Aus dem güller Tagblatt:
edit: interview siehe unten, merci an nogomet für die formatierung!
Interview mit G.A. Pilz über die Hooliganproblematik
Drei Massnahmen werden im neuen Hooligan-Gesetz geprüft: die Meldepflicht, Rayonverbote und Ausreisesperren. Reichen diese aus, um Ausschreitungen zu verhindern?
Pilz: Natürlich können sie das. Die Meldepflicht, an welche sich die Hooligans während der WM halten mussten, hat verhindert, dass sie gleichzeitig beim Spiel sein konnten, weil sie sich alle zwei Stunden bei der Polizei melden mussten. Die Ausreisesperren verhindern, dass Hooligans im Ausland straffällig werden können. Mit Stadionverboten bin ich nur teilweise glücklich. Man muss schauen, wofür sie ausgesprochen werden. Die Verbote treffen auch immer wieder Fans, die es nicht verdient hätten. Zudem üben Hooligans ihre Gewalt meist ausserhalb des Stadions aus.
Und hier werden die Kritiker laut. Sie behaupten, das Hooligan- Gesetz beschneide die Bürgerrechte, weil jeder Fan, der sich daneben benehme, kurzfristig festgenommen werden könne.
Pilz: Ob das so ist, müssen die Schweizer Staats- und Verfassungsrechtler beurteilen. Man muss aber auch sehen, dass Leute, die gegen das Gesetz verstossen, ebenfalls die Rechte derjenigen beschneiden, die sich korrekt verhalten. Insofern muss man sich darüber im Klaren sein, welches Gut höher zu gewichten ist. Aber es ist schon so, dass dieser Punkt sehr heikel ist und sorgfältig geprüft werden muss.
Interview: Daniel Rehfeld
Pilz: Natürlich können sie das. Die Meldepflicht, an welche sich die Hooligans während der WM halten mussten, hat verhindert, dass sie gleichzeitig beim Spiel sein konnten, weil sie sich alle zwei Stunden bei der Polizei melden mussten. Die Ausreisesperren verhindern, dass Hooligans im Ausland straffällig werden können. Mit Stadionverboten bin ich nur teilweise glücklich. Man muss schauen, wofür sie ausgesprochen werden. Die Verbote treffen auch immer wieder Fans, die es nicht verdient hätten. Zudem üben Hooligans ihre Gewalt meist ausserhalb des Stadions aus.
Und hier werden die Kritiker laut. Sie behaupten, das Hooligan- Gesetz beschneide die Bürgerrechte, weil jeder Fan, der sich daneben benehme, kurzfristig festgenommen werden könne.
Pilz: Ob das so ist, müssen die Schweizer Staats- und Verfassungsrechtler beurteilen. Man muss aber auch sehen, dass Leute, die gegen das Gesetz verstossen, ebenfalls die Rechte derjenigen beschneiden, die sich korrekt verhalten. Insofern muss man sich darüber im Klaren sein, welches Gut höher zu gewichten ist. Aber es ist schon so, dass dieser Punkt sehr heikel ist und sorgfältig geprüft werden muss.
Interview: Daniel Rehfeld
ich erlaube mir, das interview etwas leserfreundlicher darzustellen ...
«Einige Länder haben Nachholbedarf»
Gewaltsame Übergriffe in und um Fussballstadien haben zuletzt auch in unserem Land zugenommen. Gunter A. Pilz, einer der renommiertesten Konflikt- und Gewaltforscher Deutschlands, spricht über die Fankultur, immer brutaler werdende Anhänger und über das Hooligan-Gesetz, das die Schweiz im neuen Jahr erhält.
Herr Pilz, wie waren Sie mit der Organisation der Fussball-WM in Deutschland zufrieden?
Gunter A. Pilz: Wir können eigentlich nur zufrieden sein. Denn es ist so gut wie nichts passiert. All die negativen Erwartungen, die man vor der Endrunde hatte, trafen nicht ein. Zudem haben sich die Hoffnungen in unsere Konzepte erfüllt. Das heisst: Wenn man die Anhänger entsprechend empfängt und ihnen das Gefühl gibt, dass sie als Gäste und nicht als potenzielle Gewalttäter willkommen sind, und sie auch entsprechend behandelt, dann ergibt sich eine Stimmung, die fröhlich und freundlich ist. Dann fällt es auch den hart gesottenen Hooligans schwer, gewalttätig zu sein.
Welche Vorsätze hatten Sie sich vor der Fussball-WM gefasst?
Pilz: Es gab drei verschiedene Konzepte. Eines war für diejenigen, von denen man wusste, dass sie die WM eventuell für Gewalttaten nutzen könnten. Diesen wurde vor der Endrunde sehr deutlich signalisiert, dass man sie kennt, beobachtet und beim ersten Schritt in die falsche Richtung aus dem Verkehr zieht. Das zweite Konzept betraf die Fanbetreuungsprogramme in den Städten. Die Grossleinwände und Fanfeste haben viel zu einer entspannten und fröhlichen Atmosphäre beigetragen. Ein wichtiger Schritt war auch das Auftreten der Polizei. Die geschulten Konfliktbeamten versuchten Meinungsverschiedenheiten mit Gesprächen zu lösen und forderten erst Verstärkung an, wenn die Situation zu eskalieren drohte.
Wie definieren Sie eigentlich den Begriff «Fan»?
Pilz: Ein Fan ist einer, der sich in hohem Masse mit dem Sport und der Mannschaft identifiziert. Egal, ob jung oder alt, links oder rechts, Banker oder Arbeitsloser. Die Anhänger unterscheiden sich nur in der Bindung zu den jeweiligen Vereinen. Der eine will das Spiel geniessen, der andere will seine Mannschaft gewinnen sehen.
Sie haben sich intensiv mit der Fankultur befasst. Gibt es gewisse Merkmale und Charaktereigenschaften, die ein typischer Fan aufweist?
Pilz: Ich möchte da differenzieren und in drei Fangruppen unterteilen: der konsumorientierte, der fussballzentrierte und der erlebnisorientierte Anhänger. Die konsumorientierten Fans gehen ins Stadion, weil sie ein gutes Spiel sehen wollen. Sie bezahlen ein teures Ticket und wollen auch entsprechend unterhalten werden. Diese Supporter trifft man vor allem in der VIP-Lounge. Die fussballzentrierten Fans identifizieren sich sowohl mit dem Sport als auch mit der Mannschaft. Für diese ist der Erfolg des Teams auch der persönliche Erfolg – leider gilt das auch für den Misserfolg. Deshalb ist es für einen solchen Fan schwierig, Niederlagen zu ertragen. Die erlebnisorientierten Fans möchten aus dem Spiel selbst einen Event machen. Das sind auf der einen Seite die Ultras, die mit Choreografien und Pyrotechnik im Stadion für die Stimmung und die Atmosphäre verantwortlich sind. Und auf der anderen Seite sind es die Hooligans, die den Fussball als Umfeld sehen, in welchem sie ihre gewaltbereiten Neigungen ausleben können.
Bleiben wir bei den erlebnisorientierten Anhängern. Was geht im Kopf eines Ultras oder Hooligans während des Spiels ab?
Pilz: Wenn wir von Hooligans sprechen, müssen wir zwei Motive beachten. Die einen sind junge Menschen, die auf der Verliererstrasse der Gesellschaft stehen, ein niedriges Bildungsniveau haben, von der Arbeitslosigkeit bedroht sind und die praktisch kein positives Selbstwertgefühl haben. Sie bekommen ihren Erfolg einzig darin, dass sie jemanden zusammenschlagen. Die zweite Gruppe sind nicht die Modernisierungs-verlierer, sondern Leute mit einer guten Bildung. Sie haben zwar ein gutes Selbstwertgefühl, aber zu wenig Räume, ihre Emotionen in der Gesellschaft auszuleben. Ein Hooligan drückt es so aus: «Es ist ein geiles Gefühl, durch die Strassen zu rennen und die anderen zu jagen oder Steine zu werfen. Das schaffst du mit keiner Droge.» An diesem Beispiel wird deutlich, dass Hooligans eine ganz andere Motivstruktur haben.
Stimmt es, dass die erlebnisorientierten Fans immer brutaler werden?
Pilz: Das trifft eher auf die Modernisierungsverlierer zu. Die anderen Hooligans gehen einer geregelten Beschäftigung nach und möchten am Montag nicht durch ein blaues Auge auffallen. Es gibt auch unter den Ultras immer mehr gewaltbereite Leute, die ihre Aktion damit begründen, dass sie immer stärkeren Repressionen unterliegen. Und so produziert Gewalt Gegengewalt.
Warum sucht sich ein Hooligan ausgerechnet Sportveranstaltungen aus, um seinen Emotionen freien Lauf zu lassen? Er könnte sich ja auch bei anderen Gelegenheiten mit Gleichgesinnten prügeln.
Pilz: Es geschieht auch ab und zu, dass sich Hooligans zum Prügeln verabreden, weil sie wissen, dass die Polizei an den Spielen präsent ist. Der Hooliganismus im Fussball hat allerdings Tradition. Entstanden ist er, weil sich die Spieler immer mehr von den Anhängern distanziert haben. Mit der Mutation vom Spieler zum Star, den selbst ein guter Vertrag nicht an die Stadt bindet, ist auch eine Distanz der Fans zum Klub entstanden. Und deshalb haben sich die Fans nicht mehr dort getroffen, wo ihr Verein spielt, sondern dort, wo die beste Action abgeht. Die Tatsache, dass sich der Verein immer weniger um die Fans gekümmert hat, produzierte den Hooligan.
Dies würde aber auch bedeuten, dass sich keine Hooligans mehr produzieren würden, wenn sich die Klubs mehr um ihre Anhänger kümmern würden.
Pilz: Richtig. Und das versuchen auch Fanprojekte, die bereits Wirkung zeigen. So können wir heute feststellen, dass der Hooliganismus ein Auslaufmodell ist. Es gibt einige Länder, die Nachholbedarf haben, darunter vermutlich auch die Schweiz und auf jeden Fall die Ostblockstaaten. In den traditionellen Hooligan-Ländern England, Holland und Deutschland ist die Zeit der Hooligans vorbei.
Im vergangenen Frühling kam es in Basel, als der FC Zürich in den letzten Sekunden des Spiels das entscheidende Tor zum Meistertitel schoss, zu Ausschreitungen auf dem Feld. Waren diese eine Reaktion auf das aktuelle Geschehen oder hätten die Hooligans sowieso gewalttätig reagiert?
Pilz: Ich weiss nicht, ob das Hooligans oder Ultras waren. Aber natürlich war dieses Tor der Super-Gau im Sinne der Emotionalität – wenn man die traditionelle Feindschaft zwischen Basel und Zürich kennt.
Sie sprechen vom emotionalen Super-Gau. Emotionen können je nachdem vom Positiven ins Negative kippen.
Pilz: Auslöser für Emotionen sind einerseits, wenn einen das Geschehen auf dem Platz mitreisst, oder andererseits, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Es gibt drei Parteien, die das Geschehen steuern können: der Trainer, der Schiedsrichter und die Spieler. Die können durch ihre Gebärden positive oder negative Signale ans Publikum senden.
«Einige Länder haben Nachholbedarf»
Gewaltsame Übergriffe in und um Fussballstadien haben zuletzt auch in unserem Land zugenommen. Gunter A. Pilz, einer der renommiertesten Konflikt- und Gewaltforscher Deutschlands, spricht über die Fankultur, immer brutaler werdende Anhänger und über das Hooligan-Gesetz, das die Schweiz im neuen Jahr erhält.
Herr Pilz, wie waren Sie mit der Organisation der Fussball-WM in Deutschland zufrieden?
Gunter A. Pilz: Wir können eigentlich nur zufrieden sein. Denn es ist so gut wie nichts passiert. All die negativen Erwartungen, die man vor der Endrunde hatte, trafen nicht ein. Zudem haben sich die Hoffnungen in unsere Konzepte erfüllt. Das heisst: Wenn man die Anhänger entsprechend empfängt und ihnen das Gefühl gibt, dass sie als Gäste und nicht als potenzielle Gewalttäter willkommen sind, und sie auch entsprechend behandelt, dann ergibt sich eine Stimmung, die fröhlich und freundlich ist. Dann fällt es auch den hart gesottenen Hooligans schwer, gewalttätig zu sein.
Welche Vorsätze hatten Sie sich vor der Fussball-WM gefasst?
Pilz: Es gab drei verschiedene Konzepte. Eines war für diejenigen, von denen man wusste, dass sie die WM eventuell für Gewalttaten nutzen könnten. Diesen wurde vor der Endrunde sehr deutlich signalisiert, dass man sie kennt, beobachtet und beim ersten Schritt in die falsche Richtung aus dem Verkehr zieht. Das zweite Konzept betraf die Fanbetreuungsprogramme in den Städten. Die Grossleinwände und Fanfeste haben viel zu einer entspannten und fröhlichen Atmosphäre beigetragen. Ein wichtiger Schritt war auch das Auftreten der Polizei. Die geschulten Konfliktbeamten versuchten Meinungsverschiedenheiten mit Gesprächen zu lösen und forderten erst Verstärkung an, wenn die Situation zu eskalieren drohte.
Wie definieren Sie eigentlich den Begriff «Fan»?
Pilz: Ein Fan ist einer, der sich in hohem Masse mit dem Sport und der Mannschaft identifiziert. Egal, ob jung oder alt, links oder rechts, Banker oder Arbeitsloser. Die Anhänger unterscheiden sich nur in der Bindung zu den jeweiligen Vereinen. Der eine will das Spiel geniessen, der andere will seine Mannschaft gewinnen sehen.
Sie haben sich intensiv mit der Fankultur befasst. Gibt es gewisse Merkmale und Charaktereigenschaften, die ein typischer Fan aufweist?
Pilz: Ich möchte da differenzieren und in drei Fangruppen unterteilen: der konsumorientierte, der fussballzentrierte und der erlebnisorientierte Anhänger. Die konsumorientierten Fans gehen ins Stadion, weil sie ein gutes Spiel sehen wollen. Sie bezahlen ein teures Ticket und wollen auch entsprechend unterhalten werden. Diese Supporter trifft man vor allem in der VIP-Lounge. Die fussballzentrierten Fans identifizieren sich sowohl mit dem Sport als auch mit der Mannschaft. Für diese ist der Erfolg des Teams auch der persönliche Erfolg – leider gilt das auch für den Misserfolg. Deshalb ist es für einen solchen Fan schwierig, Niederlagen zu ertragen. Die erlebnisorientierten Fans möchten aus dem Spiel selbst einen Event machen. Das sind auf der einen Seite die Ultras, die mit Choreografien und Pyrotechnik im Stadion für die Stimmung und die Atmosphäre verantwortlich sind. Und auf der anderen Seite sind es die Hooligans, die den Fussball als Umfeld sehen, in welchem sie ihre gewaltbereiten Neigungen ausleben können.
Bleiben wir bei den erlebnisorientierten Anhängern. Was geht im Kopf eines Ultras oder Hooligans während des Spiels ab?
Pilz: Wenn wir von Hooligans sprechen, müssen wir zwei Motive beachten. Die einen sind junge Menschen, die auf der Verliererstrasse der Gesellschaft stehen, ein niedriges Bildungsniveau haben, von der Arbeitslosigkeit bedroht sind und die praktisch kein positives Selbstwertgefühl haben. Sie bekommen ihren Erfolg einzig darin, dass sie jemanden zusammenschlagen. Die zweite Gruppe sind nicht die Modernisierungs-verlierer, sondern Leute mit einer guten Bildung. Sie haben zwar ein gutes Selbstwertgefühl, aber zu wenig Räume, ihre Emotionen in der Gesellschaft auszuleben. Ein Hooligan drückt es so aus: «Es ist ein geiles Gefühl, durch die Strassen zu rennen und die anderen zu jagen oder Steine zu werfen. Das schaffst du mit keiner Droge.» An diesem Beispiel wird deutlich, dass Hooligans eine ganz andere Motivstruktur haben.
Stimmt es, dass die erlebnisorientierten Fans immer brutaler werden?
Pilz: Das trifft eher auf die Modernisierungsverlierer zu. Die anderen Hooligans gehen einer geregelten Beschäftigung nach und möchten am Montag nicht durch ein blaues Auge auffallen. Es gibt auch unter den Ultras immer mehr gewaltbereite Leute, die ihre Aktion damit begründen, dass sie immer stärkeren Repressionen unterliegen. Und so produziert Gewalt Gegengewalt.
Warum sucht sich ein Hooligan ausgerechnet Sportveranstaltungen aus, um seinen Emotionen freien Lauf zu lassen? Er könnte sich ja auch bei anderen Gelegenheiten mit Gleichgesinnten prügeln.
Pilz: Es geschieht auch ab und zu, dass sich Hooligans zum Prügeln verabreden, weil sie wissen, dass die Polizei an den Spielen präsent ist. Der Hooliganismus im Fussball hat allerdings Tradition. Entstanden ist er, weil sich die Spieler immer mehr von den Anhängern distanziert haben. Mit der Mutation vom Spieler zum Star, den selbst ein guter Vertrag nicht an die Stadt bindet, ist auch eine Distanz der Fans zum Klub entstanden. Und deshalb haben sich die Fans nicht mehr dort getroffen, wo ihr Verein spielt, sondern dort, wo die beste Action abgeht. Die Tatsache, dass sich der Verein immer weniger um die Fans gekümmert hat, produzierte den Hooligan.
Dies würde aber auch bedeuten, dass sich keine Hooligans mehr produzieren würden, wenn sich die Klubs mehr um ihre Anhänger kümmern würden.
Pilz: Richtig. Und das versuchen auch Fanprojekte, die bereits Wirkung zeigen. So können wir heute feststellen, dass der Hooliganismus ein Auslaufmodell ist. Es gibt einige Länder, die Nachholbedarf haben, darunter vermutlich auch die Schweiz und auf jeden Fall die Ostblockstaaten. In den traditionellen Hooligan-Ländern England, Holland und Deutschland ist die Zeit der Hooligans vorbei.
Im vergangenen Frühling kam es in Basel, als der FC Zürich in den letzten Sekunden des Spiels das entscheidende Tor zum Meistertitel schoss, zu Ausschreitungen auf dem Feld. Waren diese eine Reaktion auf das aktuelle Geschehen oder hätten die Hooligans sowieso gewalttätig reagiert?
Pilz: Ich weiss nicht, ob das Hooligans oder Ultras waren. Aber natürlich war dieses Tor der Super-Gau im Sinne der Emotionalität – wenn man die traditionelle Feindschaft zwischen Basel und Zürich kennt.
Sie sprechen vom emotionalen Super-Gau. Emotionen können je nachdem vom Positiven ins Negative kippen.
Pilz: Auslöser für Emotionen sind einerseits, wenn einen das Geschehen auf dem Platz mitreisst, oder andererseits, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Es gibt drei Parteien, die das Geschehen steuern können: der Trainer, der Schiedsrichter und die Spieler. Die können durch ihre Gebärden positive oder negative Signale ans Publikum senden.
Der Kapitalist ist nicht mehr der einsame Geizhals, der sich an den verbotenen Schatz klammert und ab und zu im stillen Kämmerlein hinter der fest verschlossenen Tür einen verstohlenen Blick darauf wirft, sondern ein Subjekt, welches das grundsätzliche Paradox akzeptiert, dass die einzige Art und Weise, den eigenen Schatz zu bewahren und zu vermehren, darun besteht, ihn auszugeben.
[RIGHT]Slavoj Zizek[/RIGHT]
[RIGHT]Slavoj Zizek[/RIGHT]
Wir haben bisher noch kaum über die Rolle der Polizei und der Sicherheitskräfte gesprochen. Im Dezember 2004 wurde ihr Vorgehen harsch kritisiert, als ein Extrazug mit Basler Fans vorsorglich überprüft wurde. Ein Jahr später wurde der Polizei vorgeworfen, sie habe nach dem Meisterschaftsfinal Basel u2013 Zürich zu wenig für die Sicherheit getan. Die Polizei scheint immer falsch zu reagieren.
Pilz: Das ist eine fatale Situation. Die Polizei kann es niemandem u2013 zumindest aus der Sicht der Betroffenen u2013 recht machen. Das Problem ist, dass in einem Sonderzug immer Fans aus allen Kategorien sitzen. Die grosse Masse ist friedlich. Aber es bleibt der Polizei nichts anderes übrig, als die ganze Gruppe zu filzen. Das trifft dann eben auch Unschuldige. Es gibt aber schon Lösungen. Wir haben an der WM zwei davon ausprobiert. Im Zug ist es wichtig, dass geschulte Zugbegleiter mitfahren. Polizisten, die bestimmt, aber fair kommunizieren und den Fans deutlich machen, dass der Zug gestoppt wird, wenn sie Unsinn anstellen. Die zweite Möglichkeit, die wir an der WM getestet haben und jetzt teilweise in der Bundesliga umsetzen, ist der Einsatz von ausgebildeten Konfliktbeamten in Zivil. Wenn irgendwo etwas passiert, gehen sie dorthin, sprechen mit den Leuten und versuchen sie auf die Konsequenzen hinzuweisen. Somit kann sich später niemand beschweren, er sei willkürlich verhaftet worden.
Deutschland ist bekannt für die rigorose Umsetzung seiner Hooligan-Gesetze. Die Schweiz wird ab 2007 ein neues Hooligan-Gesetz erhalten. Wichtiger Bestandteil ist die Datenerfassung von Hooligans. Finden Sie das legitim?
Pilz: Wir haben eine Verfassung, einen Datenschutzbeauftragten. Und die Tatsache, dass dieses Gesetz existiert und es diese Datei gibt, zeigt, dass es legal ist, sonst wäre sie verboten. Dass der Hooliganismus ein Auslaufmodell ist und der Umstand, dass bei dieser WM kaum ein Hooligan negativ aufgefallen ist, beweist, dass dieses System sehr wohl greift.
Aber wenn der Hooliganismus am Aussterben ist, weshalb braucht es dann neue Gesetze?
Pilz: In den Mutterländern ist der Hooliganismus am Aussterben. Inwieweit das auf die Schweiz zutrifft, bin ich mir nicht sicher. Ich beobachte, dass in der Schweiz gerade in den vergangenen Jahren dieses Problem akut geworden ist, während es in der Hausse des Hooliganismus relativ klein war. Kommt dazu, dass sich Ultras und Hooligans in der Schweiz immer mehr vermischen. Ich glaube, die Hooligan-Datei ist dann legitim, wenn man sie unter strengsten Kriterien anlegt und sie auch regelmässig aktualisiert. Sie ist ein wichtiges Instrument, um die Leute in Schach zu halten.
Drei Massnahmen werden im neuen Hooligan-Gesetz geprüft: die Meldepflicht, Rayonverbote und Ausreisesperren. Reichen diese aus, um Ausschreitungen zu verhindern?
Pilz: Natürlich können sie das. Die Meldepflicht, an welche sich die Hooligans während der WM halten mussten, hat verhindert, dass sie gleichzeitig beim Spiel sein konnten, weil sie sich alle zwei Stunden bei der Polizei melden mussten. Die Ausreisesperren verhindern, dass Hooligans im Ausland straffällig werden können. Mit Stadionverboten bin ich nur teilweise glücklich. Man muss schauen, wofür sie ausgesprochen werden. Die Verbote treffen auch immer wieder Fans, die es nicht verdient hätten. Zudem üben Hooligans ihre Gewalt meist ausserhalb des Stadions aus.
Und hier werden die Kritiker laut. Sie behaupten, das Hooligan- Gesetz beschneide die Bürgerrechte, weil jeder Fan, der sich daneben benehme, kurzfristig festgenommen werden könne.
Pilz: Ob das so ist, müssen die Schweizer Staats- und Verfassungsrechtler beurteilen. Man muss aber auch sehen, dass Leute, die gegen das Gesetz verstossen, ebenfalls die Rechte derjenigen beschneiden, die sich korrekt verhalten. Insofern muss man sich darüber im Klaren sein, welches Gut höher zu gewichten ist. Aber es ist schon so, dass dieser Punkt sehr heikel ist und sorgfältig geprüft werden muss.
Interview: Daniel Rehfeld
ein ähnliches (oder gar dasselbe?) interview ist auch in der neuen lz von heute zu finden
Pilz: Das ist eine fatale Situation. Die Polizei kann es niemandem u2013 zumindest aus der Sicht der Betroffenen u2013 recht machen. Das Problem ist, dass in einem Sonderzug immer Fans aus allen Kategorien sitzen. Die grosse Masse ist friedlich. Aber es bleibt der Polizei nichts anderes übrig, als die ganze Gruppe zu filzen. Das trifft dann eben auch Unschuldige. Es gibt aber schon Lösungen. Wir haben an der WM zwei davon ausprobiert. Im Zug ist es wichtig, dass geschulte Zugbegleiter mitfahren. Polizisten, die bestimmt, aber fair kommunizieren und den Fans deutlich machen, dass der Zug gestoppt wird, wenn sie Unsinn anstellen. Die zweite Möglichkeit, die wir an der WM getestet haben und jetzt teilweise in der Bundesliga umsetzen, ist der Einsatz von ausgebildeten Konfliktbeamten in Zivil. Wenn irgendwo etwas passiert, gehen sie dorthin, sprechen mit den Leuten und versuchen sie auf die Konsequenzen hinzuweisen. Somit kann sich später niemand beschweren, er sei willkürlich verhaftet worden.
Deutschland ist bekannt für die rigorose Umsetzung seiner Hooligan-Gesetze. Die Schweiz wird ab 2007 ein neues Hooligan-Gesetz erhalten. Wichtiger Bestandteil ist die Datenerfassung von Hooligans. Finden Sie das legitim?
Pilz: Wir haben eine Verfassung, einen Datenschutzbeauftragten. Und die Tatsache, dass dieses Gesetz existiert und es diese Datei gibt, zeigt, dass es legal ist, sonst wäre sie verboten. Dass der Hooliganismus ein Auslaufmodell ist und der Umstand, dass bei dieser WM kaum ein Hooligan negativ aufgefallen ist, beweist, dass dieses System sehr wohl greift.
Aber wenn der Hooliganismus am Aussterben ist, weshalb braucht es dann neue Gesetze?
Pilz: In den Mutterländern ist der Hooliganismus am Aussterben. Inwieweit das auf die Schweiz zutrifft, bin ich mir nicht sicher. Ich beobachte, dass in der Schweiz gerade in den vergangenen Jahren dieses Problem akut geworden ist, während es in der Hausse des Hooliganismus relativ klein war. Kommt dazu, dass sich Ultras und Hooligans in der Schweiz immer mehr vermischen. Ich glaube, die Hooligan-Datei ist dann legitim, wenn man sie unter strengsten Kriterien anlegt und sie auch regelmässig aktualisiert. Sie ist ein wichtiges Instrument, um die Leute in Schach zu halten.
Drei Massnahmen werden im neuen Hooligan-Gesetz geprüft: die Meldepflicht, Rayonverbote und Ausreisesperren. Reichen diese aus, um Ausschreitungen zu verhindern?
Pilz: Natürlich können sie das. Die Meldepflicht, an welche sich die Hooligans während der WM halten mussten, hat verhindert, dass sie gleichzeitig beim Spiel sein konnten, weil sie sich alle zwei Stunden bei der Polizei melden mussten. Die Ausreisesperren verhindern, dass Hooligans im Ausland straffällig werden können. Mit Stadionverboten bin ich nur teilweise glücklich. Man muss schauen, wofür sie ausgesprochen werden. Die Verbote treffen auch immer wieder Fans, die es nicht verdient hätten. Zudem üben Hooligans ihre Gewalt meist ausserhalb des Stadions aus.
Und hier werden die Kritiker laut. Sie behaupten, das Hooligan- Gesetz beschneide die Bürgerrechte, weil jeder Fan, der sich daneben benehme, kurzfristig festgenommen werden könne.
Pilz: Ob das so ist, müssen die Schweizer Staats- und Verfassungsrechtler beurteilen. Man muss aber auch sehen, dass Leute, die gegen das Gesetz verstossen, ebenfalls die Rechte derjenigen beschneiden, die sich korrekt verhalten. Insofern muss man sich darüber im Klaren sein, welches Gut höher zu gewichten ist. Aber es ist schon so, dass dieser Punkt sehr heikel ist und sorgfältig geprüft werden muss.
Interview: Daniel Rehfeld
ein ähnliches (oder gar dasselbe?) interview ist auch in der neuen lz von heute zu finden
Der Kapitalist ist nicht mehr der einsame Geizhals, der sich an den verbotenen Schatz klammert und ab und zu im stillen Kämmerlein hinter der fest verschlossenen Tür einen verstohlenen Blick darauf wirft, sondern ein Subjekt, welches das grundsätzliche Paradox akzeptiert, dass die einzige Art und Weise, den eigenen Schatz zu bewahren und zu vermehren, darun besteht, ihn auszugeben.
[RIGHT]Slavoj Zizek[/RIGHT]
[RIGHT]Slavoj Zizek[/RIGHT]
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Captain Sky
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Wenn er diese Antwort auf die Schweiz bezieht, scheint er die Lage hier nicht ganz zu kennen (was ich auf Grund seiner letzten Anwort vermute).nogomet hat geschrieben:Deutschland ist bekannt für die rigorose Umsetzung seiner Hooligan-Gesetze. Die Schweiz wird ab 2007 ein neues Hooligan-Gesetz erhalten. Wichtiger Bestandteil ist die Datenerfassung von Hooligans. Finden Sie das legitim?
Pilz: Wir haben eine Verfassung, einen Datenschutzbeauftragten. Und die Tatsache, dass dieses Gesetz existiert und es diese Datei gibt, zeigt, dass es legal ist, sonst wäre sie verboten. Dass der Hooliganismus ein Auslaufmodell ist und der Umstand, dass bei dieser WM kaum ein Hooligan negativ aufgefallen ist, beweist, dass dieses System sehr wohl greift.
@nogomet: Danke für die leserliche Darstellung. Nach der Frage "Warum sucht sich ein Hooligan ausgerechnet Sportveranstaltungen aus, um seinen Emotionen freien Lauf zu lassen? Er könnte sich ja auch bei anderen Gelegenheiten mit Gleichgesinnten prügeln." ist dir allerdings eine Frage durch die Lappen (Nöd als Chritik
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