Lusti hat geschrieben:Im Endeffekt ist die Verschiebung im Fussball auch einer Verschiebung in der Finanzierung der Vereine zu erklären. Früher war die Haupteinnahmequellen auch für grosse Vereine lokal gelegen, über den Ticketverkauf, das Catering und die Fanshops. Auch hier hat die Globalisierung einiges verändert, heute wird das grosse Geld in der weltweiten Vermarktung von Fanartikel, den Mediengeldern oder auch der Vermarktung des Vereins und dessen Spieler als Werbeträger. Somit ist die lokale Einnahmequelle eben nicht mehr so wichtig und deswegen auch nicht mehr das allerwichtigste.
Ich denke du bedienst ein eher nostalgisches Bild des internationalen Fussballs, ein Bild welches wohl in den späten achzigern und den frühen neunzigern entstanden, aber spätestens mit der jahrtausendwende verloren gegangen ist. Anders gesagt: Vereine wie Juventus und Real können sich die Rücksichtnahme auf lokale Bedürfnisse gar nicht mehr leisten. Und somit sind Logowechsel und die Entfernung christlicher Symbole einfach eine Methode, das Produkt besser zu vermarkten. Aktuell fliess das Geld aus Russland und den Pedrodollars des Ostens herein, China hat seinen Anspruch als Wachstumsmarkt und zukünftiger "Konsument" dieser Marken bereits angekündigt.
Somit bleibt deine Vorstellung bestenfalls eine schöne Hoffnung. Aber ein internationaler Verein wird diesen "Schritt zurück" auf keinen Fall machen, auch wenn er es wollte. Mit der Entscheidung an diese grossen Märkte anzuknüpfen ist die Entscheidung die Ursprungsmärkte nicht mehr aktiv zu bedienen eigentlich getroffen. Klar wird mit lokalen Fanprojekten der Anschein gewahrt dass man seine Wurzeln nicht vergessen hat, aber die Kosten einer solchen lokalen "Werbekampagne" sind einfach zu stemmen und sorgen für wohlbefinden beim lokalen Publikum. Insgesamt ist es aber Augenwischerei.
Die Globalisierung ist ein zweischneidiges Schwert. Ein ausländischer Spieler oder Trainer, der eine neue Spielkultur mitbringt ist doch eine Bereicherung für die positive Entwicklung des Fussballs.
Die Verschiebung der Finanzierung von lokal zu international ist eine logische Folge der Verschiebung der Priorität. Würde der Fussball an erster Stelle stehen, so wäre die Ausrichtung weiterhin lokal. Der Fan am anderen Ende Welt trägt nichts zur Stimmung im Stadion, nichts zum lokalen Rückhalt bei und ist nicht die Quelle für Nachwuchsspieler, somit wäre der absolut zweitrangig. Sobald das Geld an die erste Stelle rückt, wird auf Wachstum getrimmt. Die lokale Nachfrage an Merchandising ist schnell erschöpft und die entfernten Märkte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Weil das potenzielle Wachstum grösser scheint.
Als Austausch von Ideen ist Globalisierung genial, als Plattform für den Kapitaldarwinismus aber verheerend.
Das nostalgische Bild das ich zeichne, bezieht sich weniger auf eine zeitliche Epoche, sondern auf das Stadium, wie stark sich ein Club im Hinblick auf finanzielles Wachstum optimiert hat. Im internationalen Geschäft finden sich (noch) Clubs in unterschiedlichen Stadien dieser Entwicklung. Es werden aber laufend weniger, während die Spitzenclubs sich immer weiter in diese Richtung entwickeln. Du hast recht, die grossen internationalen Clubs sind Marken, die ihren Wert vergrössern «müssen». Weil sie sich schon so stark auf diesen Wettbewerb hin optimiert haben, dass die internen Strukturen es gar nicht mehr zulassen, aus dieser irrsinnigen Spirale auszusteigen …
ausser, man änderte die Strukturen und zwar tiefgreifend.
Alle
meinen, dass es keinen Alternative oder keinen Ausstieg aus dieser Spirale gibt, weil es ja alle anderen auch machen und wer nicht mitmacht, wird abgehängt … das stimmt aber nicht. Die Ausstiegsmöglichkeit gibt es und ja, man würde abgehängt.
Es steht doch jedem Fan, Spieler oder Verein (sofern er seine Besitzverhältnisse noch nicht dem Teufel verkauft hat) frei, diese Spirale weiter zu befeuern und darin gefangen zu bleiben oder einfach nicht mehr mitmachen zu wollen. Klar, keiner dieser Verein könnte seine überdimensionierte Grösse und Strahlkraft behalten, würde bestimmt zurückfallen oder gar absteigen, aber er würde seine Seele zurückgewinnen.
Ich glaube auch nicht daran, dass es so ein Verein durchziehen würde. Aber ich bin Leid zu hören, dass es unmöglich wäre. Es ist möglich. Es hiesse kleinere Brötchen backen, redimensionieren, gesundschrumpfen, etc. Das klingt in meinen Ohren zwar nach Opfer und Einbussen, aber weitaus weniger tragisch, als der Irrsinn, welcher die Alternative böte. Am Ende kann es nur wenige Gewinner dieses Kapitalwettrüstens geben, die Ressourcen sind schlicht begrenzt. Aufmerksamkeit, Zeit zum Schauen/Senden, Interesse, Geld, «Kunden», etc. sind nicht unendlich vorhanden und wenn wenige immer mehr für sich beanspruchen, bleibt den vielen anderen weniger. Diese Gedanken waren mir ein Grund, warum ich die Verkleinerung des strukturellen Defizits beim FCB als logischen und guten Schritt ansah. Ich war nur mit der Hauruck-Methode nicht zufrieden, aber das habe ich schon in anderen Threads erwähnt.