Re: Michael Lang
Verfasst: 01.03.2023, 11:27
Tilman Pauls, in der BaZ vom 01.03.2023
Montagmittag. Vor nicht mal 24 Stunden hat der FC Basel im Cornaredo gegen den FC Lugano gespielt – und jetzt sitzt Michael Lang schon wieder im Pressezentrumdes St.-Jakob-Parks, um über seine Saison und seine Zukunft zu sprechen. Er ist ein paar Minuten später als angekündigt, das Training sowie das Videostudium haben etwas länger gedauert.
Michael Lang, gab es noch viel aufzuarbeiten nach dem 2:2 gegen Lugano?
Es hat sich im normalen Rahmen bewegt.Wir haben uns in der Videositzung noch mal die eine oder andere Szene aus der Partie angeschaut.
Besonders aus der ersten Hälfte?
Auch. Wir haben besonders in der ersten Halbzeit taktische Fehler gemacht, die dazu geführt haben, dass wir viele Bälle verloren haben.Wir sind vielfach gar nicht in die Umschaltmomente gekommen, die wir provozieren wollten. Das ist etwas, das uns gegen Trabzonspor sehr gut gelungen ist. Darum haben wir uns auch noch ein paar Bilder vom Spiel am Donnerstag angesehen. Denn bei so vielen Partien in so kurzer Zeit vergisst man manchmal, dass man gewisse Dinge erst vor drei, vier Tagen sehr gut umgesetzt hat.
Neben den taktischen Aspekten ist in Lugano erneut die Mentalität des FCBasel aufgefallen. Der Auftritt war nach der Halbzeit – neben allen personellen Wechseln – ein spürbar anderer.
Das stimmt, aber die Situation war auch nicht einfach.
Was meinen Sie?
Am Donnerstag hast du ein extrem wichtiges, kräftezehrendes Heimspiel vor fast 25’000 Zuschauern, in dem es um alles geht. Und dann spielst du am Sonntag vor etwas mehr als 3000 Menschen in einem leeren Stadion. Das soll kein Vorwurf oder eine Entschuldigung sein. Aber es ist halt eine andere Situation. Als Spieler weisst du: Ich darf heute trotzdem nicht unter ein gewisses Niveau fallen. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Und leider haben zu Beginn der Partie in Lugano nicht alle ihr normales Niveau erreicht.
Sie nach Ihrer Einwechslung hingegen schon, oder?
Wir haben nach der Pause als Mannschaft insgesamt weniger taktische Fehler gemacht. Aber ja, ich bin sicher nicht abgefallen. (schmunzelt)
Kriegt man in der Videositzung eigentlich auch mal ein Lob für ein Tor wie jenes zum 2:2?
Ab und zu kommt das durchaus vor, je nach Situation und Aktion. Ich habe zwar keins bekommen, aber das brauche ich auch nicht. Ich kann meine Leistung auch so ganz gut einordnen. Und mir war vor allem wichtig, dass wir nach der Pause eine gewisse Mentalität auf den Platz bringen. In der ersten Hälfte haben wir die Partie in gewissen Phasen einfach akzeptiert,wir haben es über uns ergehen lassen. Viele Spieler waren mit sich selbst und ihrem Spiel beschäftigt. Abgesehen von Taulant Xhaka war kaum einer da, der mit seinem Auftreten gezeigt hat: «Freunde,wir sind der FC Basel, ihr könnt nicht einfach alles machen, was ihr wollt!»
Sitzt man dann auf der Bank und denkt: Diese Einstellung kann ich bringen, wenn der Trainer mich einwechselt!
Ich bin nicht der Typ, der sagt: «Trainer, bring mich! Ich weiss, was zu tun ist! Mit mir wird alles besser!» Aber in Lugano war mir klar, dass wir besser kommunizieren und dagegenhalten müssen. Und mir war auch klar, dass ich dem Team in dieser Hinsicht helfen kann. Am Ende haben Sie auch mit Ihrem Tor geholfen. Das ist natürlich umso besser. Denn eine Niederlage hätten wir uns fast nicht erlauben dürfen. Wir können nicht ständig über den zweiten Platz reden und sagen: Es sind nur sechs oder sieben Punkte. Wenn wir den Rückstand verkleinern wollen, brauchen wir mal einen Lauf mit mehreren Siegen in Folge. Klar, bei dem Spielverlauf und nach der Partie am Donnerstag müssen wir im Fall des Lugano Spiels sagen: Einen Punkt nehmen wir gern mit! Aber insgesamt ist dieses Unentschieden zu wenig, wenn wir am Ende Zweiter werden wollen.
Sie haben in den letzten beiden Partien je einen Skorerpunkt gesammelt, insgesamt sind es in dieser Saison acht. Zufrieden?
Acht Skorerpunkte sind für einen Verteidiger sicher überdurchschnittlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich nicht jedes Spiel bestritten habe. Wie sehr trübt das Ihre Saisonbilanz? Dass Sie zwar einerseits Skorerpunkte haben, aber nicht mehr so häufig zum Einsatz kommen? Zu hundert Prozent bist du als Spieler sowieso nie zufrieden. Es geht immer besser. Aktuell bin ich zufrieden, ich merke, dass ich gut in Form bin, und das kann man zu einem gewissen Teil auch an meinen Skorerpunkten aus den letzten Spielen ablesen. Aber es gab auch Phasen in dieser Saison, in denen ich überhaupt nicht zufrieden war mit meiner Situation.
In der Vorrunde?
Es gab gewisse Phasen, in denen ich das Gefühl hatte: Einige Spieler bekommen immerwieder ihre Chance, während andere nach einem schwachen Auftritt als der Schuldige ausgemacht wurden. Es waren zum Glück nie mehr als drei Spiele am Stück, in denen ich auf der Bank gesessen habe. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, da habe ich mir natürlich Gedanken gemacht und mich gefragt: Wie wichtig bin ich eigentlich noch für diese Mannschaft?
Kratzt das am Selbstvertrauen?
Klar. Ich habe immer gesagt, dass ich kein Spieler sein will, der wahrgenommen wird, weil er neben dem Platz wichtig ist. Weil er ein gewisses Alter hat. Weil er ein gewisses Standing hat. Weil er früher mal ein, zwei wichtige Tore geschossen hat. Natürlich ist es schön, das alles erreicht zu haben. Aber ich will wahrgenommen werden, weil ich fussballerisch wichtig bin für mein Team. Und dann stellst du dir natürlich solche Fragen, wenn du gar nicht die Chance bekommst. Dass man bei Ihnen so genau auf die Einsatzzeiten blickt, hat auch mit Ihrem auslaufenden Vertrag zu tun. Es gab in den vergangenen Monaten einige Spieler, bei denen man nicht genau wusste, ob es weitergeht, ob es nicht weitergeht, in welche Richtung es weitergeht.
In welche Richtung geht es denn bei Ihnen weiter?
Mein Vertrag läuft in diesem Sommer aus. Das ist der aktuelle Stand.
Das heisst: Im Sommer ist Ihre Zeit beim FC Basel beendet.
So sieht es aktuell aus, ja.
Als Sie im Sommer 2021 nach Basel zurückgekehrt sind, hiess es, dass Ihr Vertrag bis 2023 gültig ist – mit einer Option auf ein weiteres Jahr. Genau.
Diese Verlängerungsklausel wurde aber inzwischen entfernt.
Ja, das ist korrekt. Sie wurde entfernt.
Wann?
In der Winterpause gab es Gespräche zwischen mir und dem Verein, und wir haben uns dazu entschieden, die Klausel zu entfernen – die Idee dazu kam natürlich nicht von mir.
Wann war das genau?
Es gab ja eine Winterpause mit dem Sportdirektor Heiko Vogel und eine Winterpause ohne den Sportdirektor Heiko Vogel. Wir haben uns im alten Jahr zusammengesetzt und die Klausel entfernt,also zu einer Zeit, als Heiko Vogel noch nicht beim FCB war.
Warum wurde die Klausel entfernt? Sie hätten ab einer gewissen Anzahl an Einsätzen noch ein Jahr beim FCB spielen können.
(Pause) Weil es diese Klausel jetzt einfach nicht mehr gibt. Und ich möchte betonen, dass die Gespräche immer fair und transparent waren.
Es gab – wie im Fall von Taulant Xhaka übrigens auch – Gerüchte, dass Sie eben wegen jener Klausel in der Vorrunde nicht so viele Einsätze gehabt hätten. Damit sich Ihr Vertrag nicht automatisch um ein Jahr verlängert. Ist das so?
Das kann ich nicht beurteilen.
Wieso nicht? Theoretisch könnte Ihnen der Trainer oder Chief Football Officer David Degen ja mitgeteilt haben: Michi, du spielst nicht mehr so oft, weil wir uns eine Verlängerung deines Vertrags aus finanzieller Sicht einfach nicht leisten können.
Theoretisch könnte das sein, ja. Aber jetzt ist der Fall ja klar: Es gibt keine Klausel mehr in meinem Vertrag, und ich muss mir keine Gedanken mehr machen. Als Spieler kann man ja immer die Schuld bei anderen suchen, wenn man nicht spielt. Nur als Beispiel: Wenn ich in den kommenden Wochen auf der Bank sitze, kann ich mir sagen: Das liegt eh daran, dass mein Vertrag ausläuft und der Verein im Sommer mit mir keine Ablösesumme mehr erzielt. Aber so bin ich nicht. Und ich bin jetzt in einer Situation, in der ich mich unbelastet auf mich und meine Leistungen konzentrieren kann. Dann schaue ich, was sich im Sommer ergibt, und wäge meine Möglichkeiten ab.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihr Ende beim FCB?
Es gibt zwei Seiten. Für mich ist klar, dass ich noch zwei, drei gute Jahre in mir habe.Wenn zum Beispiel einTeam aus der MLS kommen würde, dann kann ich mir durchaus vorstellen, so ein Abenteuer zu wagen. Noch mal was anderes, was Neues, dafür bin ich offen. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass der FCB mein Club geworden ist. Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es einen Weg gibt und ich doch über den Sommer hinaus hierbleibe.
Ach ja?
Wenn der FCB am Ende der Saison zu mir kommt und sagt: Wir wollen nach den Leistungen der letzten Wochen unbedingt mit dir verlängern – dann kann ich mir das sehr gut vorstellen. Ich fühle mich hier wohl und habe das Gefühl, dass ich noch immer einen Mehrwert für die Mannschaft habe. Nicht nur neben dem Platz.
Wenn Sie jetzt noch acht weitere Skorerpunkte liefern, könnte es im Sommer also doch noch eine Basler Zukunft für Michael Lang geben? Ich hoffe nicht, dass so eine Entscheidung nur anhand von Skorerpunkten getroffen wird. (lacht)
Wenn Ihr Vertrag im Sommer ausläuft, könnten Sie aber auch jetzt bei einem neuen Club unterschreiben. Haben Sie das bereits getan?
Ich weiss nicht genau, ob es tatsächlich ab dem 1. Januar gilt. Aber ja, ein halbes Jahr vor dem Vertragsende darf man bei einem neuen Club unterschreiben.
Die Frage war aber, ob Sie das bereits getan haben.
Das kann und will ich Ihnen nicht beantworten.
Keine Antwort ist manchmal auch eine Antwort.
(schweigt)
Ist für Sie ausgeschlossen, dass Sie Ihre Karriere im Sommer beenden?
Das ist ausgeschlossen, ja. Ich weiss, dass das Karriereende immer näher kommt, ich bin jetzt 32. Ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass ich eher nicht mehr in die SerieAoder die Bundesliga wechsle. Aber ich habe weiterhin Lust auf Fussball, gehe jeden Tag mit Freude auf den Platz und weiss, dass ich mit meinen Qualitäten noch immer einen Mehrwert biete.
Es ist vielleicht noch etwas früh für diese Frage, aber wie fällt das Fazit Ihrer zweiten Ära beim FCB aus? Komplett zufrieden können Sie mit Ihrer Rückkehr nach Basel wohl kaum sein, oder?
Mir war bewusst, dass ich nicht in den gleichen Club zurückkehre, den ich vor fünf Jahren verlassen habe. Der FCB ist nicht mehr der alles dominierende Club der Schweiz, der Serienmeister. Es gab viele Änderungen, und das Konstrukt ist deutlich weniger gefestigt als damals. Aber das wusste ich vor meiner Rückkehr. Und darum war ich auch nicht überrascht, dass es nicht immer einfach ist.
Bereuen Sie es?
Auf keinen Fall. Der FCB ist für mich noch immer der grösste Verein der Schweiz und hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Und es ist ja auch nicht so, dass alles schlecht ist. Überhaupt nicht. Ich finde, dass sich der Club und die Mannschaft in die richtige Richtung entwickeln.
Woran machen Sie das fest?
Es gab eine Phase, habe ich das Gefühl, in der es viele junge Spieler gab, die den FCB als Sprungbrett für ihren nächsten Schritt gesehen haben. Aber ich habe damals nach meinem Wechsel von GC gelernt: Der FCB ist kein Sprungbrett. Der FCB ist ein Verein, bei dem du bleibst und bei dem du dich wohl fühlst. Der Rest ergibt sich dann von ganz allein. Das musste einigen vielleicht erst klar werden. Aber ich finde, dass sich in dieser Hinsicht etwas entwickelt hat.
Aber es ist weiterhin so, dass der Verein vermehrt auf junge Talente setzt. Und dass der Druck auf die Routiniers Frei, Xhaka und Lang damit unweigerlich steigt.
Das empfinde ich durchaus so, ja. Die Diskussion in den letzten Monaten lautete oft: Kann man alle drei oder – mit Marwin Hitz – vier Routiniers zusammen spielen lassen? Geht das? Dabei haben andere Teams sechs, sieben, acht erfahrene Spieler auf dem Platz, und es ist überhaupt kein Thema. Da ist die Wahrnehmung zum Teil etwas verzerrt. Denn wir erfahrenen Spieler können unsere Qualitäten definitiv in die Mannschaft bringen, davon bin ich überzeugt.
Ist da Frust oder Enttäuschung, dass Ihre Zeit beim FCB wahrscheinlich im Sommer endet?
Wir hatten in der Winterpause sehr gute Gespräche, und ich glaube, man merkt mir auch an, dass ich nicht frustriert oder genervt bin. Ich will noch etwas erreichen.
Also ist auch nichts in Ihrem Verhältnis zu David Degen hängen geblieben?
Nein, überhaupt nicht. Für mich war einfach wichtig, dass ich mich voll auf den Fussball konzentrieren und die Saison so gut wie möglich abschliessen kann. Für mich steht fest: Ich will mit dem FCB noch einen Titel feiern. Dass das nicht die Meisterschaft wird, das wissen wir. Also konzentrieren wir uns auf den Cup. Und auch in der Conference League haben wir mit Slovan ein unangenehmes, aber machbares Los erhalten,wennwir so auftreten wie zuletzt gegen Trabzon.
Am nächsten an einem Titel ist man aber im Schweizer Cup.
Dort ist der Weg definitiv der kürzeste. Aber wenn ich höre, es sei der einfachste, dann muss ich schon schmunzeln. Wir spielen auswärts in Aarau, auswärts in Zürich, auswärts in St. Gallen – und in einem möglichen Halbfinal wahrscheinlich noch auswärts in Bern oder Thun. Das ist alles andere als einfach.
Allein darum hat der Viertelfinal am Mittwoch in St. Gallen einen besonderen Stellenwert, oder?
Natürlich. Das wird ein wichtiges, wenn auch schwieriges Spiel. Aber ganz ehrlich: Lieber spiele ich am Mittwoch in St.Gallen in einem ausverkauften Stadion und alle brennen auf diese Partie, als wenn du in Lugano in einem halb leeren Stadion stehst und nicht von Anfang an mit dem Kopf dabei bist. Wir werden schon bei der Ankunft im Bus merken, dass die Hütte brennt. Das sind die besten Spiele, die du als Fussballer erleben kannst.
---
Grundsympathischer Typ und ein guter Fussballer, ich hoffe, wir behalten ihn noch ein bis zwei Jahre.
Freue mich immer, wenn ich ihn mit seiner Familie im Schützenmattpark begegne. Down to earth, keine Starallüren. Weiss, was er kann und was nicht. Wir brauchen Konstanz. Und Konstanz erreichst du nur mit gestandenen Spielern, die für unsere Farben spielen und wissen, was der Club der Stadt und den Fans bedeutet.
Montagmittag. Vor nicht mal 24 Stunden hat der FC Basel im Cornaredo gegen den FC Lugano gespielt – und jetzt sitzt Michael Lang schon wieder im Pressezentrumdes St.-Jakob-Parks, um über seine Saison und seine Zukunft zu sprechen. Er ist ein paar Minuten später als angekündigt, das Training sowie das Videostudium haben etwas länger gedauert.
Michael Lang, gab es noch viel aufzuarbeiten nach dem 2:2 gegen Lugano?
Es hat sich im normalen Rahmen bewegt.Wir haben uns in der Videositzung noch mal die eine oder andere Szene aus der Partie angeschaut.
Besonders aus der ersten Hälfte?
Auch. Wir haben besonders in der ersten Halbzeit taktische Fehler gemacht, die dazu geführt haben, dass wir viele Bälle verloren haben.Wir sind vielfach gar nicht in die Umschaltmomente gekommen, die wir provozieren wollten. Das ist etwas, das uns gegen Trabzonspor sehr gut gelungen ist. Darum haben wir uns auch noch ein paar Bilder vom Spiel am Donnerstag angesehen. Denn bei so vielen Partien in so kurzer Zeit vergisst man manchmal, dass man gewisse Dinge erst vor drei, vier Tagen sehr gut umgesetzt hat.
Neben den taktischen Aspekten ist in Lugano erneut die Mentalität des FCBasel aufgefallen. Der Auftritt war nach der Halbzeit – neben allen personellen Wechseln – ein spürbar anderer.
Das stimmt, aber die Situation war auch nicht einfach.
Was meinen Sie?
Am Donnerstag hast du ein extrem wichtiges, kräftezehrendes Heimspiel vor fast 25’000 Zuschauern, in dem es um alles geht. Und dann spielst du am Sonntag vor etwas mehr als 3000 Menschen in einem leeren Stadion. Das soll kein Vorwurf oder eine Entschuldigung sein. Aber es ist halt eine andere Situation. Als Spieler weisst du: Ich darf heute trotzdem nicht unter ein gewisses Niveau fallen. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Und leider haben zu Beginn der Partie in Lugano nicht alle ihr normales Niveau erreicht.
Sie nach Ihrer Einwechslung hingegen schon, oder?
Wir haben nach der Pause als Mannschaft insgesamt weniger taktische Fehler gemacht. Aber ja, ich bin sicher nicht abgefallen. (schmunzelt)
Kriegt man in der Videositzung eigentlich auch mal ein Lob für ein Tor wie jenes zum 2:2?
Ab und zu kommt das durchaus vor, je nach Situation und Aktion. Ich habe zwar keins bekommen, aber das brauche ich auch nicht. Ich kann meine Leistung auch so ganz gut einordnen. Und mir war vor allem wichtig, dass wir nach der Pause eine gewisse Mentalität auf den Platz bringen. In der ersten Hälfte haben wir die Partie in gewissen Phasen einfach akzeptiert,wir haben es über uns ergehen lassen. Viele Spieler waren mit sich selbst und ihrem Spiel beschäftigt. Abgesehen von Taulant Xhaka war kaum einer da, der mit seinem Auftreten gezeigt hat: «Freunde,wir sind der FC Basel, ihr könnt nicht einfach alles machen, was ihr wollt!»
Sitzt man dann auf der Bank und denkt: Diese Einstellung kann ich bringen, wenn der Trainer mich einwechselt!
Ich bin nicht der Typ, der sagt: «Trainer, bring mich! Ich weiss, was zu tun ist! Mit mir wird alles besser!» Aber in Lugano war mir klar, dass wir besser kommunizieren und dagegenhalten müssen. Und mir war auch klar, dass ich dem Team in dieser Hinsicht helfen kann. Am Ende haben Sie auch mit Ihrem Tor geholfen. Das ist natürlich umso besser. Denn eine Niederlage hätten wir uns fast nicht erlauben dürfen. Wir können nicht ständig über den zweiten Platz reden und sagen: Es sind nur sechs oder sieben Punkte. Wenn wir den Rückstand verkleinern wollen, brauchen wir mal einen Lauf mit mehreren Siegen in Folge. Klar, bei dem Spielverlauf und nach der Partie am Donnerstag müssen wir im Fall des Lugano Spiels sagen: Einen Punkt nehmen wir gern mit! Aber insgesamt ist dieses Unentschieden zu wenig, wenn wir am Ende Zweiter werden wollen.
Sie haben in den letzten beiden Partien je einen Skorerpunkt gesammelt, insgesamt sind es in dieser Saison acht. Zufrieden?
Acht Skorerpunkte sind für einen Verteidiger sicher überdurchschnittlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich nicht jedes Spiel bestritten habe. Wie sehr trübt das Ihre Saisonbilanz? Dass Sie zwar einerseits Skorerpunkte haben, aber nicht mehr so häufig zum Einsatz kommen? Zu hundert Prozent bist du als Spieler sowieso nie zufrieden. Es geht immer besser. Aktuell bin ich zufrieden, ich merke, dass ich gut in Form bin, und das kann man zu einem gewissen Teil auch an meinen Skorerpunkten aus den letzten Spielen ablesen. Aber es gab auch Phasen in dieser Saison, in denen ich überhaupt nicht zufrieden war mit meiner Situation.
In der Vorrunde?
Es gab gewisse Phasen, in denen ich das Gefühl hatte: Einige Spieler bekommen immerwieder ihre Chance, während andere nach einem schwachen Auftritt als der Schuldige ausgemacht wurden. Es waren zum Glück nie mehr als drei Spiele am Stück, in denen ich auf der Bank gesessen habe. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, da habe ich mir natürlich Gedanken gemacht und mich gefragt: Wie wichtig bin ich eigentlich noch für diese Mannschaft?
Kratzt das am Selbstvertrauen?
Klar. Ich habe immer gesagt, dass ich kein Spieler sein will, der wahrgenommen wird, weil er neben dem Platz wichtig ist. Weil er ein gewisses Alter hat. Weil er ein gewisses Standing hat. Weil er früher mal ein, zwei wichtige Tore geschossen hat. Natürlich ist es schön, das alles erreicht zu haben. Aber ich will wahrgenommen werden, weil ich fussballerisch wichtig bin für mein Team. Und dann stellst du dir natürlich solche Fragen, wenn du gar nicht die Chance bekommst. Dass man bei Ihnen so genau auf die Einsatzzeiten blickt, hat auch mit Ihrem auslaufenden Vertrag zu tun. Es gab in den vergangenen Monaten einige Spieler, bei denen man nicht genau wusste, ob es weitergeht, ob es nicht weitergeht, in welche Richtung es weitergeht.
In welche Richtung geht es denn bei Ihnen weiter?
Mein Vertrag läuft in diesem Sommer aus. Das ist der aktuelle Stand.
Das heisst: Im Sommer ist Ihre Zeit beim FC Basel beendet.
So sieht es aktuell aus, ja.
Als Sie im Sommer 2021 nach Basel zurückgekehrt sind, hiess es, dass Ihr Vertrag bis 2023 gültig ist – mit einer Option auf ein weiteres Jahr. Genau.
Diese Verlängerungsklausel wurde aber inzwischen entfernt.
Ja, das ist korrekt. Sie wurde entfernt.
Wann?
In der Winterpause gab es Gespräche zwischen mir und dem Verein, und wir haben uns dazu entschieden, die Klausel zu entfernen – die Idee dazu kam natürlich nicht von mir.
Wann war das genau?
Es gab ja eine Winterpause mit dem Sportdirektor Heiko Vogel und eine Winterpause ohne den Sportdirektor Heiko Vogel. Wir haben uns im alten Jahr zusammengesetzt und die Klausel entfernt,also zu einer Zeit, als Heiko Vogel noch nicht beim FCB war.
Warum wurde die Klausel entfernt? Sie hätten ab einer gewissen Anzahl an Einsätzen noch ein Jahr beim FCB spielen können.
(Pause) Weil es diese Klausel jetzt einfach nicht mehr gibt. Und ich möchte betonen, dass die Gespräche immer fair und transparent waren.
Es gab – wie im Fall von Taulant Xhaka übrigens auch – Gerüchte, dass Sie eben wegen jener Klausel in der Vorrunde nicht so viele Einsätze gehabt hätten. Damit sich Ihr Vertrag nicht automatisch um ein Jahr verlängert. Ist das so?
Das kann ich nicht beurteilen.
Wieso nicht? Theoretisch könnte Ihnen der Trainer oder Chief Football Officer David Degen ja mitgeteilt haben: Michi, du spielst nicht mehr so oft, weil wir uns eine Verlängerung deines Vertrags aus finanzieller Sicht einfach nicht leisten können.
Theoretisch könnte das sein, ja. Aber jetzt ist der Fall ja klar: Es gibt keine Klausel mehr in meinem Vertrag, und ich muss mir keine Gedanken mehr machen. Als Spieler kann man ja immer die Schuld bei anderen suchen, wenn man nicht spielt. Nur als Beispiel: Wenn ich in den kommenden Wochen auf der Bank sitze, kann ich mir sagen: Das liegt eh daran, dass mein Vertrag ausläuft und der Verein im Sommer mit mir keine Ablösesumme mehr erzielt. Aber so bin ich nicht. Und ich bin jetzt in einer Situation, in der ich mich unbelastet auf mich und meine Leistungen konzentrieren kann. Dann schaue ich, was sich im Sommer ergibt, und wäge meine Möglichkeiten ab.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihr Ende beim FCB?
Es gibt zwei Seiten. Für mich ist klar, dass ich noch zwei, drei gute Jahre in mir habe.Wenn zum Beispiel einTeam aus der MLS kommen würde, dann kann ich mir durchaus vorstellen, so ein Abenteuer zu wagen. Noch mal was anderes, was Neues, dafür bin ich offen. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass der FCB mein Club geworden ist. Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es einen Weg gibt und ich doch über den Sommer hinaus hierbleibe.
Ach ja?
Wenn der FCB am Ende der Saison zu mir kommt und sagt: Wir wollen nach den Leistungen der letzten Wochen unbedingt mit dir verlängern – dann kann ich mir das sehr gut vorstellen. Ich fühle mich hier wohl und habe das Gefühl, dass ich noch immer einen Mehrwert für die Mannschaft habe. Nicht nur neben dem Platz.
Wenn Sie jetzt noch acht weitere Skorerpunkte liefern, könnte es im Sommer also doch noch eine Basler Zukunft für Michael Lang geben? Ich hoffe nicht, dass so eine Entscheidung nur anhand von Skorerpunkten getroffen wird. (lacht)
Wenn Ihr Vertrag im Sommer ausläuft, könnten Sie aber auch jetzt bei einem neuen Club unterschreiben. Haben Sie das bereits getan?
Ich weiss nicht genau, ob es tatsächlich ab dem 1. Januar gilt. Aber ja, ein halbes Jahr vor dem Vertragsende darf man bei einem neuen Club unterschreiben.
Die Frage war aber, ob Sie das bereits getan haben.
Das kann und will ich Ihnen nicht beantworten.
Keine Antwort ist manchmal auch eine Antwort.
(schweigt)
Ist für Sie ausgeschlossen, dass Sie Ihre Karriere im Sommer beenden?
Das ist ausgeschlossen, ja. Ich weiss, dass das Karriereende immer näher kommt, ich bin jetzt 32. Ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass ich eher nicht mehr in die SerieAoder die Bundesliga wechsle. Aber ich habe weiterhin Lust auf Fussball, gehe jeden Tag mit Freude auf den Platz und weiss, dass ich mit meinen Qualitäten noch immer einen Mehrwert biete.
Es ist vielleicht noch etwas früh für diese Frage, aber wie fällt das Fazit Ihrer zweiten Ära beim FCB aus? Komplett zufrieden können Sie mit Ihrer Rückkehr nach Basel wohl kaum sein, oder?
Mir war bewusst, dass ich nicht in den gleichen Club zurückkehre, den ich vor fünf Jahren verlassen habe. Der FCB ist nicht mehr der alles dominierende Club der Schweiz, der Serienmeister. Es gab viele Änderungen, und das Konstrukt ist deutlich weniger gefestigt als damals. Aber das wusste ich vor meiner Rückkehr. Und darum war ich auch nicht überrascht, dass es nicht immer einfach ist.
Bereuen Sie es?
Auf keinen Fall. Der FCB ist für mich noch immer der grösste Verein der Schweiz und hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Und es ist ja auch nicht so, dass alles schlecht ist. Überhaupt nicht. Ich finde, dass sich der Club und die Mannschaft in die richtige Richtung entwickeln.
Woran machen Sie das fest?
Es gab eine Phase, habe ich das Gefühl, in der es viele junge Spieler gab, die den FCB als Sprungbrett für ihren nächsten Schritt gesehen haben. Aber ich habe damals nach meinem Wechsel von GC gelernt: Der FCB ist kein Sprungbrett. Der FCB ist ein Verein, bei dem du bleibst und bei dem du dich wohl fühlst. Der Rest ergibt sich dann von ganz allein. Das musste einigen vielleicht erst klar werden. Aber ich finde, dass sich in dieser Hinsicht etwas entwickelt hat.
Aber es ist weiterhin so, dass der Verein vermehrt auf junge Talente setzt. Und dass der Druck auf die Routiniers Frei, Xhaka und Lang damit unweigerlich steigt.
Das empfinde ich durchaus so, ja. Die Diskussion in den letzten Monaten lautete oft: Kann man alle drei oder – mit Marwin Hitz – vier Routiniers zusammen spielen lassen? Geht das? Dabei haben andere Teams sechs, sieben, acht erfahrene Spieler auf dem Platz, und es ist überhaupt kein Thema. Da ist die Wahrnehmung zum Teil etwas verzerrt. Denn wir erfahrenen Spieler können unsere Qualitäten definitiv in die Mannschaft bringen, davon bin ich überzeugt.
Ist da Frust oder Enttäuschung, dass Ihre Zeit beim FCB wahrscheinlich im Sommer endet?
Wir hatten in der Winterpause sehr gute Gespräche, und ich glaube, man merkt mir auch an, dass ich nicht frustriert oder genervt bin. Ich will noch etwas erreichen.
Also ist auch nichts in Ihrem Verhältnis zu David Degen hängen geblieben?
Nein, überhaupt nicht. Für mich war einfach wichtig, dass ich mich voll auf den Fussball konzentrieren und die Saison so gut wie möglich abschliessen kann. Für mich steht fest: Ich will mit dem FCB noch einen Titel feiern. Dass das nicht die Meisterschaft wird, das wissen wir. Also konzentrieren wir uns auf den Cup. Und auch in der Conference League haben wir mit Slovan ein unangenehmes, aber machbares Los erhalten,wennwir so auftreten wie zuletzt gegen Trabzon.
Am nächsten an einem Titel ist man aber im Schweizer Cup.
Dort ist der Weg definitiv der kürzeste. Aber wenn ich höre, es sei der einfachste, dann muss ich schon schmunzeln. Wir spielen auswärts in Aarau, auswärts in Zürich, auswärts in St. Gallen – und in einem möglichen Halbfinal wahrscheinlich noch auswärts in Bern oder Thun. Das ist alles andere als einfach.
Allein darum hat der Viertelfinal am Mittwoch in St. Gallen einen besonderen Stellenwert, oder?
Natürlich. Das wird ein wichtiges, wenn auch schwieriges Spiel. Aber ganz ehrlich: Lieber spiele ich am Mittwoch in St.Gallen in einem ausverkauften Stadion und alle brennen auf diese Partie, als wenn du in Lugano in einem halb leeren Stadion stehst und nicht von Anfang an mit dem Kopf dabei bist. Wir werden schon bei der Ankunft im Bus merken, dass die Hütte brennt. Das sind die besten Spiele, die du als Fussballer erleben kannst.
---
Grundsympathischer Typ und ein guter Fussballer, ich hoffe, wir behalten ihn noch ein bis zwei Jahre.
Freue mich immer, wenn ich ihn mit seiner Familie im Schützenmattpark begegne. Down to earth, keine Starallüren. Weiss, was er kann und was nicht. Wir brauchen Konstanz. Und Konstanz erreichst du nur mit gestandenen Spielern, die für unsere Farben spielen und wissen, was der Club der Stadt und den Fans bedeutet.