Master hat geschrieben:Nein, wirklich, sowas ist absurd. Der Billag dafür die Schuld geben, dass an einem Wirtschaftsstandort der Motor brummt und dort alles hinkommt, das ist die verquerteste Auslegung die ich bisher gehört habe.
Bist du wirklich der Meinung, dass es keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge hat, wenn die Redaktion in Zürich 50 Mal im Jahr nicht nur bestimmt, was Thema der Arena ist und aus welchem Blickwinkel das Thema angegangen wird, sondern auch noch festlegt, welche Gäste eingeladen werden und wie die Zuschauer in der ganzen Deutschschweiz an das Thema herangeführt werden?
Aber ich kann es dir auch einfacher erklären. Wenn in Bern wieder einmal 10 Milliarden zu verteilen sind und Wünsche aus den Kantonen von 30 Milliarden vorliegen, wollen sich die Damen und Herren National- und Ständeräte, welche in der Regel keine grosse Ahnung haben, nicht blamieren und stimmen in den Kommissionen und im Plenum für die Projekte aus ihrem Heimatkanton und für die Projekte, die sie kennen, weil sie sie schon einmal im Fernsehen gesehen haben. Und danach ist das Geld verteilt, und zwar an die Projekte, welche vom Fernsehen bekannt sind. Relativ einfach, aber hochwirksam. Beispiele gefällig?
Am 20. Mai 1973 haben die Stimmberechtigten des Kantons Zürich eine U-Bahn, 27,5 km lang, davon 14,8 km unterirdisch, u. a. mit einer Anbindung des Flughafens an den Hauptbahnhof, deutlich abgelehnt.
https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Z%C3%BCrich
Am 1. Juni 1980 fuhr trotzdem der erste fahrplanmässige Zug vom unterirdischen Bahnhof in Kloten auf der für die U-Bahn projektierten Linie zum Hauptbahnhof, einfach vom Bund gebaut und bezahlt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Z ... _Flughafen
1980 fertigte der Flughafen Kloten 7,627,650 Passagiere ab. In Basel wurden 2016 7,314,269 Passagiere abgefertigt. Ich habe gerade jetzt nach dem Flughafenbahnhof Basel gegoogelt, aber nichts gefunden. Ich rauche wahrscheinlich tatsächlich das falsche Kraut. In Genf gibt es übrigens Fernsehen und einen Flughafenbahnhof.
1987 wurde der Bundesbeschluss zur Bahn 2000 durch eine Volksabstimmung angenommen, u. a. mit einer Neubaustrecke Muttenz-Olten (Wisenbergtunnel). Im Jahr 1991 hat das Parlament die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) beschlossen, eine Flachbahn durch die Alpen für den Güterverkehr, mit Wisenbergtunnel sowie Gotthard- und Lötschberg-Basitunnel, allerdings gegen den Willen der SBB. Es wurden vom Parlament dutzende Milliarden bewilligt und von der SBB verbraten, allerdings ohne den Wisenbergtunnel zu bauen, und im Lötschberg-Basitunnel wurde nur eine Röhre ausgebaut. Der Gotthard- und der abgespeckte Lötschberg-Basitunnel sind in Betrieb, jedoch hauptsächlich für den Personenverkehr, die Güterzüge fahren mehrheitlich weiterhin mit zusätzlichen Vorspann- und Schiebelokomotiven über die Bergstrecken. Die vorgesehene Güterkapazität könnte ohnehin nicht erreicht werden, weil eine dritte Doppelspur von nördlich des Juras ins Mittelland nie gebaut wurde.
https://www.nzz.ch/eine_neue_bahnlinie_ ... r-1.674448
Die SBB hat das für die Nord-Süd-Achse gesprochene Geld lieber für die für den Güterverkehr (und dafür wurden die Gelder der NEAT bewilligt) unbedeutende Ost-West-Achse verwendet. So wurde etwa die Durchmesserlinie Zürich gebaut, welche erst nach dem Jahr 2000 ins Gespräch kam. Dieses Projekt dient zu zwei Dritteln dem Lokalverkehr und einem Drittel dem Fernverkehr und wurde zu zwei Dritteln durch den Bund und zu einem Drittel durch den Kanton bezahlt (2 Milliarden, etwa der Preis des Wisenbergtunnels). Die Durchmesserlinie, 2015 eröffnet, hat grosse Reserven für den Ausbau des Nahverkehrs, für den Fernverkehr wäre sie nicht nötig.
https://www.zvv.ch/zvv/de/ueber-uns/pro ... linie.html
Seit etwa zwei Jahren wird am Ausbau Aarau-Olten gearbeitet, ab 2021 sollen die Züge zwischen Bern und Zürich im Viertelstundentakt fahren. Für das nächste Projekt, einen Tunnel zwischen Zürich und Aarau für 7 Milliarden soll 2019 ein Planungskredit von 200 Millionen Franken gesprochen werden. Derweil pfeift der Eisenbahnverkehr nördlich des Juras aus dem letzten Loch, der Nah-, Fern- und Güterverkehr stehen sich auf einer viel zu kleinen und veralteten Infrastruktur im Weg, und einen Viertelstundentakt im Lokalverkehr wird man auch in 10 Jahren nur vom Hörensagen kennen. Gestern fand in Bern im Hotel Schweizerhof ein Anlass der Parlamentarischen Gruppe Region Basel statt, um für einen Planungskredit von 135 Millionen für das Herzstück zu werben. Gekommen ist ausser dem Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Peter Füglistaler, der nur müde gelächelt hat, niemand.
Wenn die Region nördlich des Juras eine der Grösse entsprechende Präsenz im nationalen Radio und Fernsehen hätte, wären auf jeden Fall einige Projekte anders gelaufen.