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Aus Ausgabe 29/01 | Weitere Artikel
Herrn Schweizers Herz schlägt fremd
Von Mathias Binswanger
Je internationaler die Schweiz, umso internationaler die Heiraten. Erstaunlich: Ehen zwischen Schweizern und Ausländerinnen sind dauerhafter, als manche denken
Reisen bildet nicht nur, es bindet auch: Schweizer Männer suchen sich als Ehepartnerinnen seit den siebziger Jahren immer öfter Frauen aus ärmeren Ländern Lateinamerikas, der Karibik, Südostasiens, Afrikas sowie der ehemaligen Sowjetunion.Dies belegt ein Blick in die neuste Heiratsstatistik der Schweiz. 1999 wurden bereits dreissig Prozent aller Ehen hierzulande zwischen Schweizern und Ausländerinnen aus diesen Gegenden der Welt geschlossen.
Vergleicht man die Statistik der Herzensangelegenheiten nüchtern mit der schweizerischen Aussenhandelsstatistik, fällt auf, dass im Jahre 1999 32,5 Prozent der Importe aus Deutschland und 10,2 Prozent aus Italien stammten, während Brasilien und Thailand nur einen Anteil von je 0,4 Prozent ausmachten. Die menschlichen und die wirtschaftlichen Beziehungen, welche die Schweiz mit dem Ausland knüpft, gehen also nicht Hand in Hand.
Konzentrieren wir uns auf die Schweizer Männer, dann waren Deutschland mit 10,6 Prozent und Italien mit 8,1 Prozent Anteil an der Gesamtzahl der Eheschliessungen mit Ausländerinnen zwar auch hier in führender Position. Doch gleich darauf folgen Brasilien mit 7 Prozent und Thailand mit 6,6 Prozent Anteil.
Brasilien und Thailand sind seit Jahren mit zwischen 500 und 600 Heiraten pro Jahr die absoluten Favoritenländer für exotische Ehepartnerinnen. 1999 folgt Russland mit 235 Heiraten an dritter Stelle, dicht dahinter die Dominikanische Republik mit 227 Heiraten. An fünfter Stelle liegen die Philippinen mit 163, an sechster Stelle Kolumbien mit 159 Heiraten.
Das erste afrikanische Land, Kenia, folgt hingegen mit 35 Heiraten erst unter «ferner liefen».
Während sich die Heiraten mit Brasilianerinnen und Thailänderinnen auf einem stabilen Niveau eingependelt haben, lassen sich bei den übrigen Ländern unterschiedliche Trends beobachten. Die Dominikanische Republik ist seit geraumer Zeit für heiratswillige Männer keine Spitzendestination mehr. Auch Heiraten mit Filipinas sind nicht mehr so in wie noch in den achtziger Jahren. Im Trend liegen Russland, Kolumbien und Kuba, wo die Heiraten mit Schweizern in der Zeit von 1995 bis 1999 Wachstumsraten von 57 Prozent, hundert Prozent beziehungsweise sogar vierhundert Prozent aufweisen. Kubanische Frauen haben sich die Gunst der Schweizer Männer gar im
Schnellzugstempo erobert: 1999 gab es bereits 69 Eheschliessungen zwischen Schweizern und Kubanerinnen.
Wie dauerhaft sind die Ehen mit exotischen Heiratspartnerinnen? Berechnet man die länderspezifischen Scheidungsquoten, ergeben sich Überraschungen. Um sinnvoll vergleichen zu können, muss man die Scheidungsquote zwischen Schweizer Bürgern und Bürgerinnen kennen. Sie lag im Jahre 1999 auf der Rekordhöhe von fünfzig Prozent. Da halten die Ehen mit Ausländerinnen im Allgemeinen doch wesentlich besser: Bei Ehen mit deutschen und italienischen Frauen liegt die Scheidungsquote etwa bei relativ guten vierzig Prozent.
Doch auch die Ehen zwischen Brasilianerinnen und Schweizern sowie Thailänderinnen und Schweizern sind dauerhafter, als man das gemeinhin erwartet. Die Scheidungsquoten liegen jeweils bei erstaunlich tiefen dreissig Prozent.
Auf geradezu traumhaft tiefe Scheidungsraten kommen Ehen mit Frauen aus Kolumbien (zwanzig Prozent) und Russland (fünfzehn Prozent). Diese Zahlen sind allerdings wenig aussagekräftig, da die Heiraten mit Frauen aus diesen Ländern zurzeit boomen und die Scheidungszahlen erst zeitlich verzögert zunehmen.
Gar nicht gut funktionieren Ehen hingegen mit Frauen aus der Dominikanischen Republik. Hier liegt die Scheidungsquote bei rund sechzig Prozent. Diese Tatsache hat sicherlich dazu beigetragen, dass Dominikanerinnen heute bei Schweizer Männern als Heiratskandidatinnen nicht mehr so hoch im Kurs stehen: Schlechte Erfahrungen sprechen sich schliesslich herum.
Ähnlich, wenn auch nicht ganz so drastisch sieht es bei den Ehen mit Filipinas aus. Dort liegt die Scheidungsquote bei etwa 45 Prozent.
Insgesamt hängen die Überlebenschancen der Ehe eines Schweizers mit einer Ausländerin erheblich vom Herkunftsland der Frau ab. Drum prüfe, wer sich auf ewig mit einer Dominikanerin binden will.
Welche Faktoren machen die Ehen mit Frauen aus exotischen Ländern im Vergleich zu rein schweizerischen Ehen so dauerhaft? Man könnte davon ausgehen, dass viele Frauen aus diesen Breitengraden ihren Schweizer Partner vor allem wegen des höheren Lebensstandards in der Schweiz geheiratet haben. In diesem Falle hätte die Frau bald nach Erwerb des Schweizer Bürgerrechts kein grosses Interesse mehr an einer Weiterführung der Ehe; die Scheidungsquoten müssten also in die Höhe schnellen. Doch selbst wenn der Schweizer Ehemann nicht nur aus Liebe geheiratet wurde, sind Ehen mit Frauen aus exotischen Ländern erstaunlich beständig. Erstens haben manche Frauen Angst, im Falle einer Scheidung das Land wieder verlassen zu müssen. Zweitens ist eine Schweizer Frau, die heutzutage typischerweise auch während der Ehe berufstätig bleibt, aufgrund ihres durchschnittlich höheren Bildungsniveaus finanziell viel unabhängiger als eine Ausländerin; sie hat deshalb bei einer Scheidung häufig nicht viel zu verlieren. Im Weiteren wirkt sich nicht nur das durchschnittlich tiefere Bildungsniveau der Ehefrauen aus exotischen Ländern, sondern auch die durchschnittlich höhere Anzahl der Kinder in den gemischten Ehen stabilisierend aus auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Und zudem gilt es zu berücksichtigen, dass der Altersunterschied bei Ehen mit Frauen aus exotischen Ländern häufig viel grösser ist als bei rein schweizerischen Ehen, da erstere oft nach dem Prinzip «Älterer Schweizer heiratet junge Exotin» geschlossen werden.
In solchen Ehen bildet sich nicht selten ein typisches Muster heraus, bei dem die Frau ein von ihrem Ehemann relativ unabhängiges Leben führt, mit ihren Kolleginnen ausgeht und sich einen jüngeren Lover zulegt, während der Mann schon zu erschöpft ist für solche Eskapaden. Trotzdem bleiben diese Ehen häufig auf dem Papier bestehen, auch wenn sie nicht mehr dem Idealfall entsprechen.
Mathias Binswanger ist Professor an der Fachhochschule Solothurn in Olten
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