Viel Blut um Nichts
Verfasst: 20.09.2006, 17:28
Die Ermittlungen im Doping-Skandal um den Madrider Arzt Eufemiano Fuentes drohen im Sande zu verlaufen. Die Hauptbeschuldigten kommen womöglich gar nicht vor Gericht. Dopingverdächtige Radler dürfen weiter Rennen fahren, als wäre nichts gewesen. David Blanco, Rubén Plaza, Jesús Hernández - die drei spanischen Radprofis haben eines gemeinsam: Sie stehen auf der vom internationalen Radsportverband UCI herausgegebenen Liste jener Fahrer, die des Dopings verdächtigt werden. Auf dieser Liste stehen auch einstige Top-Stars wie Jan Ullrich und Ivan Basso. Sie wurden längst von ihren Teams suspendiert und von allen Wettkämpfen ausgeschlossen.
Hernández stellt sich als Zeuge zur Verfügung
David Blanco vom Team Comunidad Valenciana dagegen siegte im August bei der Portugal-Rundfahrt. Teamkollege Rubén Plaza setzte sich kürzlich beim Eintagesrennen Clásica de los Puertos in Spanien durch. Und Jesús Hernández, der sich den spanischen Behörden als Zeuge zur Verfügung gestellt hat, bestritt für die Mannschaft Relax-Gam gar die Vuelta in Spanien - bis er am Dienstag vergangener Woche stürzte.
Dass verdächtige Radprofis auf der iberischen Halbinsel ganz selbstverständlich bei Rennen innerhalb und außerhalb der von der UCI organisierten ProTour antreten, ist keine Ausnahme. Der ebenfalls unter Dopingverdacht stehenden Igor Gonzáles de Galdeano, der als Fahrer einst den Kampfnamen "spanischer Stier" trug, war als sportlicher Leiter des baskischen Rennstalls Euskaltel bei der Spanien-Rundfahrt dabei. Sieger der Vuelta war der Kasache Alexander Winokurow, der für Astana in die Pedale tritt.
Das Team Astana
Astana - das ist jenes Team, das aus den Überresten des wegen massiven Dopingvorwürfen aufgelösten Liberty-Seguros-Rennstalls hervorgegangen und nach wie vor über die Betreibergesellschaft "Active Bay" mit deren Mitbesitzer Manolo Saiz verbandelt ist. Saiz wiederum war sportlicher Leiter bei Liberty Seguros und gilt spanischen Ermittlern als einer der Drahtzieher im Doping-Skandal.
Justiz scheinen Hände gebunden zu sein
Die Aufzählung zeigt, wie unterschiedlich Teams mit Doping-Vorwürfen umgehen. Und der spanischen Justiz scheinen die Hände gebunden. Selbst der mutmaßliche Doping-Doktor Eufemiano Fuentes und seine Komplizen werden möglicherweise nicht einmal vor Gericht gestellt. "Wo kein Delikt ist, kann es auch keine Verurteilung geben", hatte bereits nach der ersten Vernehmung von Fuentes dessen Anwalt Julián Pérez Templado y Templado behauptet.
Antidopinggesetz bis Ende Oktober
Kenner der spanischen Justiz geben ihm recht. Es existiert kein Dopingparagraf im spanischen Strafrecht. Und wenn das neue Antidopinggesetz in Kraft tritt - "wir rechnen mit einer Ratifizierung Mitte oder Ende Oktober", erklärte ein Sprecher des Justizministers Jaime Lissavetzky - kann es nicht rückwirkend auf die "Operacion Puerto" genannten Ermittlungen angewandt werden.
Rechtliches Verfahren schwer durchzuführen
Der einzige Strafrechtsparagraf, der Fuentes gefährlich werden könnte, lautet auf "Schädigung der öffentlichen Gesundheit". Der zuständige Ermittlungsrichter Andres Serrano hat bereits Hunderte Prozesse, vor allem gegen Drogendealer und illegale Medikamentenhersteller, geführt und weiß deshalb so genau, warum ein Verfahren etwa gegen die Geschwister Eufemiano und Yolanda Fuentes, deren Medizinerkollegen José Merino Batres (Leiter einer Blutanalyse-Klinik), gegen Manolo Saiz, diverse Ex-Teamärzte oder den mutmaßlichen Dopingkurier Alberto León schwer durchzuführen ist.
Suche nach gesundheitsschädlichen Substanzen
Die Gruppe um Fuentes wird laut Richter Serrano nur dann angeklagt werden, wenn sich in den zahlreichen sichergestellten Blut- und Blutplasmabeuteln Substanzen finden, die entweder gesundheitsschädlich sind oder ohne eine entsprechende medizinische Indikation verabreicht wurden. Eine Sprecherin des Obersten Gerichtshofes in Madrid brachte jüngst eine dritte Variante ins Spiel: "Wenn der Verdacht besteht, dass das Blut unsachgemäß gelagert wurde und dem Körper später wieder zugeführt werden sollte, kann Anklage erhoben werden."
Kein Ergebnis vor Mitte Oktober
Derzeit wird das gefundene Blutplasma im Dopingkontroll-Labor von Barcelona analysiert. "Wir haben Anfang September damit begonnen. Wir nehmen die ganze Testpalette der Weltdopingagentur Wada durch. Vor Mitte Oktober ist daher nicht mit einem Ergebnis zu rechnen", sagt der Laborleiter Jordi Segura. Nach der umstrittenen B-Probe der US-Leichtathletin Marion Jones und dem Streit um die Prozedur im Fall des Tour-de-France-Siegers Floyd Landis muss das Ergebnis der Tests über jeden Zweifel erhaben sein.
Verfahren gegen ca. 50 Beschuldigte
Trotz der vagen rechtlichen Möglichkeiten bedrängt der spanische Radsportverband zur Zeit die Justiz, die Fahrer als Zeugen zu vernehmen. "Es hat größeres Gewicht, wenn ein Sportler vor einem ordentlichen Gericht aussagt, als vor unserer Disziplinarkommission", erklärt Eugenio Bermúdez González, Generalsekretär der spanischen Radsportföderation. "Je nach Offenheit der Aussage können wir später einen Reduzierung der Strafe in Aussicht stellen." González bereitet momentan ein sportrechtliches Verfahren gegen knapp 50 Beschuldigte vor. "Doch es gilt, weiteres Beweismaterial abzuwarten", sagte er Spiegel Online. Dabei handelt es sich vor allem um die Zeugenaussagen, die Blutanalysen und die Auswertung der Computer von Fuentes.
Zuordnung von Codenamen
Vor allem von der Untersuchung der Festplatten erhoffen sich die Ermittler Erkenntnisse, um die noch nicht entschlüsselten Codenamen von Fuentes und anderen Beteiligten realen Personen zuordnen zu können. Besondere Aufmerksamkeit erregt das in den Unterlagen aufgetauchte Kürzel "VALV (Piti)". Dem Vuelta-Zweiten Alejandro Valverde wiederum gehört eine deutsche Schäferhündin, die auf den Namen "Piti" hört. Bereits im Falle von Basso hatte Fuentes offenbar den Namen dessen Hundes ("Birillo") als Tarnung verwendet. Ob Valverde, der Kapitän von Caisse dEspargne/Illes Balears, wegen des Verdachts gegen ihn irgendwelche Konsequenzen zu befürchten hat, darf bezweifelt werden.
Hernández stellt sich als Zeuge zur Verfügung
David Blanco vom Team Comunidad Valenciana dagegen siegte im August bei der Portugal-Rundfahrt. Teamkollege Rubén Plaza setzte sich kürzlich beim Eintagesrennen Clásica de los Puertos in Spanien durch. Und Jesús Hernández, der sich den spanischen Behörden als Zeuge zur Verfügung gestellt hat, bestritt für die Mannschaft Relax-Gam gar die Vuelta in Spanien - bis er am Dienstag vergangener Woche stürzte.
Dass verdächtige Radprofis auf der iberischen Halbinsel ganz selbstverständlich bei Rennen innerhalb und außerhalb der von der UCI organisierten ProTour antreten, ist keine Ausnahme. Der ebenfalls unter Dopingverdacht stehenden Igor Gonzáles de Galdeano, der als Fahrer einst den Kampfnamen "spanischer Stier" trug, war als sportlicher Leiter des baskischen Rennstalls Euskaltel bei der Spanien-Rundfahrt dabei. Sieger der Vuelta war der Kasache Alexander Winokurow, der für Astana in die Pedale tritt.
Das Team Astana
Astana - das ist jenes Team, das aus den Überresten des wegen massiven Dopingvorwürfen aufgelösten Liberty-Seguros-Rennstalls hervorgegangen und nach wie vor über die Betreibergesellschaft "Active Bay" mit deren Mitbesitzer Manolo Saiz verbandelt ist. Saiz wiederum war sportlicher Leiter bei Liberty Seguros und gilt spanischen Ermittlern als einer der Drahtzieher im Doping-Skandal.
Justiz scheinen Hände gebunden zu sein
Die Aufzählung zeigt, wie unterschiedlich Teams mit Doping-Vorwürfen umgehen. Und der spanischen Justiz scheinen die Hände gebunden. Selbst der mutmaßliche Doping-Doktor Eufemiano Fuentes und seine Komplizen werden möglicherweise nicht einmal vor Gericht gestellt. "Wo kein Delikt ist, kann es auch keine Verurteilung geben", hatte bereits nach der ersten Vernehmung von Fuentes dessen Anwalt Julián Pérez Templado y Templado behauptet.
Antidopinggesetz bis Ende Oktober
Kenner der spanischen Justiz geben ihm recht. Es existiert kein Dopingparagraf im spanischen Strafrecht. Und wenn das neue Antidopinggesetz in Kraft tritt - "wir rechnen mit einer Ratifizierung Mitte oder Ende Oktober", erklärte ein Sprecher des Justizministers Jaime Lissavetzky - kann es nicht rückwirkend auf die "Operacion Puerto" genannten Ermittlungen angewandt werden.
Rechtliches Verfahren schwer durchzuführen
Der einzige Strafrechtsparagraf, der Fuentes gefährlich werden könnte, lautet auf "Schädigung der öffentlichen Gesundheit". Der zuständige Ermittlungsrichter Andres Serrano hat bereits Hunderte Prozesse, vor allem gegen Drogendealer und illegale Medikamentenhersteller, geführt und weiß deshalb so genau, warum ein Verfahren etwa gegen die Geschwister Eufemiano und Yolanda Fuentes, deren Medizinerkollegen José Merino Batres (Leiter einer Blutanalyse-Klinik), gegen Manolo Saiz, diverse Ex-Teamärzte oder den mutmaßlichen Dopingkurier Alberto León schwer durchzuführen ist.
Suche nach gesundheitsschädlichen Substanzen
Die Gruppe um Fuentes wird laut Richter Serrano nur dann angeklagt werden, wenn sich in den zahlreichen sichergestellten Blut- und Blutplasmabeuteln Substanzen finden, die entweder gesundheitsschädlich sind oder ohne eine entsprechende medizinische Indikation verabreicht wurden. Eine Sprecherin des Obersten Gerichtshofes in Madrid brachte jüngst eine dritte Variante ins Spiel: "Wenn der Verdacht besteht, dass das Blut unsachgemäß gelagert wurde und dem Körper später wieder zugeführt werden sollte, kann Anklage erhoben werden."
Kein Ergebnis vor Mitte Oktober
Derzeit wird das gefundene Blutplasma im Dopingkontroll-Labor von Barcelona analysiert. "Wir haben Anfang September damit begonnen. Wir nehmen die ganze Testpalette der Weltdopingagentur Wada durch. Vor Mitte Oktober ist daher nicht mit einem Ergebnis zu rechnen", sagt der Laborleiter Jordi Segura. Nach der umstrittenen B-Probe der US-Leichtathletin Marion Jones und dem Streit um die Prozedur im Fall des Tour-de-France-Siegers Floyd Landis muss das Ergebnis der Tests über jeden Zweifel erhaben sein.
Verfahren gegen ca. 50 Beschuldigte
Trotz der vagen rechtlichen Möglichkeiten bedrängt der spanische Radsportverband zur Zeit die Justiz, die Fahrer als Zeugen zu vernehmen. "Es hat größeres Gewicht, wenn ein Sportler vor einem ordentlichen Gericht aussagt, als vor unserer Disziplinarkommission", erklärt Eugenio Bermúdez González, Generalsekretär der spanischen Radsportföderation. "Je nach Offenheit der Aussage können wir später einen Reduzierung der Strafe in Aussicht stellen." González bereitet momentan ein sportrechtliches Verfahren gegen knapp 50 Beschuldigte vor. "Doch es gilt, weiteres Beweismaterial abzuwarten", sagte er Spiegel Online. Dabei handelt es sich vor allem um die Zeugenaussagen, die Blutanalysen und die Auswertung der Computer von Fuentes.
Zuordnung von Codenamen
Vor allem von der Untersuchung der Festplatten erhoffen sich die Ermittler Erkenntnisse, um die noch nicht entschlüsselten Codenamen von Fuentes und anderen Beteiligten realen Personen zuordnen zu können. Besondere Aufmerksamkeit erregt das in den Unterlagen aufgetauchte Kürzel "VALV (Piti)". Dem Vuelta-Zweiten Alejandro Valverde wiederum gehört eine deutsche Schäferhündin, die auf den Namen "Piti" hört. Bereits im Falle von Basso hatte Fuentes offenbar den Namen dessen Hundes ("Birillo") als Tarnung verwendet. Ob Valverde, der Kapitän von Caisse dEspargne/Illes Balears, wegen des Verdachts gegen ihn irgendwelche Konsequenzen zu befürchten hat, darf bezweifelt werden.