er als 17jähriger seine Heimat Kamerun verließ, um beim FC Basel ein Probetraining zu absolvieren. Sie haben ihn nicht genommen, hielten das Talent für zu jung und wollten ihn lediglich für das Nachwuchsteam verpflichten.
Eine Mischung aus Enttäuschung und Stolz spiegelt sich in Atoubas Gesicht wider, während er davon berichtet: "Das kam für mich überhaupt nicht in Frage, schließlich gehörte ich zu je- nem Zeitpunkt bereits zum Ka- der der Nationalmannschaft meines Landes", erklärt er noch immer leicht empört.
Er fühlte sich gekränkt und hatte nach seiner Rückkehr sehr wohl registriert, daß einige sein Scheitern mit Schadenfreude zur Kenntnis nahmen. Trost fand er bei Papa, der kurz und bündig konstatierte: "Macht nichts, mein Sohn, wenn nicht jetzt, dann klappt es eben später." Als dann auch Mama und die Geschwister ihn aufmunterten, war die Welt schnell wieder in Ordnung.
Atoubas große braune Augen glänzen, wenn er von daheim erzählt. Sein Zuhause, das ist die Großfamilie in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. Dort im Zentrum, in den verschachtelten Wohnvierteln der Altstadt, wo die besser gestellten Familien beheimatet sind, leben die Atoubas.
Thimothee erzählt von Papa Justin, Chefbuchhalter einer Exportfirma für Kaffee und Kakao, der mit seiner ersten Ehefrau sechs Töchter und mit der zweiten Gattin sieben Söhne zeugte. Er schwärmt vom Leben in der Großfamilie, das geprägt ist von Respekt und verständnisvollem Umgang miteinander.
Dankbar zeigt er sich seinen Eltern: "Nicht genug, daß sie uns alle ernährt haben, sie sorgten auch dafür, daß jeder von uns einen ordentlichen Schulabschluß erhielt und studieren konnte." Er rollt mit den Augen und lacht: "Na ja, nur bei mir hat das nicht geklappt", sagt Atouba und gesteht, daß er schon ein Jahr vor dem Examen die Schule verlassen hatte, weil er Fußball-Profi werden wollte - so wie sein Cousin Joel Epalle, der zu AEK Athen ging. Immerhin lernte er auf der Schule seine Jaqueline kennen, die ihn schon mit 16 Jahren zum stolzen Vater des kleinen Johan machte. Da sei er zwar noch ein bißchen jung gewesen, aber sie wollten den Kleinen nun mal unbedingt, und auch in seiner Familie haben sich alle über den Nachwuchs gefreut.
Thimothee Atouba, das läßt er deutlich spüren, ist mit sich und seinem Leben zufrieden. Es ist alles so gekommen, wie er sich das erhofft hatte - privat und sportlich. Seine Fußball-Karriere nahm schon sechs Monate nach der Rückkehr aus Basel an Fahrt auf, als er ein Angebot von Xamax Neuchatel erhielt. Es folgten die Transfers zum FC Basel und später zu den Tottenham Hotspurs, bevor er beim HSV landete.
"Hier fühle ich mich wie im Paradies", erzählt er mit ruhiger Stimme und verweist auf seine Zeit in London, wo es ihm an menschlicher Wärme fehlte. Er, der sich lieber im Grünen aufhält als in der City, fühlt sich wohl in seinem Haus in Rissen.
Seine Ansprüche sind bescheiden, Konsum im Überfluß ist ihm zuwider: "Wenn ich keinen Hunger habe, pflücke ich auch keine Bananen", sagt Atouba, der Partys und Discos meidet. Er könne zwar auch sehr gut allein sein, sagt Atouba, gibt aber zu, daß er sich riesig freut, wenn seine Jaqueline mit den Kindern regelmäßig aus Kamerun zu Besuch kommt.
In Hamburg habe er alles, um glücklich zu sein, sagt er und meint vor allem das Sportliche. Er schwärmt vom tollen Club, dem menschlichen Trainer und den angenehmen Teamkameraden. Er wagt denn auch eine kühne Prognose: "Wenn das hier weiter so gut läuft, können wir auch Meister werden, warum denn nicht." Peter Glauche
Artikel erschienen am 6. November 2005, Welt am Sonntag
http://www.wams.de/data/2005/11/06/799536.html?s=1