Verfasst: 14.04.2005, 07:44
Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 14.04.2005
Eklat von Mailand
Wenn Faschisten die Kurve kriegen
In vielen Stadien Italiens stehen Rechtsradikale auf der Fantribüne - der Fußball spielt schon lange gleichsam im rechtsfreien Raum.
Von Birgit Schönau
Es war zunächst nur eine beiläufige, fast lässige Geste, denn Nelson Dida hatte das ja schon so oft gemacht. Ein Dutzend Flaschen aus dem Tor kicken, ein paar brennende Feuerwerkskörper aus dem Strafraum holen u2013 als Torwart ist man doch immer viel schneller als die Feuerwehr.
Dida weiß genau, wo er die Dinger anfassen muss, um sich nicht zu verletzen. Gerade hatte der deutsche Schiedsrichter Markus Merk ein Tor von Esteban Cambiasso annulliert. Die wütenden Anhänger von Inter Mailand hinter Didas Tor schleuderten alles, was sie bei sich hatten, auf das Spielfeld. Und das war eine Menge.
Feuerwerkskörper vor allem, Leuchtraketen in einer Masse, als gelte es, Silvester und den Sieg in der Champions League gleichzeitig zu feiern. Dabei war Inter in diesem Viertelfinal-Rückspiel gegen den Lokalrivalen eigentlich schon draußen.
2:0 hatte der AC Mailand das Hinspiel gewonnen, 1:0 führte die Mannschaft von Ministerpräsident Silvio Berlusconi auch jetzt. Inters Schicksal war besiegelt, daran hätte Cambiassos Tor auch nichts mehr ändern können.
Mit dem Ausscheiden hatten die Inter-Tifosi gerechnet. Mehr noch: Sie hatten es erwartet. Mit Dutzenden von Raketen bewaffnet waren sie in das GiuseppeMeazza-Stadion gezogen. Natürlich sind Feuerwerkskörper verboten, doch in Mailand hat niemand verhindert, dass sie auf die Tribüne mitgenommen wurden. Und auch anderswo gehören sie zur normalen Kulisse. An jedem Spieltag sammeln Profi-Fußballer in Italien Feuerwerkskörper vom Feld. Und die Amateure tun es auch.
Verwüstete Bahnhöfe, Tränengas, rassistisches Gegröle
Als Dida dann von einer Rakete getroffen wurde, sank er zu Boden. Zum Glück war er nur leicht an der Schulter verletzt worden. Eine Verbrennung wie von einer Zigarettenspitze, hieß es später. Da hatte Schiedsrichter Merk die Partie schon abgepfiffen. Spielabbruch infolge von Fankrawallen. Die Inter-Spieler waren sauer.
u201EDie Wut unserer Tifosi nach einem zu Unrecht annullierten Tor ist verständlichu201C, sagte der Kolumbianer Ivan Cordoba. Die ganze Mannschaft und auch der Trainer bemühten fast ausnahmslos dieselben Phrasen. Niemand mochte eindeutig die Hooligans in der eigenen Fankurve verurteilen.
Das übernahm am folgenden Tag Silvio Berlusconi u2013 in einer offiziellen Note aus dem Palazzo Chigi.
Die Politik allerdings hatte sich schon vorher des Problems annehmen müssen: Der Eklat von Mailand ereignete sich genau eine Stunde, nachdem im römischen Innenministerium eine Krisensitzung zum Thema Fangewalt zu Ende gegangen war.
Und kurz davor hatte Innenminister Giuseppe Pisanu angekündigt, die u201EStadien der Gewaltu201C demnächst einfach zu schließen. u201EIch bin nicht länger bereit, blindwütige Gewalt hinzunehmen, die in erster Linie die Ordnungskräfte trifft,u201C sagte er.
In Rom hat es im vorigen Jahr ein vorzeitig abgepfiffenes Derby mit 170 Verletzten gegeben, die meisten von ihnen Polizisten. Auch ein Champions- League-Spiel war in der Hauptstadt in dieser Saison bereits abgebrochen worden. Da hatte den schwedischen Schiedsrichter Anders Frisk eine Münze im Gesicht getroffen, die von der Vip-Tribüne aus geworfen worden war.
Verwüstete Bahnhöfe, Tränengaseinsätze, rassistisches Gegröle und Messerstechereien verzeichnen die Polizeiberichte jeden Sonntag u2013 und durchaus nicht nur in der Ersten Liga. Nach jedem Spieltag melden sich in Radiosendungen Dutzende von Familienvätern zu Wort: u201EBasta, es reicht. Nie wieder bringe ich meine Kinder ins Stadion.u201C
Über Jahre hat sich die Gewalt nahezu ungestört ausbreiten können. Die meisten Fankurven sind fest in rechter Hand, und rechtsextrem zu sein, ist in Italien unter Berlusconi kein Tabu mehr.
Der Ministerpräsident selbst hat nicht ausgeschlossen, bei der nächsten Parlamentswahl ein Bündnis mit der Splitterpartei der u201EDuceu201C-Enkelin Alessandra Mussolini einzugehen. Zu ihrer u201ESozialen Alternativeu201C gehört auch die neofaschistische Bewegung u201EForza Nuovau201C, die ihre schlagkräftigen Mitglieder aus den römischen Fankurven rekrutiert.
Hakenkreuze im Fanblock
Auf der Vip-Tribüne in Rom zeigen sich gern die Politiker der postfaschistischen Nationalen Allianz, die mit Frau Mussolini zwar nichts mehr zu tun haben wollen. Aber die Aufregung über Hakenkreuze im Fanblock verstehen sie auch nicht. u201EWir müssen auch die andere Seite sehenu201C, erklärte zum Beispiel Italiens Landwirtschaftsminister Gianni Alemanno: u201EDie linken Fans aus Livorno zeigen ja auch rote Fahnen und geballte Fäuste.u201C
Der Fußball spielt schon lange gleichsam im rechtsfreien Raum. Berlusconi hat mit immer neuen Notverordnungen bankrotten Klubs den Klassenerhalt gesichert, weil er um die Wählerstimmen ihrer Tifosi bangte. Zugleich hat er die Politisierung des Fußballs nicht nur geduldet, sondern bewusst betrieben. Als Präsident des AC Mailand musste er vor kurzem zurücktreten, weil ihn das von seiner Koalition entworfene Gesetz über Interessenkonflikte dazu zwang.
Als Patron bleibt er weiter im Sattel. Sein Vize bei Milan, Adriano Galliani, ein alter Freund aus gemeinsamen Gründertagen beim Privatfernsehen Mediaset, ist Chef der Profiliga.
Gerade haben Berlusconis Fernsehsender den Klubs mit den meisten Anhängern u2013 Juventus Turin, AC Mailand und Inter Mailand u2013 lukrative Verträge für die digitalen Übertragungsrechte beschert.
Tifosi, die die neuen Decoder kaufen, erhalten einen Zuschuss vom Staat. Vor zwei Wochen fiel dem Sportdirektor des AS Rom, Franco Baldini, ein, diese Entwicklung zu kommentieren. u201EAnstatt von einem Interessenkonflikt würde ich eher von gemeinschaftlichen Interessen sprechenu201C, sagte er. Tags darauf wurde er von seinem Klub suspendiert.
"Rom ist faschistisch"
Die Fans verstehen solche Zeichen, und es gibt eine Frage, die Fabrizio Toffolo aus dem Konzept bringt. Toffolo ist der Chef der organisierten Anhänger des italienischen Erstligisten Lazio Rom. Die etwa 7000 Fans nennen sich Irriducibili, die Unbeugsamen.
Mit den rechtsgerichteten Inter-Tifosi sind sie verbrüdert. Fragt man ihn also, warum sie nicht einfach wie andere Leute auch ins Stadion gehen, um sich ein Fußballspiel anzusehen, dann schaut der 40-jährige Römer so, als könne er soviel Naivität nicht fassen. u201EWir haben unseren politischen Standpunktu201C, sagt er. u201EUnd den wollen wir auch vertreten."
Vergangenen Sonntag, beim Spiel von Lazio Rom gegen ASLivorno, war es mal wieder soweit. Die Irriducibili zeigten ein paar Hakenkreuzfahnen und ein großes Spruchband, auf dem stand: u201ERom ist faschistisch.u201C Toffolo war nicht dabei. Wegen Körperverletzung hat er noch Stadionverbot bis nächstes Jahr. Aber Giuseppe Papadopulo war im Stadion.
Wie immer saß er auf seinem Platz. Er habe nicht auf die Fankurve geschaut, sagte er später. u201EIch konzentriere mich auf das Spielfeld. Ob die Fans Bananen oder Hakenkreuze hochhalten, ist mir sowieso egal.u201C Papadopulos Platz ist die Trainerbank von Lazio Rom.
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Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung vom 14.04.2005
Einige Täter, viele Schuldige
Die Europäische Fußball-Union Uefa sollte bedenken, dass Mailand kein Einzelfall ist - sondern nach Rom und Livorno der Höhepunkt einer Gewaltspirale, deren Ende nicht abzusehen ist.
Von Milan Pavlovic
Dumm waren die Menschen nicht, die den Abbruch des Mailänder Derbys erzwangen. Sie wussten, was sie wollten und wie sie es umsetzen mussten, und sie waren gut organisiert: Die Leuchtraketen flogen nicht bloß aus einer Ecke der Fankurve, sie flogen gleichzeitig in einer Choreographie der Destruktion.
Es gibt also eine Reihe Täter, aber auch viele, die nicht frei von Mitschuld sind: jene Ordnungskräfte etwa, die es zuließen, dass Zuschauer das Stadion mit den nicht gerade unauffälligen Raketen betreten konnten; die Profis und Klub-Offiziellen, die sich nicht von den Randalierern distanzierten, sondern deren Aktionen mit dummen Sprüchen sogar noch legitimierten; bis hin zu einigen Medien, die die Zustände gefährlich verharmlosen.
In Italien frotzelte ein TV-Kommentator, als Torwart Dida die ersten Wurfgeschosse vom Feld räumte, kurz bevor er von der Leuchtrakete getroffen wurde: u201EDida macht wohl Frühjahrsputz.u201C
Wenn sich die Tifosi in Livorno, Florenz oder Rom prügeln, scheint das nur auf den ersten Blick eine nationale Angelegenheit, vielleicht sogar ein Spiegelbild der italienischen Gesellschaft zu sein. Wer sieht, wie in einem scheinbar gesitteten europäischen Land frustrierte Vandalen ihre Ohnmacht in Macht verwandeln, indem sie ein gesellschaftliches Ereignis aushebeln, der könnte rasch auf den Geschmack kommen, das Gleiche in seiner Heimat zu probieren u2013 zumal es Medienpräsenz bringt und die Politik Probleme hat, sich auf den Vandalismus einzustellen.
Deshalb wäre es wichtig, dass die Europäische Fußball-Union Uefa ein Zeichen setzt, wenn sie über die Vorfälle in Mailand urteilt. Sie sollte bedenken, dass Mailand eben kein Einzelfall ist, sondern nach Rom und Livorno der Höhepunkt einer Gewaltspirale, deren Ende nicht abzusehen ist.
Eine kollektive Strafe gegen alle italienischen Klubs erscheint noch sinnvoller, wenn man an die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion 1985 zurückdenkt: Erst durch die drakonische Sperre gegen alle englischen Klubs wurden die Insel-Hooligans gezähmt. Oder muss erst wieder jemand ums Leben kommen, damit angemessen reagiert wird?
Wer den u201EFall Didau201C bagatellisiert, indem er ihn als italienische Krankheit darstellt, der handelt jedenfalls nicht bloß fahrlässig. Sondern dumm.
Eklat von Mailand
Wenn Faschisten die Kurve kriegen
In vielen Stadien Italiens stehen Rechtsradikale auf der Fantribüne - der Fußball spielt schon lange gleichsam im rechtsfreien Raum.
Von Birgit Schönau
Es war zunächst nur eine beiläufige, fast lässige Geste, denn Nelson Dida hatte das ja schon so oft gemacht. Ein Dutzend Flaschen aus dem Tor kicken, ein paar brennende Feuerwerkskörper aus dem Strafraum holen u2013 als Torwart ist man doch immer viel schneller als die Feuerwehr.
Dida weiß genau, wo er die Dinger anfassen muss, um sich nicht zu verletzen. Gerade hatte der deutsche Schiedsrichter Markus Merk ein Tor von Esteban Cambiasso annulliert. Die wütenden Anhänger von Inter Mailand hinter Didas Tor schleuderten alles, was sie bei sich hatten, auf das Spielfeld. Und das war eine Menge.
Feuerwerkskörper vor allem, Leuchtraketen in einer Masse, als gelte es, Silvester und den Sieg in der Champions League gleichzeitig zu feiern. Dabei war Inter in diesem Viertelfinal-Rückspiel gegen den Lokalrivalen eigentlich schon draußen.
2:0 hatte der AC Mailand das Hinspiel gewonnen, 1:0 führte die Mannschaft von Ministerpräsident Silvio Berlusconi auch jetzt. Inters Schicksal war besiegelt, daran hätte Cambiassos Tor auch nichts mehr ändern können.
Mit dem Ausscheiden hatten die Inter-Tifosi gerechnet. Mehr noch: Sie hatten es erwartet. Mit Dutzenden von Raketen bewaffnet waren sie in das GiuseppeMeazza-Stadion gezogen. Natürlich sind Feuerwerkskörper verboten, doch in Mailand hat niemand verhindert, dass sie auf die Tribüne mitgenommen wurden. Und auch anderswo gehören sie zur normalen Kulisse. An jedem Spieltag sammeln Profi-Fußballer in Italien Feuerwerkskörper vom Feld. Und die Amateure tun es auch.
Verwüstete Bahnhöfe, Tränengas, rassistisches Gegröle
Als Dida dann von einer Rakete getroffen wurde, sank er zu Boden. Zum Glück war er nur leicht an der Schulter verletzt worden. Eine Verbrennung wie von einer Zigarettenspitze, hieß es später. Da hatte Schiedsrichter Merk die Partie schon abgepfiffen. Spielabbruch infolge von Fankrawallen. Die Inter-Spieler waren sauer.
u201EDie Wut unserer Tifosi nach einem zu Unrecht annullierten Tor ist verständlichu201C, sagte der Kolumbianer Ivan Cordoba. Die ganze Mannschaft und auch der Trainer bemühten fast ausnahmslos dieselben Phrasen. Niemand mochte eindeutig die Hooligans in der eigenen Fankurve verurteilen.
Das übernahm am folgenden Tag Silvio Berlusconi u2013 in einer offiziellen Note aus dem Palazzo Chigi.
Die Politik allerdings hatte sich schon vorher des Problems annehmen müssen: Der Eklat von Mailand ereignete sich genau eine Stunde, nachdem im römischen Innenministerium eine Krisensitzung zum Thema Fangewalt zu Ende gegangen war.
Und kurz davor hatte Innenminister Giuseppe Pisanu angekündigt, die u201EStadien der Gewaltu201C demnächst einfach zu schließen. u201EIch bin nicht länger bereit, blindwütige Gewalt hinzunehmen, die in erster Linie die Ordnungskräfte trifft,u201C sagte er.
In Rom hat es im vorigen Jahr ein vorzeitig abgepfiffenes Derby mit 170 Verletzten gegeben, die meisten von ihnen Polizisten. Auch ein Champions- League-Spiel war in der Hauptstadt in dieser Saison bereits abgebrochen worden. Da hatte den schwedischen Schiedsrichter Anders Frisk eine Münze im Gesicht getroffen, die von der Vip-Tribüne aus geworfen worden war.
Verwüstete Bahnhöfe, Tränengaseinsätze, rassistisches Gegröle und Messerstechereien verzeichnen die Polizeiberichte jeden Sonntag u2013 und durchaus nicht nur in der Ersten Liga. Nach jedem Spieltag melden sich in Radiosendungen Dutzende von Familienvätern zu Wort: u201EBasta, es reicht. Nie wieder bringe ich meine Kinder ins Stadion.u201C
Über Jahre hat sich die Gewalt nahezu ungestört ausbreiten können. Die meisten Fankurven sind fest in rechter Hand, und rechtsextrem zu sein, ist in Italien unter Berlusconi kein Tabu mehr.
Der Ministerpräsident selbst hat nicht ausgeschlossen, bei der nächsten Parlamentswahl ein Bündnis mit der Splitterpartei der u201EDuceu201C-Enkelin Alessandra Mussolini einzugehen. Zu ihrer u201ESozialen Alternativeu201C gehört auch die neofaschistische Bewegung u201EForza Nuovau201C, die ihre schlagkräftigen Mitglieder aus den römischen Fankurven rekrutiert.
Hakenkreuze im Fanblock
Auf der Vip-Tribüne in Rom zeigen sich gern die Politiker der postfaschistischen Nationalen Allianz, die mit Frau Mussolini zwar nichts mehr zu tun haben wollen. Aber die Aufregung über Hakenkreuze im Fanblock verstehen sie auch nicht. u201EWir müssen auch die andere Seite sehenu201C, erklärte zum Beispiel Italiens Landwirtschaftsminister Gianni Alemanno: u201EDie linken Fans aus Livorno zeigen ja auch rote Fahnen und geballte Fäuste.u201C
Der Fußball spielt schon lange gleichsam im rechtsfreien Raum. Berlusconi hat mit immer neuen Notverordnungen bankrotten Klubs den Klassenerhalt gesichert, weil er um die Wählerstimmen ihrer Tifosi bangte. Zugleich hat er die Politisierung des Fußballs nicht nur geduldet, sondern bewusst betrieben. Als Präsident des AC Mailand musste er vor kurzem zurücktreten, weil ihn das von seiner Koalition entworfene Gesetz über Interessenkonflikte dazu zwang.
Als Patron bleibt er weiter im Sattel. Sein Vize bei Milan, Adriano Galliani, ein alter Freund aus gemeinsamen Gründertagen beim Privatfernsehen Mediaset, ist Chef der Profiliga.
Gerade haben Berlusconis Fernsehsender den Klubs mit den meisten Anhängern u2013 Juventus Turin, AC Mailand und Inter Mailand u2013 lukrative Verträge für die digitalen Übertragungsrechte beschert.
Tifosi, die die neuen Decoder kaufen, erhalten einen Zuschuss vom Staat. Vor zwei Wochen fiel dem Sportdirektor des AS Rom, Franco Baldini, ein, diese Entwicklung zu kommentieren. u201EAnstatt von einem Interessenkonflikt würde ich eher von gemeinschaftlichen Interessen sprechenu201C, sagte er. Tags darauf wurde er von seinem Klub suspendiert.
"Rom ist faschistisch"
Die Fans verstehen solche Zeichen, und es gibt eine Frage, die Fabrizio Toffolo aus dem Konzept bringt. Toffolo ist der Chef der organisierten Anhänger des italienischen Erstligisten Lazio Rom. Die etwa 7000 Fans nennen sich Irriducibili, die Unbeugsamen.
Mit den rechtsgerichteten Inter-Tifosi sind sie verbrüdert. Fragt man ihn also, warum sie nicht einfach wie andere Leute auch ins Stadion gehen, um sich ein Fußballspiel anzusehen, dann schaut der 40-jährige Römer so, als könne er soviel Naivität nicht fassen. u201EWir haben unseren politischen Standpunktu201C, sagt er. u201EUnd den wollen wir auch vertreten."
Vergangenen Sonntag, beim Spiel von Lazio Rom gegen ASLivorno, war es mal wieder soweit. Die Irriducibili zeigten ein paar Hakenkreuzfahnen und ein großes Spruchband, auf dem stand: u201ERom ist faschistisch.u201C Toffolo war nicht dabei. Wegen Körperverletzung hat er noch Stadionverbot bis nächstes Jahr. Aber Giuseppe Papadopulo war im Stadion.
Wie immer saß er auf seinem Platz. Er habe nicht auf die Fankurve geschaut, sagte er später. u201EIch konzentriere mich auf das Spielfeld. Ob die Fans Bananen oder Hakenkreuze hochhalten, ist mir sowieso egal.u201C Papadopulos Platz ist die Trainerbank von Lazio Rom.
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Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung vom 14.04.2005
Einige Täter, viele Schuldige
Die Europäische Fußball-Union Uefa sollte bedenken, dass Mailand kein Einzelfall ist - sondern nach Rom und Livorno der Höhepunkt einer Gewaltspirale, deren Ende nicht abzusehen ist.
Von Milan Pavlovic
Dumm waren die Menschen nicht, die den Abbruch des Mailänder Derbys erzwangen. Sie wussten, was sie wollten und wie sie es umsetzen mussten, und sie waren gut organisiert: Die Leuchtraketen flogen nicht bloß aus einer Ecke der Fankurve, sie flogen gleichzeitig in einer Choreographie der Destruktion.
Es gibt also eine Reihe Täter, aber auch viele, die nicht frei von Mitschuld sind: jene Ordnungskräfte etwa, die es zuließen, dass Zuschauer das Stadion mit den nicht gerade unauffälligen Raketen betreten konnten; die Profis und Klub-Offiziellen, die sich nicht von den Randalierern distanzierten, sondern deren Aktionen mit dummen Sprüchen sogar noch legitimierten; bis hin zu einigen Medien, die die Zustände gefährlich verharmlosen.
In Italien frotzelte ein TV-Kommentator, als Torwart Dida die ersten Wurfgeschosse vom Feld räumte, kurz bevor er von der Leuchtrakete getroffen wurde: u201EDida macht wohl Frühjahrsputz.u201C
Wenn sich die Tifosi in Livorno, Florenz oder Rom prügeln, scheint das nur auf den ersten Blick eine nationale Angelegenheit, vielleicht sogar ein Spiegelbild der italienischen Gesellschaft zu sein. Wer sieht, wie in einem scheinbar gesitteten europäischen Land frustrierte Vandalen ihre Ohnmacht in Macht verwandeln, indem sie ein gesellschaftliches Ereignis aushebeln, der könnte rasch auf den Geschmack kommen, das Gleiche in seiner Heimat zu probieren u2013 zumal es Medienpräsenz bringt und die Politik Probleme hat, sich auf den Vandalismus einzustellen.
Deshalb wäre es wichtig, dass die Europäische Fußball-Union Uefa ein Zeichen setzt, wenn sie über die Vorfälle in Mailand urteilt. Sie sollte bedenken, dass Mailand eben kein Einzelfall ist, sondern nach Rom und Livorno der Höhepunkt einer Gewaltspirale, deren Ende nicht abzusehen ist.
Eine kollektive Strafe gegen alle italienischen Klubs erscheint noch sinnvoller, wenn man an die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion 1985 zurückdenkt: Erst durch die drakonische Sperre gegen alle englischen Klubs wurden die Insel-Hooligans gezähmt. Oder muss erst wieder jemand ums Leben kommen, damit angemessen reagiert wird?
Wer den u201EFall Didau201C bagatellisiert, indem er ihn als italienische Krankheit darstellt, der handelt jedenfalls nicht bloß fahrlässig. Sondern dumm.
