BaZ vom 4. Februar 2006
«Ein Wahlkampf findet gar nicht statt»
FDP-KANDIDATIN SASKIA FREI REAGIERT AUF DIE KRITIK AN IHRER POLITIK UND DEN MANDATEN IHRES EHEMANNES
Interview: Robert Bösiger, Valentin Kressler
In einer Woche entscheidet sich, ob die Anwältin und FDP-Vizepräsidentin Saskia Frei (49) den Sprung in die Basler Regierung schafft. Frei selbst sieht sich einer «plumpen Diffamierungskampagne» ausgesetzt.
baz: Frau Frei, wie geht es Ihnen?
Saskia Frei: Gut. Danke. Und Ihnen?
Auch gut. Danke. Wir sind aber wegen Ihnen hier

er Gegenwind, der Ihnen im Wahlkampf ins Gesicht bläst, wird nämlich immer heftiger. Immer mehr Parteien und Organisationen rufen wegen Ihren Äusserungen zur Sozial- und Integrationspolitik sowie den Nachtclub-Mandaten Ihres Ehemannes Felix Moppert dazu auf, bei der Ersatzwahl leer einzulegen. Wie gehen Sie damit um?
Ich teile Ihre Einschätzung nicht:Ein eigentlicher Wahlkampf findet überhaupt nicht statt. Auch das Thema Integration wurde bisher nicht richtig behandelt. Dafür läuft im Zusammenhang mit den Mandaten meines Mannes eine plumpe Diffamierungskampagne.
Wer steckt Ihrer Ansicht nach hinter dieser «Kampagne»?
Ich muss Ihnen offen sagen: Ich weiss es nicht.
Machen Sie es sich jetzt nicht ein bisschen zu einfach?
Die Mandate meines Mannes sind seit Jahren bekannt. Ich bleibe dabei: Es ist eine plumpe Diffamierungskampagne.
Wir gehen davon aus, dass Ihr Ehemann seine Mandate bei den Lokalen «Zer alte Schmitti» und «Happy Night» zur Verfügung stellt, wenn Sie gewählt werden.
Am 14. Februar wird mein Mann eine Medienmitteilung verschicken. Mehr sage ich jetzt nicht.
Trotzdem: Weshalb hat er nicht schon unmittelbar nach Ihrer Nomination als Regierungsratskandidatin Anfang Dezember Klarheit geschaffen? Das wäre doch politisch geschickter gewesen.
Nein. Sie können von einem selbstständigen Anwalt doch nicht ernsthaft erwarten, dass er seine Mandate vor der Wahl aufgibt. Es geht ausserdem nicht nur um die beiden von Ihnen erwähnten Mandate. Es geht um ein «Gesamtpäckli», das bereinigt werden muss.
Von welchen weiteren Mandaten Ihres Ehemannes sprechen Sie?
Auch das Ersatzrichtermandat am Appellationsgericht muss überprüft werden.
Zurück zu Ihren Äusserungen zur Sozialpolitik: Bereuen Sie unterdessen, dass Sie sich hier so weit aus dem Fenster gelehnt haben?
Nein. Ich habe mir die Äusserungen vorher natürlich gut überlegt. Ich bin immer noch der Ansicht, dass die Sozialpolitik in unserem Kanton ein wichtiges Thema ist.
Man könnte sich fragen, ob Ihre Äusserungen überhaupt nötig gewesen wären. Bis dahin war die Ersatzwahl ja eine reine Formsache.
Auch hier teile ich Ihre Einschätzung nicht: Die Wählerinnen und Wähler haben ein Anrecht darauf, über meine politischen Positionen und mein Auftreten im Bild zu sein. Und wenn ich von einem Thema einmal überzeugt bin, dann ist es für mich eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass ich mich auch vor der Wahl dazu äussere.
Anders gefragt:Können Sie dem bisherigen Wahlkampf auch etwas Positives abgewinnen?
Noch einmal:Von einem eigentlichen Wahlkampf kann meiner Ansicht nach gar keine Rede sein. Ich bin schon davon ausgegangen, dass mich die Journalisten noch zu anderen Themen befragen werden.
Wir nehmen diesen Ball gerne auf:Wie stehen Sie zum Beispiel zur aktuellen Entwicklung bei der Zollfreistrasse?
Ich habe Verständnis für die Forderung der deutschen Seite, sofort mit der Rodung zu beginnen. Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende.
Sie sind in den vergangenen Wochen vor allem von rot-grüner Seite massiv unter Beschuss geraten. Das könnte auch ein Vorgeschmack darauf sein, dass Sie in der rot-grün dominierten Regierung einen schweren Stand haben werden.
Das glaube ich nicht. Ich bin überzeugt davon, dass der Umgang in der Regierung ein völlig anderer sein wird. Da werden Meinungen ausgetauscht, und am Schluss rauft man sich zu einer gemeinsamen Lösung zusammen. Das war übrigens schon früher so, als die Regierung noch bürgerlich dominiert war.
Sie werden vor allem von linken Frauen heftig attackiert. Das erscheint uns etwas paradox, denn die Linken machen sich in der Regel für Frauenkandidaturen stark.
Zunächst einmal:Es ist der freisinnige Regierungssitz, der jetzt zur Diskussion steht. Ich habe aus diesem Grund gar nie erwartet, dass mich die Linken, ob Frauen oder Männer, unterstützen werden. Hinter meiner Kandidatur stehen mit FDP, LDP, CVP, SVP und DSP immerhin fünf verschiedene Parteien. Das hat es vorher noch nie gegeben und freut mich ungemein. Und die SP, die grösste Linkspartei, hat gar keine Empfehlung abgegeben.
Sie haben eine Anwaltskanzlei mit einem wunderschönen Blick auf die Innerstadt und Ende Jahr hätten Sie - ohne Wahlkampf - für Johannes Randegger in den Nationalrat nachrücken können. Hand aufs Herz:Haben Sie die Kandidatur für den Regierungsrat noch nie bereut?
Sie haben Recht: Ich habe einen turbulenten Monat hinter mir. Ich bin ausserdem in einer Art «Schwebezustand». Ich habe immer noch viele Mandate als Anwältin, die ich erledigen muss. Und der Ausgang der Wahl am 12. Februar ist aus meiner Sicht völlig offen.
Mit welchem Wahlresultat rechnen Sie?
Im Moment gehe ich immer noch da- von aus, dass ich gewählt werde. Ich bin jedenfalls froh, wenn der 12. Februar vorbei ist.
Was werden Sie tun, falls Sie im ersten Wahlgang das absolute Mehr nicht erreichen?
Ich habe mich entschieden. Falls dieser Fall eintritt, werde ich mich am 12. Februar dazu äussern.
Frau Frei, in einem Satz:Weshalb sollen die Baslerinnen und Basler Sie wählen?
Weil ich der Ansicht bin, dass ich mich in der Regierung einbringen und zum Wohl unseres Kantons etwas bewirken kann.
Und was haben die Baselbieterinnen und Baselbieter von Ihnen zu erwarten?
Partnerschaftliche Lösungen sind ganz klar das Modell der Zukunft. Was wir bei der Universität erreicht haben, sollte meiner Ansicht nach auch in anderen Bereichen möglich sein - ich denke da zum Beispiel an das Theater. Ich kenne auch bereits einzelne Baselbieter Regierungsmitglieder gut, etwa Sabine Pegoraro. Sie war früher in Basel auch als Anwältin tätig. Das Vertrauensverhältnis ist da.
Frau Frei, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Ich habe eigentlich erwartet, in diesem Interview noch etwas zum Thema Integration sagen zu können.
Bitte.
Das Integrationsgesetz beider Basel, so wie es jetzt vorliegt, ist meiner Ansicht nach eine gute Grundlage. Die wirkliche Qualität dieses Gesetzes wird sich jedoch erst nach der Behandlung in den beiden Parlamenten zeigen. Ich würde es deshalb ausserordentlich bedauern, wenn die türkischstämmigen Grossratsmitglieder mit Ihrer Absicht, dem Gesetz die Zähne zu ziehen, durchkommen würden. Damit wäre die partnerschaftliche Vorlage wohl zum Scheitern verurteilt.
«Ich habe gar nie erwartet, dass die Linken, ob Frauen oder Männer, meine Regierungsratskandidatur unterstützen.»