Alex Ferguson - der hungrige Jäger
ZU SEINEM 20-JAHR-JUBILÄUM BEI MANCHESTER UNITED GENIESST ER WIEDER DEN RESPEKT ALLER

Jähzornig, ehrgeizig und erfolgreich. Sir Alex Ferguson, erfolgreichster Trainer im Clubfussball. Fotos Keystone
Raphael Honigstein, Manchester
Sie hatten ihn schon abgeschrieben - nun feiert Alex Ferguson als hochgelobter Trainer des Tabellenführers sein Arbeitsjubiläum bei Manchester United.
Der Stadionsprecher kündigte aufgeregt «20 Jahre Alex Ferguson - eine Feier!» an, aber der Gefeierte verweigerte sich den Ovationen standhaft. Alexander Chapman Ferguson kam am Samstag nicht zusammen mit den Mannschaften aus dem Spielertunnel, er wollte auch keine Präsentation auf dem Rasen des Old Trafford. Nur einen kleinen, scheuen Wink in Richtung der Zuschauer genehmigte sich der Trainer von Manchester United kurz vor dem souveränen 3:0-Sieg gegen Portsmouth; der Wirbel um seine Person passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Er hatte ein Spiel zu gewinnen.
«Zuerst hatte ich die Absicht, das Jubiläum zu ignorieren, damit es mich nicht verwirrt und ablenkt», schrieb er ins Stadionheft, «aber man drängt mir diese Sache auf - ob ich will oder nicht.» Das mag sich kokett anhören, doch er meint es wirklich ernst. Aus dem für seine Jähzornigkeit von Spielern, Kollegen und Presse gefürchteten Ehrgeizling spricht nach 20 langen Jahren auf der Bank der Red Devils und 18 gewonnenen Trophäen noch immer die Stimme eines von der dämonischen Wirkung des Spiels vollkommen in den Bann gezogenen Mannes.
der kleine Tod. «Gewinnen ist nicht alles - es ist das Einzige, was zählt»; dieses Motto des legendären NFL-Coaches Vince Lombardi hat sich der Schotte aus dem Glasgower Arbeiterviertel Govan vor vielen Jahren zu eigen gemacht. In der harten, unbarmherzigen Welt, in der er lebt, ist jede Niederlage ein kleiner Tod, und nur Siege verlängern das Lebensrecht.
Der Verein hat den 64-Jährigen am Montag, der den 20. Jahrestag seiner Amtsübernahme markiert, zu einem Mittagessen im kleinen Kreis ins Stadion eingeladen. Der bekennende Weinliebhaber bekam einen seltenen Tropfen überreicht; vielleicht hat er sich erlaubt, den Moment zu geniessen. Sir Alex, der nach dem sensationellen Gewinn von Meisterschaft, FA-Pokal und Champions League 1999 zum Ritter ihrer Majestät geschlagene Sozialist, ist dabei nicht für seine Bescheidenheit berüchtigt. Er kann menschenverachtend arrogant sein. Demut kennt er nur gegenüber dem Spiel. Und der eigenen Leistung.
Als er United am 6. November 1986 übernahm, war der Verein auf einem Abstiegsplatz. Man zehrte immer noch von den glorreichen Sechzigern unter Sir Matt Busby, hatte aber seit 1967 keine Meisterschaft gewonnen, die Spieler von United waren nur noch am Tresen die Grössten. Ferguson, der zuvor mit Aberdeen die Vorherrschaft der Glasgower Klubs Rangers und Celtic in Schottland gebrochen hatte, setzte den Umtrieben schnell ein Ende. Wer nicht bereit war, für die Karriere sein Leben zu ändern, wurde ohne Rücksicht auf frühere Verdienste verkauft.
Dekade der titel. Doch der Erfolg stellte sich nicht über Nacht ein. Im Dezember 1989 schrieen die Zuschauer «bye-bye Fergie» im Old Trafford, ein Fan hatte «Drei Jahre lang Ausreden und wir sind noch immer Mist... - Fergie raus» auf ein Bettlaken gemalt. United aber gewann im Mai 1990 den FA-Pokal, Ferguson behielt seinen Job und versprach eine «Dekade der Titel». Er hielt sein Versprechen. Die Mannschaft um Eric Cantona, Roy Keane, Torwart Peter Schmeichel und Jungstar Ryan Giggs gewann 1993 die erste Meisterschaft und dominierte in den folgenden Spielzeiten die Liga.
Dunkler Ritter. Die Triumphe fielen mit dem Aufstieg der Premier League zur globalen Unterhaltungsmaschine zusammen, so dass United sich bald mit Fug und Recht als grösster Verein der Welt fühlen durfte. Und Ferguson, der achtfache Meistertrainer, herrschte autokratisch über ein Imperium, das er mit dem römischen Reich verglich.
Superstars wie David Beckham lernten ihn als menschlichen Haarfön in der Kabine kennen. Sie wurden angeschrieen, mit fliegenden Schuhen verletzt und abserviert, falls sie dem «dunklen Ritter» («Times») nicht mehr ins Konzept passten oder seine Autorität untergruben. 2002 wollte der damals 60-Jährige eigentlich zurücktreten, aber er konnte ohne das Spiel nicht leben. Allerdings schien er ein wenig den Faden verloren zu haben. Ein bizarrer Streit um die Rechte an einem Preishengst und eine schlampige Transferpolitik liessen United zurückfallen.
Rechtzeitig zum 20-jährigen Jubiläum aber hat er wieder eine Mannschaft, die ernsthaft um Titel spielen kann. «Ich denke gar nicht daran aufzuhören», hat er neulich gesagt, «diese Forderung ist skandalös. Es gibt ja genügend Leute, die gar nicht arbeiten wollen.» Obwohl er die Presse weiter abgrundtief hasst - er hat nie verziehen, dass 1986 eine Affäre mit einer Mitarbeiterin eines Fish-and-Chips-Ladens veröffentlicht wurde - hat er in den vergangenen Tagen viel Anerkennung erfahren.
Der Underdog. Man ist ihm sehr dankbar, dass er Chelsea ernsthaft Paroli bieten kann. Und Ferguson fühlt sich wohl in der alten Rolle. Er ist jetzt wieder der Underdog, der Herausforderer, der hungrige Jäger. Noch hält der brüchige Friede zwischen ihm und José Mourinho, dem zweiten Megalomanen auf der Insel. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ferguson den Blauen den (Psycho)-Krieg erklärt. Er will weiter siegen, weiter leben. Vielleicht noch zehn Jahre.
Anerkennung. Die Fans danken ihrem Langzeittrainer.