US OPEN 2008 - Roger vs. Rafa
Ehrung durch die Basler Regierung
Dies wird sich heute ändern, wenn Federer um 17 Uhr auf dem Basler Marktplatz zusammen mit Stanislas Wawrinka feierlich empfangen und von der Basler Regierung geehrt wird. An der für die Öffentlichkeit zugänglichen Veranstaltung werden auf Grossleinwand Interviews und die schönsten Momente der vergangenen Triumphe eingespielt.
Dies wird sich heute ändern, wenn Federer um 17 Uhr auf dem Basler Marktplatz zusammen mit Stanislas Wawrinka feierlich empfangen und von der Basler Regierung geehrt wird. An der für die Öffentlichkeit zugänglichen Veranstaltung werden auf Grossleinwand Interviews und die schönsten Momente der vergangenen Triumphe eingespielt.
super Artikel über die Spielweise der beiden
Federer vs. Nadal – auch ein Duell von Technik und Taktik
Der spanische «Linkshänder» hat beide Körperseiten ausgebildet
Der 27-jährige US-Open-Champion Roger Federer will nach eigenen Angaben bis zu den Olympischen Sommerspielen 2012 in London auf hohem Niveau Tennis spielen. Der Schweizer muss sich bei solch langfristigen Zielen überlegen, wie er die Angriffe der «jungen Wilden» Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray erfolgreich abwehren will.
Von Roger Stadler*
Federer und Nadal sind beide von Haus aus Rechtshänder, sie lernten als Kind anscheinend auf spielerische Art und Weise das Tennis kennen und probierten verschiedenste Griff-Haltungen, Einhand- oder Beidhand-Schläge (beide Hände am Griff) aus. Von Federer gibt es Fotos, wie er als Dreikäsehoch den Schläger mit der rechten Hand im Kurzgriff ein- und beidhändig hält. Genauso spielt heute Nadal, nämlich mit der rechten Hand vorne und der linken am Griffende. Es wäre also möglich gewesen, dass Federer sich für die gleiche Technik wie der Spanier entschieden hätte. Der Basler wählte schliesslich aber das traditionelle Tennis mit rechts. Er wird als besonders eleganter Stilist bewundert, der diese klassische, einseitig einhändige Technik annähernd perfekt spielt.
Nadal spielt wie ein Linkshänder
Demgegenüber entwickelte Nadal seine Technik mehr auf der Basis einer bilateralen Richtung. Der Rechtshänder spielt Tennis als Linkshänder! Folgende Aussagen seines Onkels und Trainers Toni Nadal belegen dies: «Rafael war ja ursprünglich Rechtshänder, darum dauert die Entwicklung des Aufschlags bei ihm länger.» Oder: «Anfangs spielte Rafael beidhändig, weil er nicht annähernd so kräftig war wie heute. Mit neun oder zehn Jahren haben wir ihm schliesslich seine eigenwillige, einhändige Vorhand gelehrt.»
Diese Entscheidung bewirkte, dass über die Jahre aus seiner früher schwachen Linken eine heute starke Linke wurde, mit der er den Ball sehr dynamisch einhändig spielen kann. Nadal nutzt beim Tennis seine beiden Körperseiten, die rechte und die linke, optimal aus und kombiniert technisch wirkungsvoll Ein- und Beidhand-Schläge. Weil er den Schläger dabei in einer speziellen, im Tennis zwar ungewohnten, aber durchaus innovativen Griff-Haltung fasst, kennt er bei seiner Beidhand-Rückhand den Vorteil, die starke Rechte gezielt einsetzen zu können. Eigentlich spielt Nadal, aus technischer Sicht gesehen, keine Beidhand-Rückhand, sondern eine Beidhand-Vorhand! Typisch dazu die Aussage Federers nach dem verlorenen Final in Roland-Garros 2008: «Es ist, als ob Nadal auf beiden Seiten mit der Vorhand spielen würde.» In letzter Konsequenz muss Federer zukünftig vielleicht sogar damit rechnen, dass Nadal statt der Einhand-Slice-Variante überraschend eine rechte Einhand-Vorhand ausfährt. Wäre eigentlich logisch bei einem Rechtshänder!
Gesundheit, Motivation und Fitness vorausgesetzt, haben die unterschiedlich gewählten Techniken von Federer und Nadal einen direkten Einfluss auf die taktische Wirkung. In ihren Duellen spielten beide ein ähnliches System mit Winkeln und Druck von der Grundlinie. Gegenüber Nadal hat dabei Federer einen entscheidenden Nachteil: Er kann die einhändig geliftete Rückhand, vor allem aus biomechanischen Gründen und trotz intensivstem Training, nie so konstant druckvoll, präzis und überraschend verdeckt einsetzen wie Nadal seine beidhändige Lift-Rückhand. Darum setzt Federer von der Grundlinie fast ausschliesslich auf zwei Hauptschläge, den unwiderstehlich präzisen Service und die gefürchtete Vorhand. Die Rückhand umläuft er bei jeder sich bietenden Gelegenheit. So kann er zwar auch aus der Rückhand-Ecke im Rückwärtslaufen seine kompromisslose Winner-Vorhand einsetzen, muss dabei aber immer wieder weite Wege hin- und zurücklegen.
Nadal seinerseits setzt auf «Gleichmässigkeit». Seine Schläge, ob Service, Vorhand oder Rückhand, sind in ihrer Art unterschiedlich wirkungsvoll, aber keiner hebt sich als eigentlicher Gewinnschlag besonders ab. Im Gegensatz zu Federer kann er sich auf eine druckvolle und stabile Beidhand-Rückhand verlassen. Er ist nicht zum Umlaufen gezwungen, sondern er hat die Chance, auch aus der Mitte des Platzes bei kürzeren Laufwegen entscheidend zu agieren. Nadal darf umlaufen, er muss aber nicht. Dies ist bei der Grundlinientaktik ein gewichtiger Vorteil.
Für Federer wird die bisher erfolgreiche, aber riskante «Umlauftaktik» über kurz oder lang zum Handicap. Wenn Nadal mit der Gewissheit, dass Federer über die Rückhand kaum direkt punkten kann, sein starkes und druckvolles Winkelspiel von der Vor- und Rückhand aufzieht oder konstant die Rückhand anspielt, dann provoziert er taktisch bewusst diese «Umlaufsituation». Nadal versucht, Federer gezielt zu grosser, auf Dauer ermüdender Laufarbeit zu zwingen und gleichzeitig den Court zu öffnen.
Das Umlaufen hat seinen Preis. Auf Weltklasseniveau geht's oft um wenige Zentimeter. Wenn Federers Schritte minimal ungenauer werden, so tangiert dies die Präzision und Wirkung seiner Schläge sofort, die Fehlerquote steigt. Auch ein Könner wie Federer wird nicht jünger. Jedes zusätzliche Jahr wird ihm mehr Mühe bereiten, die riskante und kräfteraubende Umlauftaktik erfolgreich und motiviert durchzuhalten. Erschwerend kommt dazu, dass Rivalen wie Nadal (22-jährig), Djokovic (21), Murray (21) oder auch der aufstrebende Lette Ernest Gulbis (20) mit beidhändiger Rückhand spielen, in der Regel auch deutlich jünger sind und in gewissen Bereichen noch nicht auf dem Zenit ihres Könnens stehen.
Entwicklungsvergleiche
Nadal verbesserte sich zuletzt kontinuierlich. Mit Onkel Toni Nadal, der ihn von Kindsbeinen an betreut, hat er eine wichtige Vertrauensperson, die ihn offenbar immer wieder ermuntert, Neues auszuprobieren und einen Schritt weiter zu gehen. War es früher die Wahl seiner persönlich sinnvollsten Technik, z. B. der Entscheid, nach der Beidhand-Variante die linke Einhand-Vorhand zu forcieren, so sind es heute Themen wie kürzere Ausholbewegung, früheres Treffen des Balles, weiter in den Platz vorrücken oder Slice-Varianten. Spielte Nadal früher taktisch sehr defensiv und kräfteraubend mehrere Meter hinter der Grundlinie, so agiert er heute wesentlich aggressiver, er versucht, den Rhythmus zu bestimmen. Auch nützt er beim Service seinen Linkshändervorteil taktisch immer cleverer aus. Bei langjähriger Beobachtung von Federers Spiel konnte man bisher, vor allem im taktischen Bereich, kaum eine ähnliche Entwicklung erkennen. Offensichtlich verweilte er in alten, wenn auch erfolgreichen Mustern. Sein überirdisch anmutender Dauererfolg ist vielleicht ein Grund für die Zurückhaltung davor, mutig Neues zu probieren.
Taktikchancen für die Zukunft
Nadal dürfte in den nächsten Jahren an seinem zermürbenden Grundlinienspiel festhalten und dieses weiter perfektionieren. Ein konsequentes Netzspiel ist von ihm kaum zu erwarten, eher spontane, überraschende Attacken ans Netz. Federer, der technisch die feinere Klinge führt, hat für die Zukunft mehrere taktische Optionen. In der zweiten Karrierehälfte sollte er die Chance einer kreativeren Spielweise mit mehr Überraschungsmomenten besser nutzen. Dies vermindert die Abhängigkeit von der immer schwieriger werdenden «Umlauftaktik».
Übrigens: Eine wirkungsvolle Variante gegen Beidhand-Lift-Spieler ist seit je der präzise, tiefe Slice in verschiedenen Längen und Geschwindigkeiten. Federer beherrscht den Schlag wie kein Zweiter. Er müsste auf der Rückhand seine kreativen Slice-Varianten, mit denen er gegen jeden Gegner schwierige Rhythmuswechsel provozieren und gefährliche Netzangriffe auslösen könnte, vermehrt einsetzen. Trotzdem lässt er sich immer wieder dazu verleiten, druckvolle Lift-Rückhand-Grundlinienduelle gegen Nadal mitzugehen.
Federer kennt noch eine andere Möglichkeit zum Erfolg, nämlich sein Spiel grundsätzlich mehr Richtung Netz zu verlagern. Er beherrscht diese Spielweise, aber zur Perfektion fehlt bis anhin die nötige Konsequenz. Seine Angriffe könnten in Zukunft präziser und damit wirkungsvoller werden. Technisch verbessern müsste er für diese Taktik wohl den Vorhand-Volley (mehr Slice) und die Übergänge von der Grundlinie zum Netz, vor allem bei Standardsituationen nach Service und Return. Bei diesen für ein gutes Netzspiel entscheidenden Abläufen sollte er mehr durch System als durch Improvisation glänzen. Federer öfter am Netz zaubern zu sehen, wäre eine echte Bereicherung.
Leider gibt es den Spieltyp des Netz-Angreifers, wie ihn die früheren Nummern 1 John McEnroe, Stefan Edberg oder Pete Sampras verkörperten, heute kaum mehr. Viele gehen nur noch zum Gratulieren ans Netz. Weil Vorbilder fehlen, wird im Nachwuchs dem Repertoire am Netz zu wenig Wert beigemessen. Schade. Sind also epische taktische Duelle zwischen Angriffs- und Konterspielern wie bei McEnroe vs. Borg oder Sampras vs. Agassi passé? Könnte Federer diesbezüglich nicht neue Akzente setzen? Zugegeben, es schwingt auch ein Stück Egoismus mit, wenn man als leidenschaftlicher Trainer hofft, dass ein Tennisgenie wie Federer diese attraktivste Kunst des Games neu beleben könnte. Dazu imstande wäre er. Sein Auftritt am US Open war geprägt von mehr Variationen plus couragiertem Vorlaufen ans Netz. Der 13. Major-Titel wird für den Basler nicht der letzte gewesen sein.
* Roger Stadler, Ingenieur HTL, arbeitet seit 30 Jahren als Wettkampftrainer A, dipl. Tennislehrer und Buchautor. Er war Mentor und Trainer des langjährigen Davis-Cup-Spielers Roland Stadler. Die beiden Brüder leiten zusammen Tennis Bilateral Stadler (TBS) in Fällanden, ein Institut für zweiseitige Ausbildung im Tennis für alle Stärkeklassen und Altersstufen.
http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/ten ... 28533.html
Federer vs. Nadal – auch ein Duell von Technik und Taktik
Der spanische «Linkshänder» hat beide Körperseiten ausgebildet
Der 27-jährige US-Open-Champion Roger Federer will nach eigenen Angaben bis zu den Olympischen Sommerspielen 2012 in London auf hohem Niveau Tennis spielen. Der Schweizer muss sich bei solch langfristigen Zielen überlegen, wie er die Angriffe der «jungen Wilden» Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray erfolgreich abwehren will.
Von Roger Stadler*
Federer und Nadal sind beide von Haus aus Rechtshänder, sie lernten als Kind anscheinend auf spielerische Art und Weise das Tennis kennen und probierten verschiedenste Griff-Haltungen, Einhand- oder Beidhand-Schläge (beide Hände am Griff) aus. Von Federer gibt es Fotos, wie er als Dreikäsehoch den Schläger mit der rechten Hand im Kurzgriff ein- und beidhändig hält. Genauso spielt heute Nadal, nämlich mit der rechten Hand vorne und der linken am Griffende. Es wäre also möglich gewesen, dass Federer sich für die gleiche Technik wie der Spanier entschieden hätte. Der Basler wählte schliesslich aber das traditionelle Tennis mit rechts. Er wird als besonders eleganter Stilist bewundert, der diese klassische, einseitig einhändige Technik annähernd perfekt spielt.
Nadal spielt wie ein Linkshänder
Demgegenüber entwickelte Nadal seine Technik mehr auf der Basis einer bilateralen Richtung. Der Rechtshänder spielt Tennis als Linkshänder! Folgende Aussagen seines Onkels und Trainers Toni Nadal belegen dies: «Rafael war ja ursprünglich Rechtshänder, darum dauert die Entwicklung des Aufschlags bei ihm länger.» Oder: «Anfangs spielte Rafael beidhändig, weil er nicht annähernd so kräftig war wie heute. Mit neun oder zehn Jahren haben wir ihm schliesslich seine eigenwillige, einhändige Vorhand gelehrt.»
Diese Entscheidung bewirkte, dass über die Jahre aus seiner früher schwachen Linken eine heute starke Linke wurde, mit der er den Ball sehr dynamisch einhändig spielen kann. Nadal nutzt beim Tennis seine beiden Körperseiten, die rechte und die linke, optimal aus und kombiniert technisch wirkungsvoll Ein- und Beidhand-Schläge. Weil er den Schläger dabei in einer speziellen, im Tennis zwar ungewohnten, aber durchaus innovativen Griff-Haltung fasst, kennt er bei seiner Beidhand-Rückhand den Vorteil, die starke Rechte gezielt einsetzen zu können. Eigentlich spielt Nadal, aus technischer Sicht gesehen, keine Beidhand-Rückhand, sondern eine Beidhand-Vorhand! Typisch dazu die Aussage Federers nach dem verlorenen Final in Roland-Garros 2008: «Es ist, als ob Nadal auf beiden Seiten mit der Vorhand spielen würde.» In letzter Konsequenz muss Federer zukünftig vielleicht sogar damit rechnen, dass Nadal statt der Einhand-Slice-Variante überraschend eine rechte Einhand-Vorhand ausfährt. Wäre eigentlich logisch bei einem Rechtshänder!
Gesundheit, Motivation und Fitness vorausgesetzt, haben die unterschiedlich gewählten Techniken von Federer und Nadal einen direkten Einfluss auf die taktische Wirkung. In ihren Duellen spielten beide ein ähnliches System mit Winkeln und Druck von der Grundlinie. Gegenüber Nadal hat dabei Federer einen entscheidenden Nachteil: Er kann die einhändig geliftete Rückhand, vor allem aus biomechanischen Gründen und trotz intensivstem Training, nie so konstant druckvoll, präzis und überraschend verdeckt einsetzen wie Nadal seine beidhändige Lift-Rückhand. Darum setzt Federer von der Grundlinie fast ausschliesslich auf zwei Hauptschläge, den unwiderstehlich präzisen Service und die gefürchtete Vorhand. Die Rückhand umläuft er bei jeder sich bietenden Gelegenheit. So kann er zwar auch aus der Rückhand-Ecke im Rückwärtslaufen seine kompromisslose Winner-Vorhand einsetzen, muss dabei aber immer wieder weite Wege hin- und zurücklegen.
Nadal seinerseits setzt auf «Gleichmässigkeit». Seine Schläge, ob Service, Vorhand oder Rückhand, sind in ihrer Art unterschiedlich wirkungsvoll, aber keiner hebt sich als eigentlicher Gewinnschlag besonders ab. Im Gegensatz zu Federer kann er sich auf eine druckvolle und stabile Beidhand-Rückhand verlassen. Er ist nicht zum Umlaufen gezwungen, sondern er hat die Chance, auch aus der Mitte des Platzes bei kürzeren Laufwegen entscheidend zu agieren. Nadal darf umlaufen, er muss aber nicht. Dies ist bei der Grundlinientaktik ein gewichtiger Vorteil.
Für Federer wird die bisher erfolgreiche, aber riskante «Umlauftaktik» über kurz oder lang zum Handicap. Wenn Nadal mit der Gewissheit, dass Federer über die Rückhand kaum direkt punkten kann, sein starkes und druckvolles Winkelspiel von der Vor- und Rückhand aufzieht oder konstant die Rückhand anspielt, dann provoziert er taktisch bewusst diese «Umlaufsituation». Nadal versucht, Federer gezielt zu grosser, auf Dauer ermüdender Laufarbeit zu zwingen und gleichzeitig den Court zu öffnen.
Das Umlaufen hat seinen Preis. Auf Weltklasseniveau geht's oft um wenige Zentimeter. Wenn Federers Schritte minimal ungenauer werden, so tangiert dies die Präzision und Wirkung seiner Schläge sofort, die Fehlerquote steigt. Auch ein Könner wie Federer wird nicht jünger. Jedes zusätzliche Jahr wird ihm mehr Mühe bereiten, die riskante und kräfteraubende Umlauftaktik erfolgreich und motiviert durchzuhalten. Erschwerend kommt dazu, dass Rivalen wie Nadal (22-jährig), Djokovic (21), Murray (21) oder auch der aufstrebende Lette Ernest Gulbis (20) mit beidhändiger Rückhand spielen, in der Regel auch deutlich jünger sind und in gewissen Bereichen noch nicht auf dem Zenit ihres Könnens stehen.
Entwicklungsvergleiche
Nadal verbesserte sich zuletzt kontinuierlich. Mit Onkel Toni Nadal, der ihn von Kindsbeinen an betreut, hat er eine wichtige Vertrauensperson, die ihn offenbar immer wieder ermuntert, Neues auszuprobieren und einen Schritt weiter zu gehen. War es früher die Wahl seiner persönlich sinnvollsten Technik, z. B. der Entscheid, nach der Beidhand-Variante die linke Einhand-Vorhand zu forcieren, so sind es heute Themen wie kürzere Ausholbewegung, früheres Treffen des Balles, weiter in den Platz vorrücken oder Slice-Varianten. Spielte Nadal früher taktisch sehr defensiv und kräfteraubend mehrere Meter hinter der Grundlinie, so agiert er heute wesentlich aggressiver, er versucht, den Rhythmus zu bestimmen. Auch nützt er beim Service seinen Linkshändervorteil taktisch immer cleverer aus. Bei langjähriger Beobachtung von Federers Spiel konnte man bisher, vor allem im taktischen Bereich, kaum eine ähnliche Entwicklung erkennen. Offensichtlich verweilte er in alten, wenn auch erfolgreichen Mustern. Sein überirdisch anmutender Dauererfolg ist vielleicht ein Grund für die Zurückhaltung davor, mutig Neues zu probieren.
Taktikchancen für die Zukunft
Nadal dürfte in den nächsten Jahren an seinem zermürbenden Grundlinienspiel festhalten und dieses weiter perfektionieren. Ein konsequentes Netzspiel ist von ihm kaum zu erwarten, eher spontane, überraschende Attacken ans Netz. Federer, der technisch die feinere Klinge führt, hat für die Zukunft mehrere taktische Optionen. In der zweiten Karrierehälfte sollte er die Chance einer kreativeren Spielweise mit mehr Überraschungsmomenten besser nutzen. Dies vermindert die Abhängigkeit von der immer schwieriger werdenden «Umlauftaktik».
Übrigens: Eine wirkungsvolle Variante gegen Beidhand-Lift-Spieler ist seit je der präzise, tiefe Slice in verschiedenen Längen und Geschwindigkeiten. Federer beherrscht den Schlag wie kein Zweiter. Er müsste auf der Rückhand seine kreativen Slice-Varianten, mit denen er gegen jeden Gegner schwierige Rhythmuswechsel provozieren und gefährliche Netzangriffe auslösen könnte, vermehrt einsetzen. Trotzdem lässt er sich immer wieder dazu verleiten, druckvolle Lift-Rückhand-Grundlinienduelle gegen Nadal mitzugehen.
Federer kennt noch eine andere Möglichkeit zum Erfolg, nämlich sein Spiel grundsätzlich mehr Richtung Netz zu verlagern. Er beherrscht diese Spielweise, aber zur Perfektion fehlt bis anhin die nötige Konsequenz. Seine Angriffe könnten in Zukunft präziser und damit wirkungsvoller werden. Technisch verbessern müsste er für diese Taktik wohl den Vorhand-Volley (mehr Slice) und die Übergänge von der Grundlinie zum Netz, vor allem bei Standardsituationen nach Service und Return. Bei diesen für ein gutes Netzspiel entscheidenden Abläufen sollte er mehr durch System als durch Improvisation glänzen. Federer öfter am Netz zaubern zu sehen, wäre eine echte Bereicherung.
Leider gibt es den Spieltyp des Netz-Angreifers, wie ihn die früheren Nummern 1 John McEnroe, Stefan Edberg oder Pete Sampras verkörperten, heute kaum mehr. Viele gehen nur noch zum Gratulieren ans Netz. Weil Vorbilder fehlen, wird im Nachwuchs dem Repertoire am Netz zu wenig Wert beigemessen. Schade. Sind also epische taktische Duelle zwischen Angriffs- und Konterspielern wie bei McEnroe vs. Borg oder Sampras vs. Agassi passé? Könnte Federer diesbezüglich nicht neue Akzente setzen? Zugegeben, es schwingt auch ein Stück Egoismus mit, wenn man als leidenschaftlicher Trainer hofft, dass ein Tennisgenie wie Federer diese attraktivste Kunst des Games neu beleben könnte. Dazu imstande wäre er. Sein Auftritt am US Open war geprägt von mehr Variationen plus couragiertem Vorlaufen ans Netz. Der 13. Major-Titel wird für den Basler nicht der letzte gewesen sein.
* Roger Stadler, Ingenieur HTL, arbeitet seit 30 Jahren als Wettkampftrainer A, dipl. Tennislehrer und Buchautor. Er war Mentor und Trainer des langjährigen Davis-Cup-Spielers Roland Stadler. Die beiden Brüder leiten zusammen Tennis Bilateral Stadler (TBS) in Fällanden, ein Institut für zweiseitige Ausbildung im Tennis für alle Stärkeklassen und Altersstufen.
http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/ten ... 28533.html