«Geisterspiele sind schlimm für die echten Fans»
VON DER BAZ BEFRAGTE DAUERKARTENBESITZER ÜBER IHRE STIMMUNG VOR DEM ERSTEN FCB-HEIMSPIEL DER SAISON

REMO MEISTER (Text), STEFAN HOLENSTEIN (Fotos)
Sie gehören zu den wichtigsten «Kunden» des FC Basel - die Dauerkartenbesitzer. Ihre Treue bringt dem FCB ein Stück finanzielle Sicherheit. Die baz hat vier Dauerkartenbesitzer nach ihrem Empfinden vor dem ersten Geisterspiel befragt.
Es ist eine stolze Zahl, die der FC Basel vorweisen kann: Gut 24000 Saisonabonnemente verkaufte der Schweizer Meister für das Kalenderjahr 2006. Der Höchstwert aus dem Jahr 2004 liegt bei 25917 - seit nunmehr vier Jahren hat der FCB in diesem Bereich eine konstant hohe Verkaufszahl erzielt. Damit können sich die Basler im internationalen Vergleich ohne Weiteres sehen lassen. In der Zuschauerhochburg Deutschland etwa verkauften die 18 Bundesligavereine vor der letzten Saison durchschnittlich rund 22000 Dauerkarten, was eine Steigerung von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und Rekord bedeutete.
Weil die Dauerkartenbesitzer dem FC Basel Jahr für Jahr Einnahmen in beträchtlichem Umfang garantieren und zu den regelmässigsten Matchbesuchern gehören, hat die baz in verschiedenen Sektoren des St.-Jakob-Parks den Puls dieser treuen Fans gefühlt und sich nach ihrer Stimmung vor dem ersten Heimspiel der neuen Saison erkundigt.
noch nicht vergessen.
Alle Befragten machten eines schnell deutlich: Der 13. Mai, das verlorene Saisonfinale gegen den FC Zürich und die folgenden Ausschreitungen im und rund um den St.-Jakob-Park, sind noch nicht vergessen. Vor allem auch deshalb nicht, weil die Konsequenzen - gerade für die Dauerkartenbesitzer - deutlich spürbar sind.
Zum ersten Mal ist das heute Abend der Fall, wenn der FCB gegen Schaffhausen vor leeren Rängen antreten muss.
Die Massnahmen, die der FC Basel nach den Ausschreitungen in die Wege geleitet hat, stossen auf der einen Seite auf Verständnis, andererseits aber auch auf bitteren Widerstand. Diverse Fangruppen aus der Muttenzerkurve gehen gar soweit, dass sie - sobald die fünf Geisterspiele vorüber sind - eher die FCB-Heimspiele boykottieren werden als sich den Massnahmen zu beugen. Stein des Anstosses ist dabei vor allem die De-Anonymisierung (Fanpass) sowie der Fahnenpass.
Der Tenor der befragten Dauerkartenbesitzer geht dahin, dass die Massnahmen als hart, aber wohl notwendig empfunden werden. Einen Fan aus der Muttenzerkurve, der sich für einen Boykott der Heimspiele stark macht, hat die baz vergeblich für die Umfrage gesucht.
Roger Bucher D4 Muttenzerkurve
«Das, was am 13. Mai passiert ist, war nicht schön. Dass der FCB in den letzten Sekunden noch die Meisterschaft verlor, hat mich schwer getroffen, das war ein Stich mitten ins rotblaue Herz. Aber noch schlimmer war das, was nachher auf dem Feld passierte. Von unserer Gruppe war niemand auf das Feld gerannt, wir verliessen nachher geschlossen das Stadion. Jetzt bleibt einem nichts anderes übrig, als nach vorne zu schauen - trotz den verhängten Strafen. Mit den ersten beiden Geisterspielen kann ich leben, weil sie das ganze Stadion betreffen. Aber die anderen drei finde ich nicht in Ordnung, weil dann nur die Muttenzerkurve bestraft wird. Sonst wird bei Geisterspielen überall auf der Welt immer das ganze Stadion gesperrt. Ich denke, die Polizei hätte die Ausschreitungen verhindern können. Oder auch der FCB selbst, etwa mit einem Zaun vor der Muttenzerkurve.
Ich werde aber auf jeden Fall weiterhin an die FCB-Spiele gehen und auch meine Dauerkarte verlängern. Ich gebe, wenn nötig, auch meine Daten an, denn ich bin ein FCB-Fan und möchte es auch bleiben - und zwar in der Muttenzerkurve. Ich finde es korrekt, wenn man besser kontrolliert und wenn hart durchgegriffen wird. Ich freue mich auf die neue Meisterschaft, aber der FCB hat sehr viele Spieler ziehen lassen. Am Boykott gewisser Fans beteilige ich mich nicht, das bringt niemandem etwas.»
Ruth Grieder Sektor C4 Parkett, Reihe 8, Platz 341
«Nach dem Spiel gegen den FC Zürich am 13. Mai machten wir uns grosse Sorgen, weil zwei Söhne von uns in der Muttenzerkurve standen und wir nicht wussten, ob es ihnen gut geht. Als wir die beiden dann vor dem Stadion getroffen hatten, gingen wir zusammen nach Hause. Die Strafen, die nun nach den Ausschreitungen folgen, kann ich teilweise schon nachvollziehen. Aber es ist hart für alle unschuldigen Fans, auch jene in der Muttenzerkurve, die an den Krawallen nicht beteiligt waren. Aber klar ist natürlich, dass man irgendetwas tun musste.
Trotzdem freue ich mich, dass jetzt wieder Fussball gespielt wird - schade nur, dass wir nicht ins Stadion können. An meiner Beziehung zum FCB hat sich allerdings nichts verändert, ich stehe weiterhin voll hinter dem Club. Ich lasse mich davon überraschen, was die neue Saison sportlich bringen wird. Es ist schon ein seltsames Gefühl ohne Zubi im Tor, ohne Degen und Delgado. Aber ich hoffe doch sehr, dass der FCB den Meistertitel zurückholen kann.»
Walter Steinger Sektor B5 Balkon, Reihe 7, Platz 430
«Ich habe am 13. Mai in weiser Voraussicht meinen Sohn mit meiner Dauerkarte ans Spiel geschickt. Was dann passiert ist, war wirklich schlimm. Ich bin froh, dass mein Sohn wenigstens seine Kinder nicht mitgenommen hatte. Auch vom sportlichen Standpunkt her war dieser Tag schlimm für den FCB, ich habe das Spiel am Fernseher mitverfolgt. Es war wirklich deprimierend, die Meisterschaft so zu verlieren. Aber am Ende muss man wohl sagen: So etwas kann passieren. Ich und mein Bruder werden unsere Dauerkarten auf jeden Fall wieder verlängern. Ich glaube, dass es jetzt mit den Massnahmen, die getroffen werden sollen, besser wird. Ich kann allerdings nicht begreifen, wie einige Leute in der Muttenzerkurve dagegen sein können. Wer sich anständig verhält, hat auch in Zukunft nichts zu befürchten. Diese Konsequenzen waren jetzt wirklich fällig. Und trotzdem: Das mit den Geisterspielen ist schlimm für den Club und die vielen echten Fans, die man damit bestraft.
Für die neue Saison bin ich positiv gestimmt. Einige Spieler sind gegangen, einige gekommen. Ich finde es zum Beispiel gut, dass der FCBmit einem neuen Goalie in die Saison geht. Man musste allgemein etwas Neues in die Mannschaft bringen, das bringt Spannung und durchbricht die Lethargie der vergangenen Saison. Positiv finde ich auch, dass jetzt die Jungen vielleicht ein bisschen mehr zum Einsatz kommen werden. Ob der FCB Meister werden kann, bin ich mir aber nicht mehr so sicher.»
Monika Müller Sektor A3 Parkett, Reihe 8, Platz 241
«An den Abschluss der letzten Saison habe ich ganz schlimme Erinnerungen. Wir verschwanden zum Glück schnell aus dem Stadion, passiert ist uns also nichts. Trotzdem, wir werden unsere Dauerkarte für das nächste Jahr nicht verlängern. Mitleid mit dem FCB wegen der Konsequenzen habe ich nicht, der Club ist mitverantwortlich für die Ausschreitungen, die Vorkehrungen hätten besser sein müssen. Dumm ist einfach, dass wegen ein paar Idioten die Strafe so extrem ausfällt und so viele Fans betroffen sind. Unterstützen werde ich den Verein aber nach wie vor.
Schade finde ich, dass wir ausser den Uefa-Cup-Karten nichts zurückbekommen. Mit unseren Dauerkarten können wir normalerweise vom Catering profitieren, das fällt jetzt aber weg. Eine Geste vom Verein wäre diesbezüglich schön, es muss ja nichts Grosses sein, vielleicht ein Klöpfer und ein Bier oder so.
Mit der Freude über den Start in die neue Saison hält es sich bei mir in Grenzen, ich hoffe einfach, dass der FCB in Zukunft alles im Griff haben wird, auch bei den «heissen» Spielen. Und das Sportliche? Es haben ja schon viele Spieler den Verein verlassen, doch vielleicht müsste man eher Christian Gross gehen lassen, ich glaube er hat einiges verhunzt. Er hat gewisse Spieler, etwa David Degen, nicht korrekt behandelt. Alles in allem hoffe ich einfach, dass die FCB-Spiele wieder zu dem werden, was sie früher waren. Nämlich zu einem schönen Anlass für die ganze Familie.»