«Es wird nicht viele Tore geben»
FCB-TRAINER CHRISTIAN GROSS NACH DEM GELUNGENEN SAISONSTART MIT DEM 1:1 GEGEN YB

Dreikampf mit Bremsspur. Carlos Varela wird von Reto Zanni sowie Ivan Ergic verfolgt - und das Granulat spritzt aus dem Kunstrasen. Foto Keystone
MARCEL ROHR, Bern
Mehr zu reden als das Remis zum Auftakt gab die grüne Unterlage. Erstmals in der Geschichte des Schweizer Fussballs fand im Stade de Suisse in Bern ein Meisterschaftsspiel auf Kunstrasen statt. Eine erste Bilanz fällt negativ aus.
«Drüü, zwöi, eis u2026» Da war er wieder, der grosse Moment am Ende der 74. Minute im Fanblock der Berner. Wenn Tausende von Kehlen die Sekunden zählen, dann wissen auch Nicht-Berner, was jetzt beginnt: die YB-Viertelstunde. Der letzte Sechstel des Spiels soll nur den Gelb-Schwarzen gehören, der Gegner in die Knie gezwungen werden. «Drüü, zwöi, eis u2026» Diesmal passierte nichts. Kein Aufbäumen der Gelb-Schwarzen, kein Exploit. Die einzige Chance in der zweiten Hälfte für die Gastgeber, ein Pfostenschuss von Mario Raimondi, war bereits vorüber.
Und da die allerbesten Momente des FC Basel in jenen Minuten auch schon Geschichte waren, blieb es beim Patt, bei diesem Remis, mit dem die Gäste um einiges besser leben konnten als YB.
«Es war unser viertes Spiel in sechs Tagen», sagte später YB-Trainer Gernot Rohr, erste kritische Fragen abwehrend, «und dies bei diesen Temperaturen. Da muss man mit einem Punkt auch mal zufrieden sein.»
Rohrs Spielmacher sah das differenzierter. «Basel hat das Maximum rausgeholt, wir haben nicht überzeugt», meinte Hakan Yakin. Der Ex-FCB-Regisseur war leicht angefressen, auch wegen der Tatsache, dass ihn Rohr bereits in der 66. Minute ausgewechselt hatte. Kein Vergleich zum strahlenden Hakan Yakin vom 10. Mai - damals hatten die Berner die Rotblauen mit 4:2 geschlagen und Yakin hatte ein wunderbares Freistosstor erzielt. Der FCB zog geschlagen von dannen.
GROSS ZUFRIEDEN. Nochmals wollte Trainer Christian Gross mit den seinen gestern nicht derart ins offene Messer laufen. In einem 4-1-4-1-System schickte er seine Profis auf den Platz. Und war hinterher dementsprechend zufrieden: «Ein geglückter Auftakt für uns. Alles, war wir vor der Pause falsch machten, haben wir im zweiten Abschnitt richtig gemacht.»
Hochstimmung kam aber auch bei Gross nicht auf. Denn die erste Frage nach dem 1:1 drehte sich, wen wunderts, um den Kunstrasen. «Das Spiel auf dieser künstlichen Unterlage», hielt der Zürcher fest, «ist nicht gleich wie eines auf Naturrasen. Die Spieler gehen anders in die Zweikämpfe.»
Eine Erkenntniss, die auch Scott Chipperfield teilte. «Der Ball bekommt unglaublich Tempo, aber man muss vorsichtig in den Duellen sein», sagte der ausgepumpte Australier, «und für den Körper ist Kunstrasen eine enorme Belastung. Ich könnte unmöglich 30 Spiele in einer Saison darauf spielen. Das halten Bänder, Sehnen und Knochen nicht aus.»
Gross denkt, dass jene Mannschaft einen entscheidenden Vorteil hat, die das erste Tor erzielt. Gestern war dies YB - doch Basel hatte das Glück, dass Captain Ivan Ergic Sekunden vor der Pause noch ausgleichen konnte. Und es war später nicht nur der grossen Hitze zuzuschreiben, dass beide Teams - selbst in der traditionellen YB-Viertelstunde - nicht mehr zulegen konnten. Gross: «Ich bleibe dabei: Ich bin kein Freund dieser Unterlage. Es wird nicht viele Tore geben auf Kunstrasen.»
wie hallenfussball. Aus neutraler Optik bleibt festzuhalten: Ein Spiel auf Kunstrasen ist speziell. Es erinnert an Hallenfussball, nur das Dach fehlt. Der entscheidende Punkt: Die Spieler steigen auf den künstlichen Halmen gehemmt in die Zweikämpfe, was dem Fussball seine animalische Basis raubt - das harte Duell Mann gegen Mann. Das keimfreie, schnelle Passspiel mag zwischendurch nett anzusehen sein, doch richtig Spass kommt nicht auf.
Auch Murat Yakin war enttäuscht. Nicht in erster Linie wegen des Kunstrasens, «der fördert sogar ein gutes, schnelles Passspiel und minimiert die Stockfehler». Nein, der neue Trainer des FC Concordia war von beiden Teams enttäuscht, «weil sie das Risiko nicht suchten und zu sehr auf Abwarten spielten».
fcb sucht konturen. Das mag stimmen, doch übel nehmen darf dies vor allem dem FC Basel niemand. Dieses Team sucht noch seine Konturen, es sucht auch seine Sicherheit seit dem schwarzen 13. Mai. Noch vor einem halben Jahr wäre es undenkbar gewesen, dass Ivan Rakitic und Zdravko Kuzmanovic, die beiden 18-Jährigen Frechdachse, gemeinsam im zentralen Mittelfeld auflaufen. Gestern taten sie es, als wären sie seit Jahren Seite an Seite. Kuzmanovic ist als «Nummer 6» vor der Abwehr mehr als nur ein Versprechen für die Zukunft. Und Rakitic schlägt jetzt schon die besseren Eckbälle als manch gestandener Super-League-Profi.
Natürlich erwarten die Supporter noch mehr von diesem FC Basel, mehr Power im Angriff, wo Eduardo immer noch zu viel missglückt, mehr Raffinesse, mehr Tempo. Doch ein zweiter Schritt ist mit diesem 1:1 von Bern gemacht, so, wie er bereits letzte Woche im Uefa-Cup mit dem 3:1 gegen Tobol Kostanay erfolgt war.