Panda11 hat geschrieben: 11.05.2023, 11:07
Mag jemand dieses Interview hier posten?
«
Ich habe Angst,
dass wir international nicht dabei sind»
David Degen, am Donnerstag trifft der FC Basel
im Halbfinal der Conference League auf die AC Fiorentina. Wie bedeutsam sind diese zwei Partien für den Club?
Das ist gross. Das ist historisch für den Schweizer Fussball.
Ich gönne
es der Mannschaft und dem Staff von ganzem Herzen.
Aber einfach wird
es nicht.
Natürlich nicht. Aber
wir sind auch nicht chancenlos.
Was macht Ihnen Mut?
Unsere Mannschaft. Ja, vermutlich ist Fiorentina
unser stärkster Gegner, und
wir sind sicher auch ein bisschen darauf angewiesen,
dass Arthur Cabral nicht den besten Tag hat. (schmunzelt)
Wir brauchen ein volles Stadion. Aber Sie dürfen nicht vergessen,
dass wir drei, vier aussergewöhnliche Spieler
im Kader haben.
Zeki Amdouni und Andy Diouf, die der FCB letzte Woche definitiv übernommen hat?
Das sind sicher zwei Spieler mit einer aussergewöhnlichen Qualität. Aber
ich will
es nicht auf
sie beschränken. Auch Andy Pelmard ist zum Beispiel wichtig für
uns. Wenn
er seine Leistung abruft, wird
es für jeden Gegner schwer. Oder Riccardo Calafiori, der in den letzten Monaten eine wahnsinnige Entwicklung durchgemacht hat.
Das sind alles Spieler, die unter Ihrer Führung verpflichtet wurden.
Es geht nicht um
mich, sondern um den FCB. Aber natürlich freut
es mich, wenn sich
unser Weg auszahlt. Wenn
ich immer höre: Alle viel zu jung, alle nur ausgeliehen, alles nur Söldner. Und
ich kann Ihnen noch etwas sagen: Mit Spielern wie Diouf, Amdouni, Calafiori, Burger, Ndoye oder Pelmard werden
wir Transfergewinne erzielen! Mit jedem von
ihnen. Auch wenn die Gewinnmarge natürlich unterschiedlich ausfällt, so bedeutet dies,
dass sich jede dieser Verpflichtungen gelohnt hat.
Wie haben Sie das Viertelfinal-Rückspiel in Nizza erlebt?
Ich bin mit dem Gefühl nach Nizza geflogen,
dass wir uns dort gut verkaufen müssen.
Dass diese Spiele gewissermassen eine Belohnung für die guten Leistungen waren. Nach 60 Minuten hatte
ich dann plötzlich zum ersten Mal das Gefühl: Hey,
wir haben hier wirklich eine Chance! Das können
wir packen!
Die Mannschaft hat
es gepackt.
Eine unglaubliche Leistung.
Was ist Ihre Erklärung für das Ungleichgewicht der Leistungen in der Liga und der Conference League?
Grundsätzlich bin
ich der Meinung,
dass wir die Punkte, die
uns jetzt fehlen, eher in der Hinrunde verloren haben. In diesem Jahr hatten
wir in Europa nur noch K.-o.-Spiele. Es ist doch klar,
dass das mehr Energie frisst. Du darfst
dir keine Fehler mehr erlauben. Die Gegner werden immer stärker und der Trubel immer grösser. Das geht nicht nur an die physische, sondern auch an die psychische Substanz.
Und warum hat man in der Hinrunde so viele Punkte verloren?
An der grundsätzlichen Qualität kann
es nicht liegen, diese hat man gegen Nizza gesehen. So schlecht, wie alle sagen, haben
wir unsere Arbeit also offensichtlich doch nicht gemacht. Aber
es fing schon an mit dem Auftakt in die Saison: nur ein Sieg aus fünf Spielen. Und dann hatten
wir immer wieder Leistungen dabei, die
uns eigentlich nicht passieren sollten.
Aber auch in der Rückrunde haben sich die Leistungen kaum spürbar verbessert. Zum Beispiel
im Heimspiel gegen Luzern nach dem Nizza-Sieg.
Da war
ich wirklich enttäuscht. Der Einsatz hat nicht bei allen gestimmt. Und das ist das, was
ich verlange: volles Engagement! Alles geben! Alles versuchen! Wenn
es nicht klappt, okay. Aber das will
ich in jedem Spiel sehen. Und
es ist auch so,
dass noch nicht alle Sachen greifen.
Wir sind noch nicht so weit,
dass man fünf, sechs Spieler auswechselt und das Niveau gleich bleibt.
Also ist das Kader qualitativ zu wenig breit?
Wir haben eine gute Breite. Aber
es ist nun mal auch so,
dass Arnau Comas und Fabian Frei
uns in der aktuellen Phase extrem fehlen - zwei extrem wichtige Spieler.
Was fehlt diesem Team? Die routinierten Spieler
im mittleren Alterssegment?
Diese Diskussion kann
ich nicht mehr hören. Es stimmt,
dass uns Spieler zwischen 25 und 30 Jahren fehlen. Das ist aber auch der Situation geschuldet: Spieler aus diesem Segment können
wir kaum zahlen oder halten.
Wir haben Raoul Petretta oder Pajtim Kasami ja Verträge angeboten. Die Konditionen waren für
sie aber nicht passend. Auf der anderen Seite sehe
ich einen Spieler wie Andy Pelmard: Er ist 23, hat schon vierzig Spiele in der Ligue 1 und hundert bei
uns. Ist
er unerfahren?
Kann aus der aktuellen Situation etwas entstehen?
Wie meinen Sie das?
Ist der FCB nicht gezwungen, Spieler wie Amdouni oder Diouf direkt wieder zu verkaufen, weil
er das Geld so dringend benötigt? So kann nie über einen längeren Zeitraum eine Mannschaft wachsen.
Es ist
unser Ziel, das Team so gut wie möglich zu halten, damit
wir in der neuen Saison vorn mitspielen können.
Wir machen sicher nichts, von dem
wir das Gefühl haben,
dass es nicht das Richtige ist. Aber Sie wissen, wie das Geschäft läuft: Wenn Angebote kommen, die für
uns und die Spieler stimmen, diskutieren
wir darüber.
Kann man sich das wirklich erlauben? Selbst wenn der FCB die Conference League gewinnen sollte, wäre
er noch immer zu Transfer-Einnahmen verdammt - oder nicht?
Halt, Moment! Wenn
wir die Conference League gewinnen und in der nächsten Saison in der Europa League spielen, müssen
wir - aus rein finanzieller Sicht - keinen Spieler verkaufen. Aber klar: Trifft das nicht ein, dann wird der Druck ein grösserer sein.
Zeki Amdouni und Andy Diouf haben Sie bereits angesprochen. Wie sieht
es mit den weiteren Leihspielern aus?
Es ist klar,
dass wir nicht alle Spieler übernehmen können.
Wir haben Zeki und Andy jetzt übernommen, um ein Zeichen zu setzen. Das sind die zwei Spieler, mit denen
wir nach ganz Europa ein Signal senden können.
Wir müssen ja kein Geheimnis daraus machen,
dass im Moment jedes Wochenende Agenten bei
uns sind, um diese Spieler zu beobachten. Aber
wir werden auch bei den anderen konstruktive Lösungen suchen.
Auch bei Topskorer Darian Males?
Natürlich führen
wir auch
im Fall von Darian Gespräche.
Auch beim Trainer hat der FCB in den letzten zwei Jahren keine Konstanz gehabt.
Dass wir uns damals von Patrick Rahmen getrennt haben, war ein Fehler.
Ich habe keine Mühe damit, das zu wiederholen und zuzugeben. War
es ein Fehler,
dass wir im Sommer Alex Frei die Chance gegeben haben?
Ich finde, man kann
es auch als Stärke interpretieren,
dass wir es getan haben. Am Ende hat
es leider nicht geklappt, weil
wir die nötigen Punkte nicht gewonnen haben.
Es ist noch immer unklar, wer in der nächsten Saison der Nachfolger von Frei wird.
Auch da suchen
wir Lösungen.
Dabei könnte man auf die Idee kommen,
dass Sie den geeigneten Trainer schon seit Monaten haben.
Heiko Vogel wird in der neuen Saison zu 99 Prozent wieder Sportdirektor sein und nicht Trainer.
Wie können Sie da so sicher sein?
Weil
es nie die Idee war,
dass Heiko wieder Trainer wird. Auch
er selbst will Sportdirektor sein.
Inzwischen loben sogar die Spieler seine Arbeit als Trainer öffentlich.
Das ist doch toll. Und zeigt,
dass er mit seinen Spielern fair umgeht.
Ich sehe, wie Heiko arbeitet. Zum Beispiel in der Videositzung vor dem Spiel gegen Nizza ?
Was war da?
Er hat
mich gebeten,
dass ich dabei bin. Weil
ich vor dem Spiel in Bratislava auch schon dabei war. Das waren 45 oder 50 Minuten, in denen alles gestimmt hat. Da kam alles vor, was man zu dieser Partie wissen musste. So stelle
ich mir das vor, wenn man alles aus der Mannschaft herausholen will.
Klingt wie das perfekte Plädoyer für den Trainer Heiko Vogel.
Noch mal: Es ist nach wie vor geplant,
dass Heiko Vogel in der neuen Saison Sportdirektor sein wird.
Wir befassen
uns gar nicht damit, denn mit Heiko als Sportchef haben
wir ebenfalls die perfekte Besetzung. Wissen Sie,
ich bin seit vierzig Jahren in dem Business tätig ?
Sie sind gerade erst 40 geworden.
Sie wissen, wie
ich das meine. (lacht) Aber
ich weiss, wie
es läuft.
Ich kenne das Geschäft in- und auswendig.
Ich weiss, wie die Leute ticken und wie man mit
ihnen umgeht. Und Heiko ist auf der Position des Sportdirektors eine Bereicherung für
uns.
Und auf der Trainerbank ist
er das nicht? Hinzu käme der Vorteil,
dass Sie bei einem Cheftrainer Vogel bereits wüssten, was Sie an
ihm haben. Bei einem neuen Mann ?
(Steht auf, geht zurück zur Flipchart und schreibt auf: «100 Prozent») Soll
ich es noch deutlicher machen?
Haben Sie einen Trainer
im Blick? Oder ist das die alleinige Entscheidung des Bald-wieder-Sportdirektors Heiko Vogel?
Das Wort von Heiko hat natürlich grosses Gewicht, wenn
es um den neuen Trainer geht. Denn
er arbeitet schliesslich jeden Tag mit
ihm zusammen. Aber auch das wird, wie jede andere Entscheidung auch, von mehreren Personen beschlossen.
Man hört, Mario Frick sei ein ernsthafter Kandidat für den Trainerposten beim FCB. Können Sie das bestätigen?
Ich werde Ihnen nur bestätigen,
dass Mario Frick - soweit
ich das aus der Distanz beurteilen kann - einen ausgezeichneten Job in Luzern macht.
Hatte der FCB Kontakt mit
ihm?
Stand heute gab
es keinen Kontakt. Aber
ich werde in dieser Phase der Saison sicher keine Namen kommentieren.
Haben Sie, trotz der Vorfreude auf die Spiele gegen Florenz, auch daran gedacht,
dass der Einzug in die Halbfinals
im Hinblick auf die Liga ein Nachteil sein könnte?
Ganz ehrlich? Ja.
Ich bin mit meinem Kopf die ganze Zeit voll bei der Meisterschaft. Das ist
unser Kerngeschäft. Und dort haben
wir zu viele Punkte liegen lassen.
Wie verheerend wäre
es, wenn der FCB den Europacup verpasst?
Natürlich wäre das verheerend.
Ich habe Angst davor,
dass wir in der kommenden Saison nicht
international dabei sind. Das
habe ich den Spielern auch gesagt.
Könnte der FCB das finanziell auffangen?
Mit dem Kader, das
wir haben, könnten
wir am Ende des Jahres dank Verkäufen auf jeden Fall eine Null schreiben. Das haben
wir unserer Philosophie zu verdanken. Die Frage ist dann aber, wie
wir den sportlichen Substanzverlust auffangen könnten. Aber wer weiss: Vielleicht wäre ein Szenario ohne Europacup auch eine Chance.
Inwiefern?
Dass wir dann noch weiter zurückgehen müssten.
Ich will
mich nicht mit diesem Szenario befassen, überhaupt nicht. Das findet in
meiner Welt nicht statt. Aber wenn
es trotzdem so weit kommen sollte, werden
wir das Beste daraus machen.
Das heisst: Die ohnehin angestrebte Redimensionierung würde dann noch rigoroser fortgeführt?
Wir hätten gar keine andere Wahl.
Würde
es sogar bedeuten,
dass sich an der aktuellen Besitzstruktur etwas ändert?
Nein, das glaube
ich nicht.
Wir vier sind überzeugt von dem Projekt und unserem Weg mit dem FCB.
Obwohl oft Kritik kommt und Sie schon einige Fehler eingestehen mussten.
Man kann nur nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Das tun
wir. Wie gut oder schlecht eine Entscheidung ist, erfährt man erst, nachdem man
sie gefällt hat. Wenn
ich immer alles richtig gemacht hätte, dann wäre
ich vielleicht mit Elon Musk zum Mars geflogen. Aber
ich habe keine Glaskugel. Und
ich nehme an, Sie haben auch keine.