Basels Dialekt und sein Problem
Jürg lehmann
Radio DRS 3 hatte eine tolle Idee:In einem «Sommerspecial» ging es den Schweizer Dialekten auf den Grund. So wie wir reden, so sind wir. Der Sender machte dazu auch eine Internet-Umfrage: Welcher Kanton spricht den schönsten Dialekt? Knapp 9000 Rückmeldungen gingen ein. Das Resultat: Baseldeutsch belegt den ersten Platz mit knapp 22 Prozent vor dem Walliser Dialekt mit 20 Prozent; auf dem dritten Rang Berndeutsch mit 19 Prozent.
Als gebürtiger Berner imExil bin ich schon verwundert über das Ergebnis. Dass Baseldytsch am beliebtesten sein soll, habe ich noch nie gehört. Das Berndeutsche schon. Doch ich will nicht rätseln. Ich gönne den Baslern diesen Beliebtheitssieg. Er tut ihrer empfindlichen Seele gut. Es ist ja erstaunlich, wie sich Lokalpatrioten immer wieder bestätigen müssen, dass sie in der besten aller Städte leben. Wird eine In-Beiz oder eine besondere Location beschrieben, sind sofort heimische Promis oder ausländische Besucher zur Hand, die uns beeindruckt mitteilen, dass es Vergleichbares weder in New York und schon gar nicht in Paris gebe. Bei allem Respekt: Wie weit gereist sind eigentlich Basler, die solche Märchen verbreiten müssen?
Lädt der sechsfache Oscar-Preisträger Arthur Cohn zu seiner Film-Gala auf dem Münsterplatz ein, geht «Telebasel» live auf Sendung und kann vor lauter Begeis-terung über die anwesende Halb- und Ganzprominenz fast nicht mehr an sich halten. Die Moderatorinnen sammeln mit ihren Mikrofonen Lobgesänge über den grandiosen und einzigartigen Event ein, dass einem davon schwindlig wird.
Der Alltag ist banaler. Ich stehe in der Confiserie Bachmann. Eine Frau bestellt:«I hät gärn ä Birchermiesli.» Ich bin als Nächster dran, will dasselbe:«Ig hät gärn e Birchermüesli.» Hier behäbiges Bärndütsch, dort spitzes Baseldytsch, das im Schnitzelbank seine vollendete Spottform erreicht. Wer nicht mit dem Dialekt vertraut ist, erlebt ihn mitunter als arrogant. Das wissen Basler auch. Müssen sie sich darum ständig ihrer selbst vergewissern, um so Frustrationen gegenüber der «Restschweiz» überspielen zu können?
Die DRS-Umfrage zeigt, dass sie dazu keinen Anlass hätten - auch gerade gegen- über Zürich nicht, dessen Dialekt in der Beliebtheitsskala gaaaaanz weit hinten rangiert. Ganz zu schweigen vom Aargauer und Solothurner Dialekt.Und was ist mit dem Baselbiet? Oh je: Nur magere 2,2 Prozent setzen seinen Dialekt auf den ersten Platz - mit Blick auf eine Wiedervereinigung eine schwere Hypothek, denn:Welchen Dialekt spräche man im Kanton Basel? Beide.Oder doch nicht?
juerg.lehmann@baz.ch