chris rosencreuz hat geschrieben:
Dass Folter kaum einen ermittlungstechnischen Erkenntnisfortschritt bringt, darauf ist nicht erst die CIA gekommen. Warum sie dennoch weiter eingesetzt wird, dazu habe ich keine Kenntnis. Du nennst Sadismus (Foltern um der Folter willen). Mag sein. ...
Ich habe nicht behauptet, dass
erst die CIA darauf gekommen ist. Ich habe lediglich auf das in hohem Grade inkonsequente Verhalten der CIA hingewiesen. Nochmals der Ablauf: Die CIA foltert. Anschliessend kommt sie zur Erkenntnis, dass dies nicht zweckmässig sei, um an Infos zu gelangen. Und danach folgte dieser Skandal, wovon hier die Rede ist.
Wichtiger als die Frage, weshalb gefoltert wurde, ist doch erst einmal die Feststellung, dass überhaupt gefoltert wurde. Ist ja nicht so, dass die CIA ein unbeschriebenes Blatt wäre (man denke allein an das Projekt
MKULTRA samit illegale systematische Aktenvernichtung).
chris rosencreuz hat geschrieben:
... Unklar ist dein Kriterium zur Unterscheidung zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat. Der Rechtsstaat erschöpft sich nicht im Normativ der Wahrung individueller Grundrechte, sondern ist eine Organisationsform von Staatsgewalt, die deren Berechenbarkeit definiert und dafür verschiedene Charakteristika einschliesst. Die Grundrechte sind eines davon, aber nicht das ausschliessliche. Dazu gehört auch der kollektive Verständigungsprozess seiner Subjekte über das innere Wesen des Rechtsstaates. Parlamentarismus ist die verbreiteste Form dieser Partizipativität, und die jeweilige Verlängerung des Patriot Act wurde jeweils von Kongress und Repräsentantenhaus, also dem Parlament, verlangt bzw. gutgeheissen und, falls verlangt, vom Obersten Gerichtshof bestätigt oder korrigiert. Wo hier der Rechtsstaat ausser Kraft gesetzt ist, ist mir nicht klar. Nochmals: er ist kein normativ-moralischer Gegenstand.
Zum PATRIOT Act:.
Erstens wurde die bis heute gültige "military order" von Bush unter John Ashcrofts Drohung "über Nacht" abgesegnet (
"Congress would have blood on its hands if there was another terrorist attack while we deliberated"). Irgendwie ein übler Beigeschmack.
Zweitens wurden
erst 2004 (!) Teile des Gesetzes von einem US-Bundesgericht als verfassungswidrig erklärt. Dies führte schlussendlich dazu, dass zumindest das Redeverbot ("gag order") entschärft wurde]Die horizontale Gewaltenteilung[/B]. Das mag kein hinreichendes, aber ein notwendiges Kriterium sein. Nach Schachtschneider ist diese Gewaltentrennung ein „anerkannter Grundsatz abendländischer Rechtsstaatlichkeit.“
Ist die Gewaltentrennung in den 'US and A' gewährleistet? Nein. Nach dem NDAA von 2012 hat laut Wiki
"das US-Militär das Befugnis amerikanische Bürger und Ausländer auf Verdacht zeitlich unbegrenzt zu inhaftieren, wobei im Bedarfsfall gleichzeitig sowohl das Straf- als auch das Zivilrecht ausser Kraft gesetzt werden dürfen."). Und sowas ist in einem Rechtsstaat möglich? Heilige Maria, Mutter Gottes!
Zweites Zwischenfazit: Das Prinzip der Gewaltenteilung wird in den 'US and A' spätestens seit 2012 nicht mehr gewährleistet, da der Exekutive eine fundamentale Funktion der Judikative übertragen wird.
chris rosencreuz hat geschrieben:... Nochmals: die Verständigung über Themen ist elementar für eine demokratische Zivilgesellschaft und mehr als eine inszenierte Plauderstunde. Deinem verengten Blick, Gerichtsprozesse ("Köpfe müssen rollen!") als einzige befriedigende Konsequenz hinzunehmen, kann ich jedoch nicht folgen. Nicht nur degradiert dies die Gerichtsbarkeit zum reinen Vergeltungsakt, sondern es ignoriert die viel notwendigeren, jedoch tiefer greifenden, kulturellen Veränderungen, damit sich ähnliches nicht - unter neuen Köpfen, die dann wieder rollen müssen - wiederholt. Ein solcher Kulturwandel ist jedoch nicht vor Gericht zu haben, sondern eben nur über die gesellschaftliche Auseinandersetzung: den Diskurs.
Zur Gerichtsbarkeit gegen die "Banditen Bush und Cheney" noch dies: welches Internationale Gericht Du hier herbeizitierst, ist völlig unklar. Der Internationale Gerichtshof? Der nimmt nur Anklagen von Staaten gegen Staaten entgegen. Kannst ja mal in Russland oder Serbien nachhaken, wann da endlich mal was gegen die USA kommt. Oder meinst Du den Strafgerichtshof von Den Haag? Dessen Statut haben die USa (wie auch Russland, China oder Indien) nicht ratifiziert. Oder meinst Du das UN-Tribunal, wo die Ermittlungen gegen die Kriegsverbrechen von Karadzic und Mladic laufen? Das ist eine Ad-Hoc-Einrichtung, die vom Sicherheitsrat ausserordentlich dafür geschaffen wurde. Ja, welchen Gerichtshof meinst Du, und wie hast Du dir das konkret vorgestellt?
Wer im übrigen die Menschenrechtscharta und die daraus gewonnenen Errungenschaften als "Stück Papier" abtut, der hat kein historisches Gedächtnis. Es ist übrigens reichlich kurios, dass ausgereichnet Du die UN-Charta als blossen Papiertiger abtust, dich im Fall Russland/Homosexuelle jedoch einzig auf den Gesetzesbuchstaben berufst ("Deinen Schwulen in RU geht es verhältnismässig gut. Ihnen wird ein Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert und deren Handeln wird nicht kriminalisiert."), um die realen Verhältnisse zu beschreiben.
Was Gerichtsprozesse als einzige befriedigende Konsequenz angeht: Wenn wie im vorliegenden Fall Kriegsverbrechen begangen wurden, dann muss es zwingend einen Gerichtsprozess geben. Dieser Auffassung bin ich
nur, wenn wir es mit Kriegsverbrechen zu tun haben (Folter, Massaker, Phosphorbomben, Uranmunition, etc.) und war von mir
nicht allgemeingültig gemeint .
Für den Kriegsverbrecher Kissinger gibt es z. B. auch einen Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof, kann aber aus den von dir erwähnten Gründen nicht vollstreckt werden (wenn man tatsächlich wollte, liesse sich aber auch hier was machen).
Und solange die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates nicht den internationalen Gerichtshöfen unterworfen sind, stellt sich die Frage der Gerichtsbarkeit in der Tat nicht.
Ein möglicher, auch wenn unrealistischer, Weg wäre der folgende: Bush junior reist in die Schweiz. Die Schweizer Behörden nehmen ihn fest und führen eine Voruntersuchung durch. Danach wird er in ein Land ausgeliefert, das einen Auslieferungsantrag gestellt hat. Ist dies nicht der Fall, so wird er nach dem Schweizer Strafgesetz vor Schweizer Gerichte gestellt. In der Schweiz wurden im Zuge Umsetzung des Rom-Statuts Kriegsverbrechen als eigenständige Straftatbestände aufgenommen.
Was den letzten Satz angeht: Damit wollte ich sagen, dass es Grambambuli in Wirklichkeit nicht primär um die Schwulen in RU geht, sondern vielmehr um das Bashing von RU und Putin. Ohne relativieren zu wollen: Den Schwulen geht es in RU trotz gesellschaftlicher Tabuierung deutlich besser als andernorts, wie z. B. beim westlichen Bündnispartner Saudi-Arabien. Leider hört man weder von den Medien noch von Grambambuli in dieser Richtung viel.
chris rosencreuz hat geschrieben:
...
Wenn Du zum "Roman"-Urteil solidere Belege hast als Dick Martys Quote im Tagi, darfst Du es gerne hier posten.
Wofür denn? Es gibt die offiziellen Berichte vom CIA-Sonderermittler des Europarates. Es gibt die offizielle Stellungnahme der 'US and A': Zuerst wurde alles bestritten. Später gab dann Bush erstmals offiziell zu, dass es in Europa geheime Gefängnisse gab. Und heute, ca. zehn Jahre später, haben wir den Senatsbericht.
Roman-Urteil hin oder her, Fakt ist doch, dass gefoltert und gelogen wurde.
Eine Verknüpfung zu einem etwas anderen Roman hätte ich: Im Rahmen seiner Buchpräsentation trat Bush sogar ungeniert für Foltermethoden ein und wähnt sich offenbar sicher, dafür nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Schau mal hier.
Mein Fazit bleibt bestehen: Folter ist ein Verbrechen. Folter erzwingt Geständnisse,
ob sie nun wahr sind oder nicht. Folter trifft
immer auch Unschuldige. Wer also foltert, wird zum
Täter und gehört bestraft.
Und jeder Staat, der Folter gutheisst, ist kein Rechtsstaat mehr.
Wenn man Terror mit Terror bekämft, ist man selbst Terrorist. Punkt.
PS:
