Drei Torhüter im Mittelpunkt
RAZZETTIS VERLETZUNG BRINGT DEN FCB GEGEN ST. GALLEN IN DIE SPUR - KOMMT EIN NEUER GOALIE?

Führungstor. Die Basler Spieler freuen sich mit Torschütze Daniel Majstorovic über das 1:0. Foto Stefan Holenstein
CHRISTOPH KIESLICH
Drei Punkte gegen St. Gallen und ein Torhüterdrama - das war der Abend im St.-Jakob-Park beim 3:1-Erfolg des FC Basel. Der knüpft offenbar immer engere Verbindungen zum argentinischen Nationalgoalie Roberto Abbondanzieri (siehe Beitrag auf Seite 33).
Die Jahreszeit beginnt, in der man mit Lust und Freude und ohne Kniestrümpfe und wattierte Jacke Richtung Stadion pilgert, aber die Saison neigt sich dem Ende entgegen. Sechs Spiele sind noch offen, um den Schweizer Meister zu finden, und im Rennen mit dem FC Zürich liess der FCB gestern nichts anbrennen.
Auch wenn der Auftritt gegen St. Gallen kein Glanzstück war, so bestand doch in keiner Phase Zweifel daran, wer die bessere Mannschaft war, oder, wie es Rolf Fringer ausdrückte, die «physisch präsentere».
kaum offensivkraft. Der Vorsatz, «ganz frech aufzutreten und dem Gegner auf die Füsse zu stehen», wie es der erst vor Wochenfrist neu im Traineramt installierte Fringer hernach schilderte, blieb bei den Ostschweizern im Ansatz stecken. Jürgen Gjasula schoss in den ersten 20 Minuten viermal aus der Distanz - mehr Offensivkraft entwickelte der Gast nicht.
Der FCB kam aus dem Schlamm von La Chaux-de-Fonds auf ein ziemlich holprigen Geläuf im St.-Jakob-Park und dort nicht richtig in Schwung. Er verfing sich immer wieder im engen Netz der St. Galler Defensive; sein Spiel wirkte nicht harmonisch, die Mannschaftsteile griffen nicht ineinander. Und es brauchte, als das Spiel des FCB längst Züge von schwerer Arbeit trug, einen Standard Delgados, ein stümperhaftes Abwehrverhalten der St. Galler und einen aufmerksamen Majstorovic, der seinen vierten Meisterschaftstreffer für den FCB zum 1:0 erzielte.
Beteiligt an diesem Führungstor war auch Scott Chipperfield, der in der zweiten Halbzeit - nachdem Majstorovics Schienbein von Goran Ljubojevic zum 1:1 (55.) missbraucht worden war - zum matchentscheidenden Spieler werden sollte.
Nur zwei Minuten nach dem Ausgleich setzte der Australier mit hohem Tempo einem Ball nach, den Stefano Razzetti unter sich begrub. Chipperfield sprang über den St. Galler Goalie, traf ihn mit seinem Stiefel aber so unglücklich, dass dieser mit einer Platzwunde am Ohr sofort ausgewechselt werden musste.
Für den 34-jährigen Razzetti kam der zehn Jahre jüngere Gabriel Wüthrich. Und der Ersatzkeeper wurde in seinem sechsten Super-League-Spiel anschliessend zur tragischen Figur: Keine zwei Minuten im Spiel, kassierte er das 2:1: Ein wuchtiger Distanzschuss Delgados zwar und obendrein leicht abgefälscht von Jiri Koubsky, aber dennoch nicht gänzlich unhaltbar erscheinend - zumindest nicht für einen Torhüter, der auf Betriebstemperatur ist.
Wüthrich wollte das auch gar nicht erst als Ausrede anführen: «Ich war parat und konzentriert», sagte er nach dem Spiel. Wieder nur zwei Minuten im Anschluss an das 2:1 erwischte ihn Petric, diesmal aus kurzer Distanz, mit der Hacke in der kurzen Ecke. «Entscheidend war», kommentierte Rolf Fringer lapidar, «dass wir Razzetti verloren haben.» Während die Wunde des Italiener an der Ohrmuschel noch in Basel im Kantonsspital genäht werden musste, glich sein Peiniger selbst einem Häufchen Elend: «Es ist das erste Mal, dass mir so etwas in meiner Karriere passiert ist», sagte Scott Chipperfield, «so etwas ist hart - für beide Teams.» Der Australier will schon heute telefonisch Kontakt mit Razzetti aufnehmen - und der wird den Hörer vorsichtig bewegen.
Dass Chipperfield sich die Assists für die Treffer zwei und drei gut schreiben lassen kann, ist die doppelte Ironie der unglücklichen Szene. An dem Abend, als der FC Basel sich so gerne anstelle des FC Middlesbrough in Bukarest im Uefa-Cup-Halbfinal gesehen hätte, konnte er sich zugute halten, im zuweilen zähen Super-League-Alltag seine Tore zum richtigen Zeitpunkt erzielte zu haben. Damit steht die Heimserie bei 58 Spielen ohne Niederlage und der Abstand zum FC Zürich bleibt bei acht Punkten. Stefano Razzetti erhielt von FCB-Trainer Christian Gross herzliche Genesungswünsche - denn am Sonntag gastiert der Verfolger des FCB in St. Gallen.