Machtspiele um YB

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smd
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Machtspiele um YB

Beitrag von smd »

29. Oktober 2006, NZZ am Sonntag

Machtspiele um YB
Im neuen Stadion kommt der Berner Fussballklub nicht zur Ruhe

Von Peter B. Birrer

Davide Chiumiento ist ein talentierter Fussballer, 22 Jahre jung. Unter sonderbaren Umständen wechselte er unlängst von seinem Besitzer Juventus Turin leihweise zum BSC Young Boys. Er kam nach Bern, obschon ihn der damalige Trainer Gernot Rohr nicht wollte. Chiumiento musste dringend in einem Klub untergebracht werden, weil sein Berater Giacomo Petralito wegen des Fussball-Skandals in Italien unter Druck steht. Und Chiumiento spielt nur für YB, weil auch der Ivoirer Gilles Yapi für YB spielt. Alles klar? Der Berner Klub bietet solche und andere seltsame Geschichten. Um sie besser zu verstehen, ist ein Blick unter das Dach des Stade de Suisse hilfreich.

Das im Sommer 2005 eröffnete Stade de Suisse hat YB auf den Kopf gestellt. Martin Andermatt ist nach Hans-Peter Zaugg und Gernot Rohr bereits der dritte Trainer innert zwölf Monaten; gegen 50 Transfer-Bewegungen zeugen von Tempo, Hektik und etwas Panik. Im Hintergrund haben Stadion-Investoren seit 2000 gegen 60 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Die Erwartungen werden in die Höhe geschraubt, als wäre der Erfolg zu kaufen. Es ist der Versuch, auf die Schnelle umzusetzen, was die Investoren Benno E. Oertig und Andy Rihs vor dem Zügeltermin ins neue Stadion angekündigt hatten. «Wir wollen über die Euphorie das Stadion füllen», gab Oertig vor. «Here we are, here we go - alles ist möglich», liess Rihs verlauten.

YB stürzte sich zwar in Aktionismus, aber YB stürzte nicht ab. Das ist die positive Nachricht. Dennoch führte der materielle Einsatz bis jetzt nicht zum Glücklichsein. Die Momentaufnahme gibt Einblick ins Wechselbad: Die Berner gewinnen nach dem Trainerwechsel vor 26 000 Zuschauern gegen Thun 5:0, Hakan Yakin glänzt, alle sind happy, und die Investoren fragen, vielleicht zu Recht: «Was wollen Sie mehr?» Sieben Tage später verliert das gleiche Team in Luzern 1:3, der Trainer ist verärgert, und Yakin kommt wegen mangelhafter Fitness ins Gerede. Jetzt fragt sich der Investor: «Was ist denn hier los?». Am Samstag gewinnt YB vor 17 000 gegen den FC Zürich 2:0. «Das ist doch solid», denkt der Investor.

Kein Fussball-Wissen
Wer die Berner Unruhe zu begründen versucht, erhält unter dem Dach der Stadion-Holding Anhaltspunkte. Der Klub gehört unter anderem den für den Sportbetrieb und die Vermarktung zuständigen Stadion-Investoren Oertig (Inkasso-Firma Intrum Justitia), Urs Meile (einst Vögele-Finanzchef) und Rihs (Phonak). Ihnen gemein ist, dass sie zwar reich sind und den während Jahren darbenden Klub zusammen mit dem Bauunternehmer Bruno Marazzi gerettet haben. Aber vom Fussballgeschäft verstehen sie nicht viel. Ihr Stadion-CEO Stefan Niedermaier ist ebenfalls branchenfremd. Er kam erst im Sommer 2005 mit dem Profifussball in Kontakt, rieb sich ein paarmal die Augen und lief intern Sturm, als die Kommunikation aus dem Ruder lief.

Der Grund ist simpel. In das Vakuum der Fussball-Kompetenz stösst immer wieder der frühere Stadion-CEO Peter Jauch vor. Er, der im Zürcher Eishockey (GC) und im Basler Fussball (FCB, St.- Jakob-Park) Erfahrungen sammelte, gilt als graue Eminenz im Klub, steht Oertig nahe und ist dessen Einflüsterer. Er gehört, obschon nicht besonders finanzkräftig, zur Investoren-Gilde und zeichnet sich durch rücksichtslose Methoden aus. Jauch jagte dem früheren Sportchef Fredy Bickel und dem früheren Präsidenten Heinz Fischer 2002 die Polizei auf den Hals, was Wellen schlug und mit dem richterlichen Freispruch für Bickel und Fischer endete. Er jagte 2003 den Trainer Marco Schällibaum davon. Er demontierte 2005 Zaugg und stellte den früheren Sportchef Reto Gertschen bloss. Und Jauch gab zuletzt in einem vernichtenden Interview den Sportchef Marcel Hottiger und den Trainer Rohr zum Abschuss frei.

Jauch, dem klubintern nicht inhaltlich, sondern vor allem formal Vorwürfe gemacht werden, schuf sich in Bern keine Freunde. Er wurde schon als «meistgehasster Zürcher in Bern» bezeichnet, was ihm nichts auszumachen scheint. Weil er immer wieder Geschirr zerschlug, wurde er aus der Schusslinie genommen und als Stadion-CEO ersetzt. Zuletzt wurde der sogenannte YB-Sportausschuss aufgelöst, in dem Jauch direkt Macht ausübte. Jauch bekundet mit der Zurückstufung Mühe. So soll er gedroht haben, die Arbeit der YB-Verantwortlichen fortan zu «torpedieren». Dennoch hat Jauch im Kreis der Geldgeber weiterhin Einfluss. Für die Angestellten gilt das, was Rohr so umschrieb: «Es gibt strukturelle Unklarheiten. Es ist nicht klar, wer die Nummer 1 ist.»

Berater im «Krieg»
Der Geld-Einsatz rund um YB bleibt im neuen Stadion hoch. Das zieht die Spieler und deren Agenten wie Fliegen an und ist nebst den Strukturmängeln in der Führung ein weiteres YB-Problem. Mit jedem Spieler-Transfer wird Geld freigesetzt, und alle wollen verdienen: der alte Klub, der Spieler und die Agenten, die «untereinander Krieg führen», wie ein Branchenkenner sagt. Die Berater versuchen ihre Trainer und Spieler zu placieren. Macht- und Ränkespiele sind im Gang, die Player geraten in Abhängigkeiten, und die Frage lautet: Wer kassiert wie viel? Einem Mitglied des YB-Führungszirkels rutschte der Satz über die Lippen: «Man will, dass wir hier Geld zum Fenster hinausrösten.»

Immer wieder gehen Gerüchte um, wonach neben Spielern und Agenten auch Trainer und Sportchefs an Transfers mitverdienen. Auch der Name des Fussballexperten Erich Vogel, der in Bern vermehrt Einfluss erhalten haben soll, taucht in diesem Zusammenhang auf. Ein Beispiel des Mitverdienens mit YB: Rohr traf im letzten Sommer an einem Strand in Cannes Milicevic, brachte diesen zu YB und soll am Wechsel mitverdient haben - wie drei andere Personen, zu denen offenbar der «Milicevic-Entdecker» Erich Vogel gehört. Vogel und Rohr stellen das in Abrede. Jauch stemmte sich gegen den Transfer, der seitens des YB schliesslich vom Mitinvestor und Jauch-Kritiker Fritz Bösch bezahlt wurde. Die Rede ist von 400 000 Franken. Rohr beförderte den YB-Neuling Milicevic bereits nach wenigen Wochen zum Captain, was sonderbar ist und von einer Abhängigkeit zeugen könnte. Auch beim Transfer des Ivoirers Gilles Yapi im letzten August soll Geld in verschiedene Richtungen geflossen sein, doch belegen lässt sich nichts, weil niemand ein Interesse hat, dass etwas auffliegt: Der Spieler hat den neuen Klub und der Klub den Spieler. Und rundherum wird kassiert.

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smd
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2. Teil

Beitrag von smd »

Konfrontationskurs
Dem Vernehmen nach versuchten sich der damalige Trainer Rohr und der frühere Sportchef Hottiger gegen die verstärkte Einflussnahme seitens der Investoren zu wehren. Sie verbündeten sich zusehends und schwenkten auf Konfrontationskurs mit dem in Transferfragen weiterhin massgeblichen Peter Jauch ein, dem «Exekutor» der Investoren. Die Folge war ein Machtkampf, den derjenige entschied, der die Geldgeber vertritt. Am Schluss wurde den zwei Technikern der Spieler Davide Chiumiento ins Nest gesetzt, obschon sich Hottiger öffentlich dagegen gewehrt hatte. In YB-Kreisen hält sich das Gerücht, dass Hottiger und Rohr den Chiumiento-Transfer schliesslich nur billigten, weil sie auf diese Weise ihren Wunsch-Transfer Yapi «erpressen» konnten. Der Kuhhandel veranschaulicht im Kleinen, woran YB im Grossen krankt: Der von diversen Interessen verzerrte Klub hat zwar seit längerem gute und teure Einzelspieler, aber kein Team und - als Beispiel - für eine Position gleich drei Grossverdiener: Yakin, Yapi und Chiumiento.

Davide Chiumiento ist in der Agentur «4sports» unter Vertrag - wie die YB-Spieler Hakan Yakin und Gohouri. «4sports» ist eine international tätige, in Baar domizilierte Agentur, die im Athleten-Management spezialisiert ist und Fussballer wie Patrick Müller, Ergic und Cabanas betreut. Das Duo Rohr/Hottiger wehrte sich zunehmend gegen den Einfluss der Agentur, was den Konflikt zwischen Rohr und Yakin mitbegründete. Im September publizierte der «Blick» besagtes Interview mit Jauch - Hottiger und Rohr wurden abserviert. Das Interview war gezielt placiert worden. Für «4sports» arbeitet als «Co-Präsident» und «Manager» der frühere «Blick»-Fussballchef Christoph Graf, der dank den Kontakten in die Redaktionen schon lange gegen Rohr Stimmung gemacht hat. Auch der Graf nahestehende Jauch hatte früher - wie der Stade-de-Suisse-Kommunikationsberater Sacha Wigdorovits - für die Boulevardzeitung gearbeitet. Der Kanal funktionierte: Die instrumentalisierte Zeitung hatte die Schlagzeilen, die Agentur den Einfluss und der (eigentlich) zurückgestufte Jauch den Auftritt, das Machtinstrument und die Kampagne. Auf der Strecke blieben der Anstand, der Stil, die Vernunft und die sportliche Glaubwürdigkeit. Inwiefern Jauch mit seiner Kritik inhaltlich Recht hatte, konnte nicht mehr vernünftig verhandelt werden.

Das intrigenreiche Spiel ging weiter. Als möglicher Nachfolger Rohrs wurde in allen Zeitungen der Concordia-Jungtrainer Murat Yakin portiert, der zum «Beraterteam» von «4sports» gehört. Schliesslich machte Martin Andermatt das Rennen, von dem es heisst, er gehe in der Agentur ein und aus. Graf bestätigt, dass «Andermatt ein paar Exponenten unserer Agentur nahesteht». Andermatt beförderte in Bern mit einer der ersten Handlungen Hakan Yakin zum Captain. Aus freien Stücken? Vielleicht. Die Yakin-Connection verkompliziert der Fakt, dass der Yakin-Berater Giacomo Petralito von «4sports» ins zweite Glied versetzt wurde, weil dieser wegen Beziehungen zu Juventus Turin und zum «Hauptdrahtzieher» Luciano Moggi mit dem italienischen Fussball-Skandal in Berührung gekommen ist. Aber Petralito hält weiterhin wichtige Mandate, weil Spieler wie Yakin eng mit ihm verbunden sind. Chiumientos Transfer zu YB soll geeilt haben, weil Petralito von Juventus den Auftrag hatte, den Spieler schnell andernorts unterzubringen. Selbstredend ist, dass mit Chiumiento Geld im Spiel ist. Die Fragen lauten wie immer: Wer kassiert wie viel? Warum wurde der Transfer durchgedrückt?

Gohouri darf nicht weg
Auch der talentierte Ivoirer Steve Gohouri ist zum Spielball diverser Interessen geworden. Er kam für eine halbe Million Schweizer Franken aus Vaduz nach Bern; YB und «4sports» teilten sich die Rechte 50:50, aber YB zahlte offenbar den grösseren Teil der Transfersumme. Die Ausstiegsklausel für einen Transfer ins Ausland ist auf 1,3 Millionen Franken festgesetzt. Als YB und Gohouri im Europacup gegen Olympique Marseille gut spielten, wurde der Verteidiger in Marseille zum Thema. Doch der Transfer ins Ausland kam nicht zustande, weil in Gohouris Vertrag offenbar ein kleiner Zusatz steht. Demnach könne YB das Veto einlegen, falls der Verein 650 000 Franken an «4sports» überweise und dafür mehr oder weniger die Rechte am Spieler erhalte. Graf bestätigt, dass YB vom Veto Gebrauch gemacht habe. Er streitet aber ab, dass Geld geflossen sei. Solche Praktiken und Gegengeschäfte sind im Fussball gang und gäbe.

Pikant am YB-Fall ist, dass die Machthaber mit einer Agentur zusammenspannen - und gegen die eigenen Techniker vorgingen. Jauch nennt in Gesprächen immer wieder den Experten Ottmar Hitzfeld. Dieser beobachte zum Beispiel, dass jeder Klub in einem neuen Stadion zuerst Mühe bekunde. Hitzfeld steht auf der Kundenliste von «4sports» - unter der Rubrik «Persönlichkeiten» als «Weltklassetrainer». (Mitarbeit: Benjamin Steffen)



Auf der Strecke blieben wie so oft der Anstand, der Stil, die Vernunft und die sportliche Glaubwürdigkeit.

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smd
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Beitrag von smd »

Bei aller Kritik am "Basler System" Oeri-Gross, denke ich nicht, dass sowas in dieser Art hier in Basel möglich wäre. Oder zumindest kaum in diesem Umfang.

Wäre sicherlich interessant, mal die Basler "Verfilztheiten" der Spieler-Betreuer-Trainer-Stadionmenschen zu untersuchen.

Guter Bericht der NZZ.

Phebus
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Beitrag von Phebus »

ich bin mir fast sicher, dass es im Umfeld des FCB's solche oder ähnliche "Haie" nicht gibt. Das ist definitiv nicht der Stil der Madame, obwohl ihr dann und wann mangelndes Fachwissen attestiert werden kann. Aber dazu hat sie ja noch CG.

Der (gute) Bericht der NZZ aber, stimmt mich nachdenklich. Im Fussballzwergenland Schweiz, wo kaum Sponsoren-, und noch weniger TV-Gelder fliessen, gibt es nun offenbar Typen, welche den letzten Franken in ihre eigenen Taschen fliessen lassen, anstatt dafür zu sorgen, dass "ihr" Klub finanziell einigermassen über die Runden kommt. Hier stimmt etwas nicht und es ist gleichermassen unverständlich, dass der SFV solche Mauschereien akzeptiert, oder darüber diskret hinwegschaut. Die Beteiligten sind vielleicht zu einflussreich.

Tatsache ist, dass dies dem Fussball allgemein schadet und der Liga im speziellen.

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PeppermintPatty
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Beitrag von PeppermintPatty »

Bei aller (zT auch berechtigten) Kritik an Gigi Oeri nehme ich ihr doch zumindest ab, dass sie mit einer gewissen Leidenschaft beim FCB zu Werke geht und nicht darauf aus ist, den grossen Reibach zu machen. und ich wünsche wirklich nicht, eines Tages eines besseren belehrt zu werden...
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