ein leicht sarkastischer artikel zu der sprachlichen entwicklung in der Axpo Super League, in welchem sich auch ein abschnitt über die äusserungen von MED am mittwoch wieder findet bzw. zum geisterspiel gegen den fc thun am letzten sonntag.
16. August 2005, Neue Zürcher Zeitung
Ein Mann, ein Wort
Michael Hunziker, der Präsident des FC Aarau, kennt die Gesetzmässigkeiten des Geschäfts. Er weiss, dass mediale Präsenz noch mehr wert ist als eine 2:0-Führung. Das Brügglifeld hat mit Hollywood zwar ähnlich viel gemeinsam wie der Flugplatz Birrfeld mit Cape Canaveral, doch ein wenig Trivial-Unterhaltung kann auch in der Provinz nicht schaden. Vor zwölf Monaten bekam das Martin Rueda zu spüren. Der musste seinen Trainerposten nach vier Runden und einem 4:0 gegen Servette räumen. In jeder anderen Branche wäre die Gewerkschaft eingeschritten.
Andy Egli, Ruedas Nachfolger, kann sich über mangelnde Geduld seines Vorgesetzten nicht beschweren: 23 Tage nachdem Hunziker seinem Übungsleiter das Messer an die Kehle gesetzt und eine unmissverständliche Forderung gestellt hatte («sechs Punkte in den nächsten drei Spielen»), drückte er nach dem glanzvollen 1:1 gegen den zuvor punktlosen Aufsteiger Yverdon beide Augen zu und nahm dem präsidialen Ultimatum das Ultimative. Statt in die Wüste schickt er Egli am nächsten Samstag in den St.-Jakob-Park. «In Zukunft werden wir darauf verzichten, mit einem Ultimatum zu operieren», sagte Anwalt Hunziker zu seinen kurz- und mittelfristigen Operationsplänen - und hielt dabei den Dienstweg ein: Zuerst informierte er die Journalisten und dann den Trainer auf dem Schleudersitz. Trotzdem könnte Hunziker mit seiner Selbsthilfegruppe in zwei Wochen wieder am gleichen Ort stehen. Basel und die Grasshoppers scheinen als Aufbau-Gegner eine suboptimale Wahl zu sein. Interessierte Trainer richten ihre Bewerbung (mit Lebenslauf und Foto) an:
michael.hunziker@5001.ch
Mit ihren Kommunikationsschwierigkeiten stehen die Aarauer allerdings nicht alleine da. Auch in den meisterlichen Gefilden sind Misstöne momentan hörbar. Seit die FCB-Argentinier schärfer auf den eigenen Trainer als ins gegnerische Tor schiessen, ist es um die Eintracht am Rheinknie geschehen. Immerhin leisten die Basler so einen Beitrag zur Verbesserung des Schweizer Ergebnisses in der nächsten Pisa-Studie. Weil nämlich Matias Delgado während des Champions-League-Qualifikationsspiels gegen Bremen seinen Vorgesetzten vor laufender Fernsehkamera beleidigte, können viele Fussballfans nun auch auf Spanisch mitsprechen: «El hijo de puta» sagte Delgado zum Vorgesetzten im Moment seiner Auswechslung. - Was an anderen Orten ein Entlassungsgrund wäre, ist im Fussball offenbar Umgangssprache. Gegen Thun stand Delgado wieder in der Anfangsformation.
Mit seinem Frontalangriff gegen die eigenen Reihen bestätigte Delgado unfreiwillig eine längst bekannte These: Sport fördert den Bildungsstand. Wer nämlich Fremdsprachen lernen will, muss weder in die Migros-Klubschule noch eine Studienreise unternehmen. Ein Sonntagmorgen auf einem Fussballplatz ist günstiger und effizienter. In Zürich gibt es dabei eine Faustregel: Je näher die Schrebergärten, desto grösser der Lerneffekt. Heerenschürli, Hardhof, Juchhof 1 und Juchhof 3. Dort findet die Champions League Woche für Woche statt. Interclub Zurigo, Megas Alexandros, Lautaro Chile, African Football-Club, Olympia Marocaine, FC Mezopotamya, Centro Lusitano Zürich, Galatasaray Zürich, Fenerbahce Zürich, FCJ Barcelona, Avellino Zurigo, Italo Stauffacher, SK Jugoslavija, Republika Srpska, FC Croatia, Verona Club Zurigo - selbst die Österreicher kicken mit. Der FC Austria-Zürich tut es in der Gruppe 5 der 5. Liga.
Sprachlich am meisten profitieren die Schiedsrichter von der fussballerischen Vielfalt. Die Zeiten, in denen sie von erbosten Zuschauern «ans Telefon» gerufen oder mit Spitzfindigkeiten aus der Gemüsebranche eingedeckt wurden («Du hast Tomaten auf den Augen») gehören ins Reich der romantischen Erinnerungen. Die Personenfreizügigkeit beschleunigt auch die verbale Globalisierung auf dem Fussballplatz. Eduardo, der renitente Stürmer der Grasshoppers, musste zur Kenntnis nehmen, dass die Unparteiischen nicht schlafen. Auf dem Weg in die Niederlage gegen den FCZ liess er seinem Ärger auf Portugiesisch freien Lauf - in Hörweite des sprachgewandten Linienrichters. Eduardo kassierte drei Spielsperren. «Ein Mann, ein Wort»; im Schweizer Fussball gilt das in allen Sprachen und Regionen - nur in Aarau nicht.
Thomas Renggli