25. April 2006, 07:32, NZZ Online
Neue Dimension im Fussball-Geschäft
Erpresserische Geldforderungen rund um den FCZ-Stürmer Rafael
Die Nachricht hatte sich in Windeseile verbreitet. Nach dem Verschwinden von Rafael vor dem Spiel in St. Gallen erschien am Montag auch Cesar, der zweite FCZ-Brasilianer, nicht zum Training. Die Gerüchteküche begann zu brodeln. Ob Rafael von den beiden Spieleragenten für die Zeit des Spiels in St. Gallen festgehalten wurde oder ob er sogar aus eigenem Willen auf das Spiel verzichtet hat, ist noch nicht bekannt.
Von Rolf Wesbonk
Handelte es sich auch im Fall von Cesar um ein «Kidnapping», wie Trainer Favre am Sonntag an der Pressekonferenz im Espenmoos die Abwesenheit von Rafael mit aufgeregter Stimme kommentiert hatte? War den Zürchern nicht nur der «Böögg» des traditionellen Sechseläutens auf unerklärliche Weise abhanden gekommen, sondern auch ein überaus talentiertes Fussballer-Duo? Nun, im Laufe des Tages nahm die Geschichte eine neue Wende. Cesar hatte das Training schlicht und ergreifend verschlafen - dies, weil er offenbar die ganze Nacht im Gespräch mit seinem Freund Rafael verbracht hatte. Denn am Sonntagabend war Rafael gegen 22 Uhr auf der Hauptwache der Zürcher Stadtpolizei erschienen - aus freien Stücken, wie Polizeisprecher Mario Cortesi mitteilte.
Rafael erneut abgetaucht
Damit wurde auch die vom FCZ eingereichte Vermisstenanzeige hinfällig. Hinterher traf sich Cesar mit dem Landsmann, und er versuchte, Rafael zur Vernunft zu bringen. Der umschwärmte Stürmer versprach dem älteren Kollegen, anderntags zum Training zu erscheinen. Doch der Goalgetter fehlte am Montag; er war erneut abgetaucht. Cortesi sagt, dass die Behörden sehr genau im Bild seien, wo sich Rafael aufhalte. Aus Gründen des Datenschutzes bleibe jedoch die Adresse geheim. Zu vermuten ist, dass die Stadtpolizei auch den Aufenthaltsort der beiden Spielervermittler kennt. Denn gegen diese läuft eine vom FCZ eingereichte Klage wegen Erpressung.
Die Agenten hatten gegenüber dem Verein finanzielle Forderungen gestellt - ohne deren Erfüllung würde Rafael dem Klub nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Vermittler sind der Ansicht, dass der Vertrag mit dem 21-jährigen Stürmer nicht rechtens sei und der Spieler weit unter seinem Wert bezahlt werde. Marduy, einer der beiden Agenten, liess durchblicken, dass er ein rechtliches Gutachten aus Brasilien erwarte, das die Unrechtmässigkeit des abgeschlossenen Vertrages bestätige. Rafael wiederum sagte (wohl unter dem Druck seiner «Bewacher», zu denen sich noch ein Schweizer Vermittler gesellt hat): «Ich bin mit dem Lohn unzufrieden, und wenn dieses Problem nicht gelöst wird, werde ich den FC Zürich verlassen.»
Von den Agenten massiv eingeschüchtert
Dass der kleine Stürmer tatsächlich dieser Meinung ist, muss bezweifelt werden. Denn gegenüber Cesar beklagte sich Rafael, die Agenten hätten ihn massiv eingeschüchtert. Unter anderem mit der Drohung, Rafael halte sich illegal in der Schweiz auf. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Vertrag zwischen dem FC Zürich und dem FC Chiasso, wo der Brasilianer zuvor spielte, korrekt ist. Ob dies auch für den Übertritt des Stürmers vom brasilianischen Verein CA Juventus São Paulo zum vom einstigen FCZ-Spieler Grassi geführten Tessiner Verein gilt, ist schwierig abzuschätzen.
Wären jedoch damals gravierende Mängel im Vertragswerk vorhanden gewesen, hätte die Swiss Football League die Lizenz nicht erteilt. Deshalb ist zu vermuten, dass die beiden Agenten mit massiven Drohungen sowie einem unverfrorenen Auftreten hoffen, viel Geld aus dem verursachten Wirbel herauszupressen. Dass sie dabei die Karriere eines hoffnungsvollen Fussballers mutwillig auf Spiel setzen, dürfte sie kaum interessieren. Marduy will sich am Dienstag mit Präsident Hotz an einen Tisch setzen. Der FCZ-Boss wird diesem Ansinnen kaum nachkommen. Mit Leuten dieses Schlages verhandelt er prinzipiell nicht, zumal es hier auf eine Erpressung hinausläuft.
Rafael droht weltweites Arbeitsverbot
Die Stadtpolizei will zu der versuchten Nötigung keine Stellung nehmen. Es gelte vorerst, Abklärungen zu treffen und alle Beteiligten in die Ermittlungen einzubeziehen. Zum angeblich viel zu tiefen Salär Rafaels (die Rede ist von 4000 Franken) ist zu erwähnen, dass dieses vor zehn Tagen nochmals massiv erhöht wurde. Mit geschätzten 200'000 Franken zählt er heute zu den gut verdienenden Fussballern im FCZ. Sollte er trotz gültigem Vertrag bis 2009 den Klub verlassen, riskiert er ein weltweites Arbeitsverbot. Zu hoffen bleibt, dass der Klub in dieser Sache konsequent bleibt. Reissen nämlich solche Machenschaften einmal ein, ist an einen geordneten Spielbetrieb nicht mehr zu denken.
http://www.nzz.ch/2006/04/25/sp/newzzEMFS8TWV-12.html