Verfasst: 20.01.2005, 14:25
NZZ -- 20.01.2005
Bayern München zu 68 Prozent deutscher Meister
Als "Herbstmeister" wird Bayern München statistisch gesehen mit 68-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch am Ende ganz oben stehen. In 41 Jahren Bundesliga war dies 28 Mal der Fall.
Die Bayern tun jedoch gut daran, sich von der Statistik nicht blenden zu lassen. Nach 17 Runden liegt Schalke mit dem Rekordmeister gleichauf und sind die Rückstände des VfB Stuttgart (3 Punkte), Wolfsburg (4), Titelhalter Werder Bremen sowie Hertha Berlin und Hannover (6) relativ gering.
Allgemein wird ein Dreikampf um den Titel zwischen den Bayern, Schalke und Werder erwartet. Am andern Ende der Rangliste droht im Moment vor allem den beiden Letztplazierten Hansa Rostock und SC Freiburg der Abstieg. Sie liegen schon sechs Punkte hinter dem rettenden 15. Platz, den zur Zeit "Transfersieger" Mönchengladbach besetzt. Wer wie Rostock nur einen Punkt aus neun Heimspielen erringt, kennt den Hauptgrund für den Misserfolg.
Bundesliga boomt
In der Vorrunde wurden zahlreiche Bundesligarekorde gebrochen. Obwohl mehr Zweikämpfe geführt wurden als früher (230 pro Spiel), gab es weniger Fouls (38 pro Spiel). Paradebeispiel ist Hannovers Neo-Internationaler Per Mertesacker, um den sich die Bayern bemühen. Der Innenverteidiger ist der zweikampfstärkste Spieler der Liga, beging jedoch nur zehn Fouls und wurde nie verwarnt.
Die Joker stachen so oft wie nie zuvor. Sie markierten 58 Tore; neunmal trafen Werders Einwechselspieler, unter ihnen Nelson Valdez und Miroslav Klose mit je vier Treffern. Auch der Zuschauer-Boom hielt an. In der Hinrunde wurde der Rekord des Vorjahrs (36'579) um zwei Prozent übertroffen. Den grössten Zuspruch fanden die Heimspiele der mit rund 100 Millionen Euro verschuldeten Borussia Dortmund mit durchschnittlich mehr als 77'000 Besuchern, gefolgt von Schalke und Bayern München.
Mit einem spektakulären Coup auf dem Transfermarkt haben die Bayern ihre Ambitionen auf den 19. Titel bekräftigt. Der Abwehspieler Bixente Lizarazu (35) kehrte nach acht Monaten überraschend zurück und soll die Probleme auf der linken Seite der Viererkette beheben. Ein finanzielles Risiko stellte die Verpflichtung des Franzosen nicht dar. Lizarazu war ablösefrei zu haben und bot sich Bayerns Manager Uli Hoeness vor Weihnachten selber an. Bei Olympique Marseille hatte er unter dem neuen Trainer Philippe Troussier keine Perspektiven mehr gesehen.
Paulo Guerrero, der 20-jährige Stürmer aus Peru, war die Entdeckung der Vorrunde mit fünf Treffern in sechs Kurzeinsätzen. Hoeness wähnt bei Guerrero ein "Tor-Gen", und Vereinspräsident Karl-Heinz Rummenigge will den Regionalliga-Torschützenkönig von 2004 mit einem neuen Vertrag über 2006 hinaus an die Bayern binden.
Schalkes Balanceakt
Nach der imposanten Aufholjagd in der Hinrunde ist Schalke 04 Bayerns Hauptkonkurrent. Vor vier Jahren waren die Königsblauen nur die "Meister des Herzens", als sie von den Bayern auf dem Zielstrich noch abgefangen wurden. Jetzt scheint der erste Meistertitel seit 47 Jahren wieder möglich. Das weiss auch Trainer Ralf Rangnick. Seit er vor vier Monaten das Szepter übernahm, gings steil bergauf: "Natürlich wollen wir Meister werden. Wenn man neun der letzten elf Spiele gewinnt und 28 Punkte holt, muss man diesen Anspruch haben. In der Mannschaft wächst die Geilheit, etwas zu schaffen. Aber es ist nicht so, dass wir den Titel jeden Tag in unsere Gebete einschliessen", sagte der 46-jährige Rangnick.
Das Potenzial seines Kaders schätzt der Schalker Trainer hoch ein. Ein weiterer Pluspunkt sei, dass einige Profis wie Ebbe Sand nach der Enttäuschung der knapp verpassten Meisterschaft 2001 besonders heiss auf Erfolge sind. "Die Bayern sind in der Breite sicher am besten besetzt. Daher kommt es für uns besonders darauf an, von grossen Verletzungen verschont zu bleiben." Rangnick rechnet aber auch mit Stuttgart, Bremen und Wolfsburg.
Hoeness zweifelte vorige Woche die finanzielle Potenz der Schalker an und griff Manager Rudi Assauer scharf an. Rangnick wertet die Attacke aus München als gezieltes Störmanöver: "Das ist doch nichts Neues. Die Erfahrung lehrt, dass sich Hoeness, Rummenigge und der jeweilige Bayern-Trainer immer dann über andere Klubs herziehen, wenn ihnen diese sportlich gefährlich zu werden drohen."
Werder angriffslustig
Die Bremer, mit 36 Toren vor den Bayern (33) am treffsichersten, zeigen sich ebenfalls angriffslustig. Der sonst zurückhaltende Trainer Thomas Schaaf spricht offen über die mögliche Titelverteidigung. Das Selbstvertrauen scheint nach einer wechselhaften und von vielen Verletzungen beeinträchtigten Hinrunde wieder gewachsen zu sein.
Am klarsten drückt sich der Schweizer Internationale Ludovic Magnin aus. "Die sechs Punkte Rückstand auf das Führungsduo können doch ganz schnell wettgemacht werden", sagte der Waadtländer. "Wir sind daher noch voll im Titelrennen." Vor allem kräftemässig und auch personell hat sich Werders Lage verbessert. Der im Sommer geholte Gustavo Nery ist nach monatelangem Ausfall endlich einsatzbereit, und mit Mohamed Zidan wurde ein neuer Stürmer verpflichtet. Der Ägypter fällt allerdings nach einem Foul von Raphael Wicky wegen einer Fussgelenkverletzung rund vier Wochen aus.
Wochenlang schien Werder der Mehrfachbelastung durch Bundesliga, Cup und Champions League nicht Stand halten zu können und mit vielen unnötigen Punktverlusten im Mittelmass zu versinken. Im Dezember kriegte der Double-Gewinner die Kurve und stürmte in die Achtelfinals der "Königsklasse". Der einzige Problemfall hat sich mit dem Verkauf von Angelos Charisteas an Ajax Amsterdam erledigt.
Bayern München zu 68 Prozent deutscher Meister
Als "Herbstmeister" wird Bayern München statistisch gesehen mit 68-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch am Ende ganz oben stehen. In 41 Jahren Bundesliga war dies 28 Mal der Fall.
Die Bayern tun jedoch gut daran, sich von der Statistik nicht blenden zu lassen. Nach 17 Runden liegt Schalke mit dem Rekordmeister gleichauf und sind die Rückstände des VfB Stuttgart (3 Punkte), Wolfsburg (4), Titelhalter Werder Bremen sowie Hertha Berlin und Hannover (6) relativ gering.
Allgemein wird ein Dreikampf um den Titel zwischen den Bayern, Schalke und Werder erwartet. Am andern Ende der Rangliste droht im Moment vor allem den beiden Letztplazierten Hansa Rostock und SC Freiburg der Abstieg. Sie liegen schon sechs Punkte hinter dem rettenden 15. Platz, den zur Zeit "Transfersieger" Mönchengladbach besetzt. Wer wie Rostock nur einen Punkt aus neun Heimspielen erringt, kennt den Hauptgrund für den Misserfolg.
Bundesliga boomt
In der Vorrunde wurden zahlreiche Bundesligarekorde gebrochen. Obwohl mehr Zweikämpfe geführt wurden als früher (230 pro Spiel), gab es weniger Fouls (38 pro Spiel). Paradebeispiel ist Hannovers Neo-Internationaler Per Mertesacker, um den sich die Bayern bemühen. Der Innenverteidiger ist der zweikampfstärkste Spieler der Liga, beging jedoch nur zehn Fouls und wurde nie verwarnt.
Die Joker stachen so oft wie nie zuvor. Sie markierten 58 Tore; neunmal trafen Werders Einwechselspieler, unter ihnen Nelson Valdez und Miroslav Klose mit je vier Treffern. Auch der Zuschauer-Boom hielt an. In der Hinrunde wurde der Rekord des Vorjahrs (36'579) um zwei Prozent übertroffen. Den grössten Zuspruch fanden die Heimspiele der mit rund 100 Millionen Euro verschuldeten Borussia Dortmund mit durchschnittlich mehr als 77'000 Besuchern, gefolgt von Schalke und Bayern München.
Mit einem spektakulären Coup auf dem Transfermarkt haben die Bayern ihre Ambitionen auf den 19. Titel bekräftigt. Der Abwehspieler Bixente Lizarazu (35) kehrte nach acht Monaten überraschend zurück und soll die Probleme auf der linken Seite der Viererkette beheben. Ein finanzielles Risiko stellte die Verpflichtung des Franzosen nicht dar. Lizarazu war ablösefrei zu haben und bot sich Bayerns Manager Uli Hoeness vor Weihnachten selber an. Bei Olympique Marseille hatte er unter dem neuen Trainer Philippe Troussier keine Perspektiven mehr gesehen.
Paulo Guerrero, der 20-jährige Stürmer aus Peru, war die Entdeckung der Vorrunde mit fünf Treffern in sechs Kurzeinsätzen. Hoeness wähnt bei Guerrero ein "Tor-Gen", und Vereinspräsident Karl-Heinz Rummenigge will den Regionalliga-Torschützenkönig von 2004 mit einem neuen Vertrag über 2006 hinaus an die Bayern binden.
Schalkes Balanceakt
Nach der imposanten Aufholjagd in der Hinrunde ist Schalke 04 Bayerns Hauptkonkurrent. Vor vier Jahren waren die Königsblauen nur die "Meister des Herzens", als sie von den Bayern auf dem Zielstrich noch abgefangen wurden. Jetzt scheint der erste Meistertitel seit 47 Jahren wieder möglich. Das weiss auch Trainer Ralf Rangnick. Seit er vor vier Monaten das Szepter übernahm, gings steil bergauf: "Natürlich wollen wir Meister werden. Wenn man neun der letzten elf Spiele gewinnt und 28 Punkte holt, muss man diesen Anspruch haben. In der Mannschaft wächst die Geilheit, etwas zu schaffen. Aber es ist nicht so, dass wir den Titel jeden Tag in unsere Gebete einschliessen", sagte der 46-jährige Rangnick.
Das Potenzial seines Kaders schätzt der Schalker Trainer hoch ein. Ein weiterer Pluspunkt sei, dass einige Profis wie Ebbe Sand nach der Enttäuschung der knapp verpassten Meisterschaft 2001 besonders heiss auf Erfolge sind. "Die Bayern sind in der Breite sicher am besten besetzt. Daher kommt es für uns besonders darauf an, von grossen Verletzungen verschont zu bleiben." Rangnick rechnet aber auch mit Stuttgart, Bremen und Wolfsburg.
Hoeness zweifelte vorige Woche die finanzielle Potenz der Schalker an und griff Manager Rudi Assauer scharf an. Rangnick wertet die Attacke aus München als gezieltes Störmanöver: "Das ist doch nichts Neues. Die Erfahrung lehrt, dass sich Hoeness, Rummenigge und der jeweilige Bayern-Trainer immer dann über andere Klubs herziehen, wenn ihnen diese sportlich gefährlich zu werden drohen."
Werder angriffslustig
Die Bremer, mit 36 Toren vor den Bayern (33) am treffsichersten, zeigen sich ebenfalls angriffslustig. Der sonst zurückhaltende Trainer Thomas Schaaf spricht offen über die mögliche Titelverteidigung. Das Selbstvertrauen scheint nach einer wechselhaften und von vielen Verletzungen beeinträchtigten Hinrunde wieder gewachsen zu sein.
Am klarsten drückt sich der Schweizer Internationale Ludovic Magnin aus. "Die sechs Punkte Rückstand auf das Führungsduo können doch ganz schnell wettgemacht werden", sagte der Waadtländer. "Wir sind daher noch voll im Titelrennen." Vor allem kräftemässig und auch personell hat sich Werders Lage verbessert. Der im Sommer geholte Gustavo Nery ist nach monatelangem Ausfall endlich einsatzbereit, und mit Mohamed Zidan wurde ein neuer Stürmer verpflichtet. Der Ägypter fällt allerdings nach einem Foul von Raphael Wicky wegen einer Fussgelenkverletzung rund vier Wochen aus.
Wochenlang schien Werder der Mehrfachbelastung durch Bundesliga, Cup und Champions League nicht Stand halten zu können und mit vielen unnötigen Punktverlusten im Mittelmass zu versinken. Im Dezember kriegte der Double-Gewinner die Kurve und stürmte in die Achtelfinals der "Königsklasse". Der einzige Problemfall hat sich mit dem Verkauf von Angelos Charisteas an Ajax Amsterdam erledigt.