Im Notfall hinter Gitter
Der Nationalrat verschärft das Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit
Die bürgerliche Mehrheit des Nationalrats will neue, repressive Instrumente gegen Hooligans unbefristet einführen u2013 obwohl unklar ist, ob dazu die Verfassungsgrundlage ausreicht.
Heute können Personen, die anlässlich von Sportveranstaltungen gewalttätig werden, strafrechtlich verfolgt und verurteilt werden. Im Hinblick auf die Fussball-Europameisterschaft 2008 und angesichts steigender Gewalttaten im Umfeld von Stadien genügt dies dem Bundesrat nun aber nicht mehr. Er hat dem Parlament mehrere Gesetzesverschärfungen vorgeschlagen. Es handelt sich dabei um folgende Punkte:
· Der Bund betreibt neu eine Datenbank, in welche Daten über Personen aufgenommen werden, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen im In- und Ausland gewalttätig verhalten haben.
Weiter sollen Massnahmen ohne richterliches Urteil verhängt werden dürfen. Diese sollen in Form einer Kaskade ausgesprochen werden. Das heisst, die nächste schärfere Bestimmung darf nur angeordnet werden, wenn die vorhergehende, mildere Massnahme nichts genützt hat. Dies sind folgende Massnahmen:
· Rayonverbot: Der betroffenen Person wird untersagt, sich während der Dauer einer Sportveranstaltung innerhalb eines definierten Gebietes aufzuhalten.
· Ausreisebeschränkung: Damit soll verhindert werden, dass polizeilich bekannte Randalierer an Sportveranstaltungen ins Ausland reisen dürfen.
· Meldeauflage: Eine Person kann verpflichtet werden, sich beispielsweise während eines Fussballspiels auf einem Polizeiposten zu melden.
· Polizeigewahrsam: Als letzte und schwerwiegendste Massnahme sieht der Bundesrat die vorübergehende Verhaftung gewalttätiger Personen vor. Diese dürfen höchstens 24 Stunden festgehalten werden.
«Angst vor Hooligans geschürt»
Der Nationalrat hat sich nun gestern in fast allen Punkten hinter die Vorschläge des Bundesrats gestellt. «Das Gesetz bildet eine gute Grundlage für die Bekämpfung von Gewalt bei Sportveranstaltungen», sagte der Berner CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener. Und Simon Schenk (svp, BE) fügte an, die Verschärfungen seien «aus Sicht der Sportvereine nötig». Justizminister Christoph Blocher gab zu bedenken, dass bisher eine nationale Grundlage zur Bekämpfung der Gewalt an Sportveranstaltungen fehlte.
SP und Grüne widersprachen Blocher heftig: «Die Gesetze sind da, doch der Vollzug ist mangelhaft», meinte SP-Nationalrat Andrea Hämmerle (GR). Die neuen Massnahmen sähen nur polizeiliche Repression vor. Mindestens so wichtig wäre es, der Fanbetreuung und präventiven Massnahmen den gleichen Stellenwert einzuräumen. Jo Lang (gp, ZG) meinte, mit dem Gesetz würden Ängste vor Randalierern geschürt. «Das ist ein polizeistaatlicher Sicherheitswahn.»
Sämtliche Anträge der Linken, das Gesetz aufzuweichen, scheiterten. So kann also jemand auf blossen Verdacht hin in der Datenbank registriert werden. Und auch der Versuch, nur verurteilte Hooligans mit Rayonverboten oder Polizeigewahrsam zu belegen, scheiterte.
Referendum der Linken?
Bundesrat Blocher und die Ratslinke wollten die Gültigkeit der Massnahmen bis Ende 2008 beschränken. Dies deshalb, weil nicht klar ist, ob dem Bund die verfassungsmässige Kompetenz zusteht, in diesem Bereich zu legiferieren. Die bürgerliche Ratsmehrheit liess sich aber nicht umstimmen. Nun kommt die Vorlage in den Ständerat.
Noch ist offen, ob die Linke das Referendum ergreifen wird. Dies würde freilich die Inkraftsetzung des Gesetzes noch vor der Euro 08 gefährden.
Der Bund:
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