Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20
Kürzlich bei Markus Lanz. Ein Dame der SPD, deren Name ich mir leider nicht gemerkt habe. Aber im Gegensatz zu der komplett von Ideologie geblendeten SPD-Dame Saskia Esken, war diese Dame eine, die die Sachen so zu betrachten versucht, wie sie tatsächlich sind.
Diese SPD-Dame (vielleicht weiss jemand hier ihren Namen) war bei einem Demokratie-Einführungsprojekt in Liberia dabei und stellte dabei fest, dass die Menschen dort nicht auf ein solches System warten. Ihnen geht es in erster Linie darum, sicher zu leben und genügend zu essen zu haben. Also das, was ich seit eh logisch finde.
Ich stelle fest, dass viele Politiker jeglicher Couleur sich sprachlich vor einer klaren Ansprache scheinbarer «Tabu-Themen» drücken. Ausgewichen wird oft durch Themenwechsel, Euphemismen, Strohmänner, etc. Die jeweils tabuisierten Themen unterscheiden sich auch nach politischen Lagern: Arbeitsplätze, Steuern, Lobbyismus, Finanzen, Migration, Umwelt, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Geopolitik, etc. Ich gehe davon aus, dass eine gewisse (mMn unbegründete) Angst mitschwingt, einen Teil der eigenen Wählerschaft zu verlieren oder dass die politischen Gegner Aussagen aus dem Kontext reissen und gegen einem verwenden. Daher ist es immer wieder erfrischend, wenn Politiker dadurch auffallen, dass sie solche Tabu-Themen nicht scheuen. Schade kannst du dich nicht an die SPD-Dame erinnern. Hätte gerne die Sendung nachgehört.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20Daher macht es wenig Sinn, dass der Westen vielen Teilen der Welt, in denen die Verhältnisse nicht demokratisch sind, mit Gewalt die Demokratie aufzwingen will wie man schon vor Jahrhunderten mit dem Christentum, welches ja gemäss Neuem Testament ganz lieb ist, getan hat.
Klar geht es in erster Linie darum, sicher zu leben und genügend Nahrung zu haben. Das politische System ist ein nachrangigeres Bedürfnis. Lebst du aber in einem politischen System, welches dir kein sicheres Leben oder die Aussicht auf genügend Nahrung nicht ermöglicht, dann sind deine Perspektiven ziemlich düster.
Ich halte wenig davon, einem Land die Demokratie um ihrer selbst willen, quasi in missionarischer Absicht aufzuzwingen. Das ist Quatsch. Ich halte aber sehr viel davon, einer von der eigenen nicht-demokratischen Regierung gebeutelten Bevölkerung (ohne Aussicht auf sicheres Leben und genügend Nahrung) die Demokratie (nicht unser Wirtschaftssystem) vorzustellen und näherzubringen. Ideen mit auf den Weg zu geben, wie sie aus eigener Kraft eine Regierung bilden können, welche eben ein sicheres Leben und genügend Nahrung ermöglicht. Denn sonst stehen die demnächst an unserer Grenze und erbitten Einlass.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20Im Moment wollen viele Menschen in der Dritten Welt ihre Probleme mit der Niederlassung im politischen Westen lösen.
Mit "viele" sind es eigentlich fast alle, wenn sie die Möglichkeiten hätten. Daher ist es fast schon ungerecht, dass die nur 1% davon dürfen und die anderen 99% dort ausharren sollten.
Ich zweifle diese Aussage vehement an und stelle die Gegenbehauptung auf, dass eigentlich fast alle lieber in ihrer Heimat, ihrem sozialen und in Teilaspekten ihrem kulturellen Umfeld verbleiben möchten, wenn sie die Möglichkeit auf ein sicheres Leben und genügend Nahrung vor Ort hätten. Und mit kulturellem Umfeld meine ich nicht die unterdrückerischen Aspekte religiöser oder patriarchaler Strukturen, sondern Feste, Musik, Geschichte, Essen, Umgang, etc. Ich bin der Ansicht, dass es eine Menge Elend braucht, damit sich ein Mensch freiwillig entwurzelt.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20Daher plädiere ich für Stopp der westlichen Wirtschaftsdiktatur, …
Ich habe dir bereits erklärt, dass es sich um keine Diktatur handelt. Unser Wirtschaftsystem ist auf Wachstum ausgelegt. Mitunter ein Grund, warum es die «Erschliessung neuer Märkte» stets forcierte. Wächst es nicht mehr, brechen das Wirtschaftssystem und die darauf aufgebauten Systeme und Strukturen (Finanzsystem, Rentensystem, etc.) zusammen. Der Raum für Wachstum ist aber begrenzt. Insofern kann ich einer fundamentalen Umstrukturierung der Wirtschaft zustimmen. Dafür haben wir demokratische Mittel, es fehlt aber noch an Ideen und Willen. Schieben wir aber diesen Wandel zu «weg vom Wachstum» weiterhin auf, wird es früher oder später zu einem mehr oder weniger umfangreichen Kollaps führen.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20… Nichtmigration, …
Darüber diskutieren wir ja gerade. Die einzigen deiner Ansätze dazu, in denen ich Potenzial erkenne, die Ursachen anzugehen sind Entwicklungshilfen und mit viel Interpretationsspielraum «Stopp der Wirtschaftsdiktatur». Wobei ich eher von einer fundamentalen Reform der Wirtschaft sprechen würde und keinerlei Diktatur sehe.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20… Geburtenkontrolle …
Wer soll kontrollieren? Und inwiefern unterscheidet sich dieser Ansatz von missionarischem Gebahren, welches von dir (mMn zurecht) kritisiert wird? Ich halte eine lebenswerte Perspektive (Bildung, Aufklärung, Emanzipation und Altervorsorge) für die effektivsten und am wenigsten «diktatorischen» Mittel, welche mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zur Selbstregulation führen.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20… und Entwicklungshilfe …
Sehe ich auch so. Wobei ich vor allem die Hilfe zur Selbsthilfe in den Vordergrund stellen würde.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20… (statt so viel Militärausgaben).
Ich finde es pervers, wenn militärische Mittel eingesetzt werden, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Aber ich finde es genau so falsch, sich ohnmächtig gegenüber Aggressoren zu verhalten. Demokratien verfügen über die Mittel, den Einsatzzweck ihres Militärs mitzubestimmen. Glaubst du, es würden weniger Menschen aus der Ukraine fliehen, wenn sie keinerlei Hoffnung hätten, gegen den Aggressor Russland bestehen zu können?
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20Zudem, wenn der Westen alle fähigen Menschen aus der Dritten Welt zu sich holt, sind diese Länder noch schlechter dran.
Talentabwanderung ist definitiv ein Problem. Ich führe das aber auf unser auf Wachstum angelegtes Wirtschafts- und Rentensystem zurück.
Rotblau2 hat geschrieben: 23.01.2024, 21:20Meines Erachtens kann damit die Welt verbessert werden, zu Gunsten der Menschen in der Dritten Welt, und nicht mit Massenmigration und Bevölkerungsexplosion. Dennoch ist mir bewusst. dass gewisse Menschen im Gegenteil das Wohl der Menschheit sehen.
Das halte ich für eine famose Unterstellung. Kein vernünftiger Mensch sieht Massenmigration oder Bevölkerungsexplosion als Mittel, die Welt zu Gunsten der Menschen in der Dritten Welt zu verbessern. Viele Menschen nehmen aber Dinge in Kauf, welche diese begünstigen. So wie du die mit deiner antimilitärischen Haltung unmittelbare Kriegsopfer verhindern möchtest und dabei in Kauf nimmst, dass der kriegerischen Expansion Russlands kein Einhalt geboten wird, was in der Folge
Migrationsgründe schafft, will halt jemand wie Rackete unmittelbare Seenotopfer verhindern und nimmt halt in Kauf, dass dem Schlepperwesen kein Einhalt geboten wird, was in der Folge
Migrationswege vereinfacht.
Die einzigen Argumente für eine positive Migrationsbilanz, sind Wirtschaftswachstum und die damit verknüpfte Aufrechterhaltung des Rentensystems. Beides gilt es mMn zu überdenken. Das grenzenlose Wirtschaftswachstum wird zusehends stärker mit der Realität von endlichen Ressourcen konfrontiert und das Rentensystem ist aus der Zeit gefallen, da es im Grossen und Ganzen auf Projektionen basiert, die noch von stetigem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ausgingen.
Klar braucht es hin und wieder Interventionen, um Symptome einzudämmen. Aber ich bin weiterhin der Ansicht, dass man Probleme ursächlich angehen muss, wenn man sie lösen will. Dazu gehört auch, dass man diese Dinge offen und klar ausspricht. «Wirtschaftsdiktatur» ist ziemlich vage und ich bin mir sicher, dass sich nicht jeder die Mühe gibt verstehen zu wollen, was du damit eventuell meinen könntest. Ich habe es versucht so zu verstehen, dass ich es als Argument aufnehmen kann. Bin mir aber überhaupt nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe, da du diesen Punkt nicht weiter erläuterst.